Den Platz auf dem Bänkli mit dem Blick übers Land liebt Xander Huber* sehr. Gerne sitzt er dort und geniesst die Aussicht. Gesellt sich jemand zu ihm, plaudert er mit seinem Weggenossen über dieses und jenes. Dabei ist er mit sich und seiner Welt zufrieden. Bis zu dieser Zufriedenheit war es für den erfolgreichen Bauer aber ein weiter Weg. Nur mit Hilfe von Fachleuten gelang es zum Schluss, nach Jahren des Schweigens, für alle Beteiligten einen gangbaren Weg zu finden.

Der vorgezeigte Weg

Nach drei Mädchen wurde der Familie bei der vierten Geburt doch noch der ersehnte Sohn geschenkt. Auf dem grossen Bauernhof galt vor fast siebzig Jahren das alte Recht, dass ein Hoferbe männlich sein muss. Xander Huber wuchs unter dieser Voraussetzung auf und lernte dabei zu gehorchen. Seine Eltern bestimmten, was zu geschehen hatte, und der Sohn fügte sich. Für die landwirtschaftliche Ausbildung wurden ihm die Lehrbetriebe ausgesucht, ohne ihn nach seiner Meinung zu fragen.

Klar war für sein Umfeld, dass der junge Bauer nach der Rekrutenschule die militärische Karriere macht. Im Militär lernte Huber, korrekt aufzutreten und Befehle zu erteilen, aber immer noch nicht, über seine wahren Wünsche und Gefühle zu sprechen. In fröhlichen Männerrunden liess er meist andere Geschichten und Witze erzählen. Seine Gesprächskultur änderte sich auch nicht, als er Seline Huber* kennenlernte. Die Bauerntochter passte genau in das Bild, das seine Eltern von einer Schwiegertochter hatten. Das Paar gründete eine Familie mit vier Kindern.

Der vorgezeigte Weg wurde über einige Jahre gegangen und gegen aussen zeigte sich der Schein von perfektem, erfolgreichem Leben. Als die Kinder grösser wurden, stellte Xander Huber fest, dass sie ihren eigenen Weg mit Nachdruck selber bestimmten. Seine nie ausgesprochenen Hoffnungen, Vorstellungen und Wünsche merkte er, würden wohl nicht verwirklicht werden.

Frust und Stille

Der erfolgreiche Landwirt, aktive Gemeinderat und Mitglied im Sportverein zeigte sich in der Öffentlichkeit mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Dabei nagte aber immer mehr der Frust an ihm. Sein persönliches Umfeld daheim bekam dies zu spüren. Die Ehe war nahe daran, auseinanderzubrechen. Nur noch Schimpfen oder Stille ertrug die Frau fast nicht mehr. Die Kinder suchten sich ihre Freunde und ein Umfeld, wo sie sich wohlfühlten. Der Rat des Vaters war nicht erwünscht.

In dieser Situation, knapp 50-jährig, stand Xander Huber kurz vor dem Zusammenbruch und fühlte sich einsam. Wegen ständiger Müdigkeit und Schlafproblemen ging er zum Hausarzt. Dieser erkannte, dass wohl mehr als nur eine Pille nötig war, um den Mann aus seiner Krise zu bringen. Mit einer guten Art zeigte er seinem Patienten auf, wo ein Ansatzpunkt zur Problemlösung zu finden wäre. Wenn er nicht lernte, über das zu sprechen, was ihn seit Kindheit beschäftigte, würde keine Änderung erreicht werden können.

Reden befreit

Bevor es zu spät war, handelte Xander Huber und suchte Hilfe bei Fachpersonen. Mit ihnen gelang es, seine «Zunge zu lösen». Er lernte, über seine persönlichen Gefühle, Wünsche und Vorstellungen zu sprechen. Seine Familie wurde ebenfalls miteinbezogen. Alle Beteiligten merkten dabei, wie wichtig Reden ist und wie befreiend es sein kann. Dank diesem Coaching konnte auch die Zukunft rund um den Landwirtschaftsbetrieb frühzeitig geregelt werden. Wenn alle Ausbildungen abgeschlossen sind, wird die jüngere Tochter den Hof übernehmen. Xander und Seline Huber werden ab diesem Zeitpunkt im Dorf wohnen. Sie geniessen ihre gemeinsame Zeit und haben viel zu reden.

Barbara Heiniger

www.landfrauen.ch

*Namen geändert