BauernZeitung: Der Schweizerische Bäuerinnen- und Landfrauenverband (SBLV) beteiligt sich am 7. März an der nationalen Kundgebung «Lohngleichheit jetzt». Weshalb?
Christine Bühler: Im Vordergrund steht für uns die Frauensolidarität. Wir demonstrieren für die Lohngleichheit und die ist aus meiner Sicht eng mit der bevorstehenden AHV-Revision verknüpft. Im Zuge dieser Revision soll das Frauenrentenalter jenem der Männer angepasst werden, also auf 65 Jahre erhöht werden. Solange sich aber die formale Gleichstellung im Alltag nicht durchgesetzt hat, sind wir, die Frauen-Dachverbände, gegen eine Angleichung des Rentenalters. Dass Frauen für gleiche Arbeit weniger Lohn erhalten, dass sie viel mehr unbezahlte Arbeit leisten als Männer, das nimmt man als selbstverständlich. Dass sie dann aber mit der Rente noch bestraft werden dafür, das darf nicht sein. Es wird so viel von Frauen- und Familienförderung gesprochen, doch gerade in diesem wichtigen Bereich kommt sie leider zu kurz. 

Wie viele Mitglieder werden den Dachverband in Bern unterstützen?
Bühler: Von Kaffeesatzlesen halte ich nicht viel. Und ich fordere niemanden direkt zur Teilnahme auf oder verurteile gar Frauen, die fernbleiben. Es wäre schön, wenn aus allen Mitgliedsektionen je eine Delegation nach Bern käme. Aber ich gehe nicht davon aus, dass da 1000 Frauen auf dem Platz stehen werden. 

Aber ein bisschen mehr Frauen werden es sein als vor vier Jahren, als der SBLV das erste Mal dabei war?
Bühler: Das ganz bestimmt. Auch wenn wir bis auf einen Hinweis anlässlich der Präsidentinnenkonferenz und auf unserer Homepage nicht speziell Werbung machen dafür. Wir finden es einfach wichtig, dass die Frauen zusammenstehen. 

Mit welchen verbandsspezifischen Anliegen geht der SBLV an die Kundgebung?
Bühler: Wir wollen in erster Linie Solidarität zum Ausdruck bringen. Und wir wollen auch zeigen, dass nicht nur die politisch linken Frauen und die Gewerkschafterinnen demonstrieren, sondern alle Frauen öffentlich für ihre Rechte einstehen, wenn es sein muss. Daneben stellen wir die Bedeutung der sozialen Absicherung von Bäuerinnen und allen Partnerinnen von anderen Selbständigerwerbenden ins Zentrum.

Wie wollen Sie sich die nötige Aufmerksamkeit verschaffen?
Bühler: Wir werden voraussichtlich ein Transparent gestalten. Und ich hoffe natürlich, dass alleine schon die Anzahl anwesender Frauen für Aufmerksamkeit sorgt. Als grosser Frauen-Dachverband haben wir zudem zwei Minuten Sprechzeit vor der versammelten Menge.

In der Landwirtschaft erhalten viele Frauen für ihre Arbeit auf dem Betrieb gar keinen Lohn. Manche von ihnen stellen stattdessen die Wertschätzung für ihre geleistete Arbeit ins Zen­trum. Wie beurteilen Sie diese Haltung?
Bühler: Mir fällt auf, dass häufig davon gesprochen wird, dass die Männer den Frauen einen rechten Lohn bezahlen müssen. Diese Aussage ist meiner Ansicht nach nicht korrekt. Es geht doch darum, dass der Betrieb wirtschaftlich so aufgestellt sein muss, dass für die erbrachte Arbeit ein Lohn bezahlt werden kann. Verkraftet der Betrieb keine Lohnkosten, muss man sich grundsätzlich über dessen Zukunft Gedanken machen.

Zu jedem Bauernbetrieb gehört ein Haushalt und der trägt viel dazu bei, dass es auf dem Betrieb rund läuft. Dort kommt dann für mich die Wertschätzung zum Tragen. Ich meine damit Wertschätzung im Sinne von, dass jede Tätigkeit gleich viel Wert ist. Diese Wertschätzung muss die Frau oft selber einfordern.

Das Argument, dass die Betriebe den Frauen keinen Lohn bezahlen können, ist also Ihrer Ansicht nach keines?
Bühler: Diese Haltung ist vielleicht ein bisschen radikal. Doch ich finde, wirtschaftlich zu denken und zu handeln auf dem Betrieb ist etwas, das alle Bauernfamilien tun müssen. Und wirtschaftlich denken heisst nicht, was wollen wir uns jetzt noch kaufen, sondern sich gut zu überlegen, was bringt uns ein allfälliger Kauf, wie sieht das Kosten-Nutzen-Verhältnis aus.

Das Recht auf Gleichstellung beschränkt sich nicht auf die Lohnfrage. Gleichstellung bedeutet beispielsweise auch, den Familienalltag partnerschaftlich zu gestalten. Wie verbreitet ist das?
Bühler: Ich stelle fest, dass dies in ganz vielen Bauernfamilien gelebt wird. Dass beispielsweise der Mann Aufgaben übernimmt in der Kinderbetreuung oder das Mittagessen zubereitet, wenn die Frau auswärts arbeitet. Von der Struktur her bringen viele Betriebe gute Voraussetzungen mit, die Arbeit in Haus und Hof partnerschaftlich aufzuteilen.

Wie halten Sie es privat mit der Gleichstellung?
Bühler: Wir führen unseren Betrieb partnerschaftlich, und zwar schon seit bald 20 Jahren, also praktisch seit dies rechtlich möglich ist. Ich habe zudem nach wie vor meinen eigenen Betriebszweig. Auch wenn ich nicht alles selber machen kann, die Verantwortung liegt bei mir. Auch für den Haushalt bin ich alleine verantwortlich. Da ich viel unterwegs bin habe ich aber eine Frau, der mich einmal in der Woche unterstützt. 

Wie erleben Sie die Branche, wird in der Landwirtschaft genug für die Gleichstellung getan?
Bühler: Am ehesten wird die Gleichstellung in der Basis gelebt. In den Verbänden und Organisationen besteht generell noch viel Handlungsbedarf. Sagen darf man aber, dass der Bauernverband den Schritt gemacht hat. Er hat dem SBLV vor knapp drei Jahren einen zweiten Sitz im Vorstand eingeräumt und wenig später auch das eine Vizepräsidium zugestanden. Damit hat er gezeigt, dass er die Gleichstellung ernst nimmt.

Vor vier Jahren war der SBLV das erste Mal am Frauenaktionstag mit dabei. Kurzfristig hat er damit viel Wirkung erzielt, und die oftmals unbefriedigende soziale und rechtliche Situation der Bäuerin ist in der breiten Öffentlichkeit ein Thema beworden. Was konnte da­rüber hinaus erreicht werden?
Bühler: Die Teilnahme hat nicht nur kurzfristig gewirkt. Die Wirkung war lang anhaltend stark. Dabei darf man nicht vergessen, dass diese Wirkung nicht von einem Tag auf den anderen zum Tragen gekommen ist, sondern dass der SBLV schon viele Jahre vorher angefangen hat, um Gehör und Anerkennung zu kämpfen.

In der Öffentlichkeit ist das Interesse an der Situation der Bäuerinnen jedoch schon etwas abgeflaut.
Bühler: Das ist so. Aber besonders wichtig war für uns auch, dass die Informationen rund um die sozialen und rechtlichen Fragen zu jeder einzelnen Bäuerin und Partnerin eines anderen Selbständigerwerbenden durchdringen. Wir stellen fest, dass diese Fragen in den Kantonalsektionen heute vermehrt aufgegriffen werden, sei dies in Form von Vorträgen oder Workshops. Das freut uns sehr. Auch in der landwirtschaftlichen Beratung hat ein Umdenken stattgefunden und sich etwas bewegt. Die Auseinandersetzung mit der Situation der Bäuerin ist in der Zwischenzeit ein relativ fester Bestandteil geworden im Beratungsalltag.

In der Basis ist das Wissen vorhanden, häufig löst es jedoch keine Handlung aus auf den Bauernbetrieben, das heisst, die Frauen arbeiten weiterhin ohne eigenen Lohn. Woran liegt es?
Bühler: Das ist so. Aber solange die Basis nicht einsieht, dass die soziale Absicherung für alle Frauen und vor allem auch in guten Zeiten gilt, löst es keine Handlung aus.

Hat der SBLV weitere Aktivitäten geplant in diesem Jahr in Bezug auf die Gleichstellung?
Bühler: Wir setzen unsere Arbeit so fort, wie wir sie aufgegleist haben. Mit der Brech­stange erreicht man nie etwas. Wenn ich zurückschaue, darf ich sagen, die Strategie hat sich bewährt und die gehen wir jetzt weiter. Nur wenn immer wieder über Gleichstellungsfragen gesprochen wird, entwickelt sich ein starkes Bewusstsein dafür. Ganz wichtig ist auch, dass jede Bäuerin ein nachahmenswertes Vorbild ist, für ihre Töchter wie für die jungen Frauen generell.

Interview Esther Zimmermann