Brennnesselstauden, Johannisbeeren und Wilde Möhren wiegen sich sanft im Sommerwind. Neugierig herunterblickende Geissen roden ein mit Brombeeren zugewachsenes Stück Land. Maisstauden und Sonnenblumen scheinen miteinander zu tanzen. Schon die Zufahrt zum Auenhof nahe Feldbach ist ein Erlebnis. Hier wachsen wortwörtlich "Chrut und Rüebe" durcheinander. Doch was wie ein wunderschönes Chaos aussieht, ist ganz bewusst so gestaltet. Die unglaubliche Fülle und Vielfalt an Pflanzen, Farben und Düften ist das Ergebnis des ersten halben Jahres Permakultur auf dem Lern- und Demonstrationshof der Akademie für Permakultur-Gestaltung über dem Zürichsee.
Nachhaltigste Art der Landwirtschaft
Marcus Pan ist international tätiger Permakultur-Planer, Lehrer und Berater - und Initiant des Projektes. "Weltweit ist diese Art der Landwirtschaft schon seit rund 40 Jahren bekannt", sagt er, "in der Schweiz kennt sie noch kaum jemand." Das will er, zusammen mit Mitinitiantin, Lebens- und Geschäftspartnerin Trix Barmettler, ändern. Denn auf dem Auenhof wird nicht einfach "anders" Landwirtschaft betrieben, hier wird auch gelehrt und demonstriert. Was ist Permakultur überhaupt? "Es ist die nachhaltigste Art und Weise der Landwirtschaft", sagt der Pionier. "Das Zusammenleben von Mensch, Tier und Pflanze wird so kombiniert, dass es zeitlich unbegrenzt funktioniert."
Zu den Personen
Marcus Pan, 44, ist in Österreich aufgewachsen. Er absolvierte 2002 den Permakultur-Gestaltungs-Kurs und erhielt 2008 das "Diplom der angewandten Permakultur Gestaltung" von der österreichischen Permakultur-Akademie im Alpenraum - Institut für angewandte Ökopädagogik und Permakulturbildung E.R.D.E. Seit 2002 arbeitet er weltweit an zahlreichen Permakultur Projekten. Er ist Gründer und Leiter der Akademie für Permakultur Gestaltung in der Schweiz.
Trix Barmettler, 46, ist in bäuerlichem Umfeld in der Innerschweiz aufgewachsen. 20 Jahren lang war sie international als Gestalterin und Unternehmerin im kulturellen Bereich tätig. Als angehende Herbalistin/Phytotherapeutin ist sie auf dem Auenhof für die Medizinalkräuter und deren Verarbeitung zuständig.
Entwicklungshilfe unter Nachbarn
In der Permakultur wird versucht, die in sich geschlossenen Ökosysteme miteinander interagieren zu lassen. Weltweit gibt es bereits mehr als 1000 solcher Betriebe. "In der Schweiz ist dies der erste Permakultur Lern- und Demonstrationshof", sagt Trix Barmettler. Es geht um Mischkulturen und Biodiversität. Das heisst konkret, dass möglichst viele verschiedene Pflanzen - ein- und mehrjährige - strukturiert gepflanzt werden. "Es soll ja auch effektiv zu beernten sein", erklärt Pan. So werden diverse Obstbäume neben Beeren und Getreide angebaut. Bohnen teilen sich mit Mais und Kürbis ihren Platz. Dazu kommt Gründünger, das sind bodenregulierende Pflanzen wie Luzerne, Leindotter und Erbsen. Die Pflanzen unterstützen sich gegenseitig bei ihrer Entwicklung.
Ambitionierte Ziele
Von Anfang an war klar, dass der Auenhof ein gemeinschaftlich betriebenes Projekt werden soll. "Wir sind 24 Genossenschafter", erklärt Trix Barmettler. Sie und Marcus Pan sind die Inhaber und fungieren als Präsident und Vizepräsidentin. "Es ist unsere Verantwortung, dass wir den Hof so aufbauen, dass er wirtschaftlich funktioniert", sagt die ehemalige Grafikerin. "Mit Hilfe der Genossenschafter." Ab 10'000 Franken können Interessierte einsteigen. Zwei festangestellte Mitarbeiter teilen sich 110 Stellenprozente. In zwei Jahren wollen sie auf dem Auenhof schwarze Zahlen schreiben. Direktzahlungen beziehen sie keine. Ist das nicht ein zu hoch gestecktes Ziel? "Hätten wir nur den Ertrag von unserem Gemüse, den Kräutern und dem Honig, wäre es das tatsächlich", sagt die 46-Jährige, "doch wir versuchen, mehrere Ertragsstandbeine aufzustellen."
Die Haupteinnahmequelle sind aktuell noch die Kurse und Workshops, die sie auf dem Lern- und Demonstrationshof anbieten. Dort kann man zum Beispiel einen dreitätigen Grundkurs für 380 Franken belegen. Seit das Projekt im Februar dieses Jahres gestartet wurde, liessen sich bereits über 100 Teilnehmer in die Geheimnisse der Permakultur einführen. Neben Bankern, Sozialarbeitern, Gärtnern, Eishockeyspielern und Rechtsanwälten besuchen immer mehr Bauern die Kurse.
Permakultur auf dem Balkon
"Wir wissen, dass Permakultur funktioniert und Landwirtschaft für Generationen ist", sagt Marcus Pan, "aber wer das nicht weiss, dem können wir es hier zeigen." Jeder könne jederzeit etwas ändern, dazu brauche es keinen eigenen Hof: "Starten kann man auch auf dem Balkon." In den Kursen sollen die Menschen etwas sehen, womit sie auch tatsächlich etwas anfangen können. Lernen wie man einen Kompost richtig aufschichtet, zum Beispiel. Manche der Kursteilnehmer schicken Fotos ihrer kleinen Projekte oder kommen wieder für einen weiterführenden Kurs.
Für Trix Barmettler, die sich künstlerisch betätigt, ist auch Permakultur Kunst: "Sie ist poetisch, kreativ und kunstvoll." Die Hühner und Ziegen kommen von Pro Specie Rara und das Gemüse stammt ebenfalls von alten, schon fast vergessenen Sorten.
Gemeinschaft ist gefragt
Von den drei Hektaren sind derzeit erst 500 Quadratmeter bepflanzt. Neben Gemüse und Blumen gibt es Beete mit Medizinalkräutern und mediterranen Pflanzen wie Olivenbäumen. Die Bestellung der Felder ist arbeitsintensiv. "Darum braucht es für Permakultur Gemeinschaften", betont Pan. Das könne wie in ihrem Fall eine Genossenschaft sein, oder Nachbarn oder mehrere Generationen. A propos Nachbarn: Wie reagieren denn die "normalen" Landwirte im Dorf? "Sie sind interessiert", sagt Trix Barmettler, "wir tauschen uns aus und mit dem einen oder anderen könnte es sogar zu einer Zusammenarbeit kommen."
Mit all ihren Kräften wollen sie den Auenhof rundum zum Funktionieren bringen und rechnen damit, dass dies mindestens vier bis fünf Jahre dauern wird. Noch haben sie nur wenige Kunden, die ihren Hofladen frequentieren. Doch sie hoffen auf die Mund- zu-Mund-Propaganda und darauf, dass sich immer mehr Menschen mit dem Thema Permakultur auseinandersetzen. "Wenn wir umdenken und unsere Landschaft nach den Grundsätzen der Permakultur umgestalten", betont Marcus Pan, "dann gibt es für uns alle auf diesem Planeten genug."
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