Die Produktion und auch der Konsum von Kalbfleisch sinken. Was sind die Gründe dafür?
Samuel Graber: Die Zeiten ändern sich, fast alle Frauen arbeiten auswärts und damit nimmt die Wichtigkeit des Kochens zuhause ab. Frauen, die Kalbfleisch zubereiten können, sterben aus. Dafür halten Fertigmenüs wie Tiefkühlpizza Einzug im Haushalt oder der Pizzaservice bringt die Pizza gleich selber vorbei. Das Premiumprodukt Kalbfleisch hat im Laden seinen guten Preis und auch im Restaurant zählen Kalbfleischmenüs zu den teureren. Junge haben jedoch andere Budgetschwerpunkte, für sie ist Kalbfleisch zu teuer. Und leider haben viele Gastronomen das Kalbfleisch aus Preisgründen von der Menükarte genommen.
Wie reagiert der Schweizer Kälbermäster-Verband darauf?
Wir haben vor zwei Jahren das rosafarbene Kalbfleisch eingeführt von maximal 160 Tage alten Kälbern. Diese Branchenlösung wird eingehalten von Micarna, Bell und Ernst Sutter AG und von den Labels. Ohne das rosa Kalbfleisch wäre die Lage schlimmer, weil wir Krach mit dem Tierschutz hätten. So gesehen war die Einführung der Branchenlösung rosa Kalbfleisch eine gute Idee. Die Tränker stammen meistens von milchbetonten Kühen, sie fressen früh Raufutter und mit 160 Tagen haben sie einen ausgebildeten Pansen und das führt logischerweise zu rosa Kalbfleisch. Wir bewerben das Kalbfleisch und streichen hervor, dass es heute rosa ist. Zurzeit drehen wir einen Film über das natürliche Kalbfleisch zusammen mit dem Gewinner des Proviande-Kochwettbewerbes 2016 Michel Bucher aus Oftringen AG.
Weihnachten und Ostern waren früher die zwei Nachfragespitzen beim Kalbfleischkonsum. Warum ist das nicht mehr der Fall?
Die beiden Festtage werden heute anders begangen als früher, als man die ganze Familie um einen Kalbsbraten versammelte. Die Konkurrenz von günstigem Poulet ist gross. Über Weihnachten und Ostern isst man mit der Familie auswärts oder man fliegt weg. Mit Billigflügen ist die Verlockung gross, kurz ins Ausland zu reisen. Städtereisen sind in Mode gekommen, ja sogar Geburtstage werden in Mallorca gefeiert statt zuhause. Das alles drückt leider auf den Kalbfleischkonsum.
Die Produzentenpreise stiegen in den letzten Jahren um acht Prozent, die Konsumentenpreise um 40 Prozent. Warum wird das Kalb teurer in den Läden?
Die Kalkulation der Verarbeiter fusst darauf, dass ein Teil des Kalbfleisches in die billigen Würste wandert. Die starken Angebotsschwankungen sind ein Problem für die Verwerter, sie hätten lieber das ganze Jahr über ein gleichmässiges Angebot und nicht ein Auf und Ab. Auch die starken Preisschwankungen erschweren die Kalkulation.
Wie könnte man die saisonalen Angebotsschwankungen vermeiden?
Die Kälbergeburten sind saisonal, das liegt besonders im Berggebiet in der Natur der Viehzucht. Der Rückgang des Milchkuhbestandes wird jedoch indirekt das Kalbfleischangebot reduzieren, so dass man ergänzend Importe tätigen kann. So könnte man das Angebot saisonal ausgleichen. Mangel und hohe Preise in Abwechslung mit grossem Angebot und tiefen Preisen sind immer schlecht für den Markt.
Der Antibiotika-Einsatz bei den Kälbern wird immer wieder kritisiert. Hat man in letzter Zeit Verbesserungen erreicht bei der Kälbergesundheit?
Ja, schrittweise erreichen wir Verbesserungen. Jetzt plant man einen Kälbergesundheitsdienst (KGD) ins Leben zu rufen. Die Planphase mit Swissbeef, Geburtsbetrieben und der gesamten Branche läuft. Der Kälbermästerverband ist mit Präsident und Vizepräsident einbezogen. Bei der Lösungssuche werden die Ställe mit einbezogen, denn ein optimales Stallklima ist zentral für die Gesundheit. Ich bin zuversichtlich, dass der KGD bald startet, aber ein Startdatum kann ich noch nicht nennen. Die Branche hofft zudem, dass sich der Bund an der KGD-Finanzierung beteiligt. Sobald der KGD startet, wirbt der SKMV dafür, dass alle Kälbermäster mitmachen.
Kälber sollen neu wieder ab einem Alter von 121 Tagen an öffentlichen Märkten aufgeführt werden statt erst ab 161 Tagen. Eine entsprechende Motion hat der Ständerat kürzlich mit 38 zu 0 Stimmen angenommen. Jetzt geht die Motion zurück an den Nationalrat. Wie lautet die Meinung des SKMV zu dieser Motion?
Der SKMV will auf keinen Fall, dass dieses Jungvieh JB in den Markt der Kälber KV gelangt. Die öffentlichen und von Proviande kontrollierten Kälbermärkte hat man abgeschafft. Ich finde, Kälber oder Jungvieh JB im Alter von 121 Tagen sind zu jung, um auf öffentlichen Märkten aufgeführt zu werden. Sonst besteht die Gefahr, dass diese JB in den KV-Bereich gelangen, vor allem, wenn die Mastkälber teuer sind. Für die auf öffentlichen Märkten verkauften JB gäbe es anteilsmässig Importkontingente und für die Mastkälber nicht. Die tiefere Altersgrenze soll nur für die JB gelten, das muss sauber definiert werden, sonst gibt es auf Märkten und in Schlachthöfen ein Durcheinander zwischen JB und Kälber KV.
Der Labelanteil bei den Kälbern steigt an. Auf 2015 führte IP-Suisse den Auslauf ins Freie für Mastkälber ein, der Zuschlag beträgt Fr. 1.50 je kg SG. Und der Bauernverband führt unter dem Namen Swiss Quality Veal mit 70 Rp. Zuschlag ein Buure Chalb ein, das mindestens 1000 Liter Kuhmilch bekommt. Ausserdem gibt es unter anderem das Emmentaler Bauernkalb und das Gefu Swisskalb. Heisst das, bald ist ein Mastkalb ein Labelkalb?
Nein, das ist noch lange nicht der Fall. Die IPS-Kälber haben einen kleinen Marktanteil von zirka 40'000 Stück von 240'000 Kälberschlachtungen. Die anderen Label haben einen geringen Anteil, deshalb bleibt das QM Schweizer Fleisch-Kalb wichtig.
Wie sieht die Kälbermast in zehn Jahren aus? Wird sie vollends zur Nischenproduktion?
Neben der bäuerlichen Kälbermast wird es die Integrationsmast geben. Es braucht sie, um alle zu mästen. Das Kalbfleisch aus bäuerlicher Kälbermast wird aber auch in Zukunft das Premiumprodukt bleiben, dafür sorgen wir.
Interview Hans Rüssli
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