Dass der häufige Einsatz von Antibiotika immer mehr resistente Bakterien fördert, wurde in letzter Zeit breit diskutiert. Die Geflügelproduzenten wurden dafür kritisiert, Antibiotika missbräuchlich einzusetzen. Ganz so negativ wie oft dargestellt wird, ist die Situation jedoch nicht, wie Roger Stephan, Professor am Institut für Lebensmittelsicherheit der Universität Zürich, letzten Freitag an einem Mediengespräch am Aviforum Schweiz ausführte.

Problematische Schnittstelle der Tier- und Humanmedizin

Es ist erwiesen, dass bereits resistente Keime, welche sich bei Mastherden eingenistet haben, durch den vermehrten, präventiven  Antibiotikaeinsatz selektioniert werden. Zusätzlich besteht nun das Risiko, dass gewisse dieser (multi)resistenten Bakterientypen  beim Zubereiten oder bei dem Verzehr von tierischen Lebensmitteln auf den Menschen übertragen werden können. Falls beim Menschen dann eine Infektion ausbricht, sind gewisse Antibiotika dagegen dann nicht mehr wirksam.

Geflügelproduzenten an Pranger gestellt

Die oft gehörte Kritik der öffentlichen Medien an die Geflügelmast lautet, dass erstens Antibiotika präventiv und allgemein missbräuchlich eingesetzt werde, zweitens die Ursache bei den beim Menschen gefundenen Problemstämmen vom Masthuhn kämen und drittens eine hohe Befallsrate bei den Mastherden mit einer hohen Kontamination im Fleisch einhergehe.

Roger Stephan nahm in seinem Vortrag Stellung zu diesen Anschuldigungen. Er gab zum Ausdruck, dass Resistenz nicht gleich Resistenz- und Antibiotika nicht gleich Antibiotika sei. Bei der Präsentation ging er deswegen differenziert auf zwei mögliche, problematische Resistenzformen ein, welche bei der Konsumation von Geflügelfleisch zum Problem werden können. Bei der ersten handle es sich um die Bakteriengruppe der penicillinresistenten ESBL-Bildner – bei der zweiten um den Problemstamm der colistinresistenten Keime, welche das sogenannte MCR-1-Gen besitzen.

Bei beiden Bakteriengruppen sei problematisch, dass sie ihre gencodierten Resistenzen über spezifische Mechanismen sehr schnell auf andere Bakterien übertragen könnten, was zu einer rasanten Vermehrung dieser potenziell schädlichen, resistenten Keime führe. Die colistinresistenten Bakterien können diese Resistenz sogar auch an andere Bakterienspezies weitergeben, was zu einer rasanten Vermehrung solcher potenziell schädlicher Keime führt. Diese können dann bei einer ausgebrochenen Infektion oft nicht mehr bekämpft werden, da kein wirksames Antibiotikum gegen diese Keime verfügbar ist.

Studien bringen Klärung

Der Lebensmittelexperte zeigte mittels Studien auf, dass zwar diverse ESBL-Bildner im Fleisch gefunden wurden. Jedoch würden Antibiotika, welche solche resistenten Bakterien fördern, in der Schweiz nur selten eingesetzt. Die Bakterienstämme, welche bei einer Kontamination beim Menschen registriert würden, seien auch nur teilweise dieselben wie bei den Mast- hühnern. Der Schaden könne daher nur bedingt auf das Pouletfleisch zurückgeführt werden. Da zudem bereits die vom Ausland importierten Mastelternküken resistente Keime aufwiesen, könne dieses Problem von den Geflügelproduzenten der Schweiz nicht wirklich angepackt werden.

Ein etwas anderes Bild zeige sich in Bezug auf die zweite Resistenzform bei den Bakterien mit dem MCR-1-Gen. Die Keim-Überlappungen beim Huhn sei mit jenen beim Menschen sehr hoch. Es sei daher gut möglich, dass diese Problemstämme über das Hühnerfleisch an den Menschen weitergegeben würden. Stephan fügte hier aber an, dass solche Keime bei der erwähnten Studie nur bei ausländischem Fleisch gefunden wurden.

Vieles wird bereits getan

Die Anschuldigungen an die Geflügelproduktion konnte Roger Stephan schlussendlich mit seinen wissenschaftlich untermauerten Erkenntnissen entkräften. Nach seinem Vortrag konnten dann auch die verschiedenen Vertreter der ganzen Geflügelbranche zur aktuelle Situationslage Stellung nehmen. Diese waren sich einig, dass in der Schweizer Geflügelbranche im Bereich des kontrollierten Antbiotikaeinsatzes, der Hygiene und der Dekontaminierung bereits vieles getan wird, um eine Vermehrung resistenter Keime via die Geflügelproduktion und das Pouletfleisch zu verhindern.

Das heisst in Bezug auf die oben besprochenen Problem-Keimgruppen; in der Produktion möglichst wenig Antibiotka einzusetzen, die die Vermehrung multiresistenter Keime wie die ESBL-Bildner fördern und weiterhin auf Colistin zu verzichten, um keine gefährlichen, colistinresistenten Keime beim Geflügel heranzuzüchten. Im Bereich der Fleischverarbeitung bedeutet es, gute Dekontaminierungsmethoden zu finden, um die Zahl an bereits im Fleisch vorhandenen Keimen einzudämmen.

Herausforderung bleibt bestehen

Die Kreisläufe von Tier und Mensch überschneiden sich an vielen Stellen – sie werden nicht nur über die Lebensmittel übertragen. Es dürfte daher auch zukünftig nicht einfach sein, den Antbiotikaeinsatz dort zu reduzieren, wo es Sinn macht. Denn ein paar Antibiotika, welche in der Tiermedizin eingesetzt werden, dienen in der Humanmedizin als Reserveantibiotika für die wirklichen Notfälle. Wirken auch diese aufgrund von missbräuchlichem Einsatz in der Tiermedizin nicht mehr, kann das für den Menschen im Falle einer Infektion verheerende Folgen haben. Bei Notfällen in der Tiermedizin jedoch auf solche Antibiotika zu verzichten, sehen gerade die Tierärzte jedoch nicht. In gewissem Sinne stehen hier also die Gesundheit von Mensch und Tier in Konkurrenz.

Auch Roger Stephan räumte ein, dass es eine Herausforderung bleibt, die Wirksamkeit von Antibiotika möglichst langfristig zu erhalten. Geforderte Massnahmen wie beispielsweise der Verzicht auf Antibiotika bei der Tiermast müssten auf ihre Vor- und Nachteile oder Alternativen hin gut bedacht und abgewogen werden, so der Lebensmittelexperte.

cpo