Im Molkereimilchmarkt müssen Produzenten derzeit ausbezahlte Milchpreise hinnehmen, die teilweise unter 50 Rappen liegen. Die Gründe dafür sind bekannt: Euroschwäche, Russlandembargo und die letztjährige Quotenaufhebung in
der EU. Damit verbunden ist die Milchmenge derzeit zu hoch.
Die Branchenorganisation Milch (BOM) hat schon letzten Sommer reagiert und begonnen, an einer Qualitäts- und Mehrwertsstrategie zu arbeiten. Vor wenigen Wochen haben dann der Schweizer Bauernverband (SBV) und die Schweizer Milchproduzenten (SMP) reagiert und einen Milchgipfel vorbereitet, der am vergangenen Freitag im Beisein von gut 150 Branchenvertretern in Bern stattgefunden hat (Die BauernZeitung berichtete online).
Manifest für die Zukunft
An der anschliessenden Pressekonferenz waren die obersten Produzentenvertreter dann mehrheitlich zufrieden: Markus Ritter, Präsident des Schweizer Bauernverbands (SBV), hielt fest, dass mit dem Milchgipfel ein Wandel in den Köpfen stattgefunden habe. Hanspeter Kern, Präsident der Schweizer Milchproduzenten (SMP), betonte, dass die gesamte Wertschöpfungskette und auch die Mehrheit der Politik hinter der Schweizer Milch und der Schweizer Milchbranche stehe.
Später sagt er auf Anfrage, dass der Milchgipfel nicht der Abschluss sondern der Startpunkt war, um das Milchland Schweiz zu stärken. «Am Gipfel selbst haben wir realistische Stossrichtungen identifiziert. Jetzt führen wir sowohl auf Seiten des Marktes wie auch in der Politik die Verhandlungen», erklärt er. Festgehalten wurden die Forderungen in einem Manifest, das am Schluss der Pressekonferenz vorgestellt wurde.
Kurzfristig mehr Geld
Wie Hanspeter Kern zu Beginn der Pressekonferenz klar machte, sei die Lage dramatisch. Weil Kosten nicht gesenkt werden könnten, geraten die Bauern in Liquiditätsengpässe. Um die brenzlige Situation für die Molkereimilchproduzenten zu entschärfen, forderten deshalb SBV und SMP kurzfristig politischen Flankenschutz in Form von mehr Geld.
So sollen die RAUS-Beiträge kurzfristig und sofort erhöht
werden. Zusätzlich soll das Programm für graslandbasierte Milch- und Fleischproduktion in ein Raufutterbasiertes Programm umgewandelt werden. Damit könnten Bauern, die selbst angebauten Mais als Futtergrundlage nutzen, einfacher in den Genuss von Bundesgeldern kommen. Zusätzlich forderten die Branchenvertreter zusätzliche Mittel für die Absatzförderung. Bundesrat Johann Schneider-Ammann wird die Branchenvertreter deshalb am 14. Juni zu einem Gespräch empfangen.
System soll geändert werden
Mittelfristig träumen die Produzentenvertreter von einem Milchmarkt, in dem die Milchbauern selbst entscheiden, ob sie zusätzliche Milch für den Export liefern wollen oder nicht. Dazu forderte SBV-Direktor Jacques Bourgeois, dass «basierend auf Art. 37 des Landwirtschaftsgesetztes (LwG) klare Vorgaben bezüglich Mengen und Preisen in den Milchkaufverträgen definiert werden.»
In erster Linie gehe es darum, dass die A-Milchmengen im Voraus vertraglich klar festgelegt würden, präzisiert SBV-Präsident Markus Ritter die Forderung
wenige Tage später auf Anfrage. Zudem sollen «die Vertragsbestimmungen zu den Preisen gestärkt werden, so dass die Marktrisiken nicht einseitig auf die Milchproduzenten überwälzt werden können» fügt er an. Wie Ritter sagt, sei die Freiwilligkeit von C-Milch elementar. Aber auch die Lieferung von B-Milch müsste bei einer strikten Lesart der Forderung neu auf freiwilliger Basis möglich gemacht werden.
Freiwilligkeit als Knacknuss
Wie Hanspeter Kern sagt, sei die Trennung der A- und B-Milchsegmente im Rahmen der geltenden Segmentierungsregelung jedoch nicht möglich. Ausserdem kann mit dem B-Segment Schweizer Milch in offeneren Märkten und im Export konkurrenz-
fähig bleiben, «ohne dass der Preis des A-Segments unverhältnismässig in Richtung europäischem Preisniveau gezogen wird.» Mit den Forderungen wolle man jedoch die Planbarkeit für die Milchproduzenten erhöhen. «Um dies zu erreichen, müssten sie so früh wie möglich wissen, welche Menge A- und B-Milch sie liefern können.
C-Milch bleibt in jedem Fall im Rahmen der Segmentierungsregelung der BO Milch und der vertraglichen Abmachungen freiwillig», sagt Kern. Nur hat sich schon die Sicherstellung der C-Milch-Freiwilligkeit als Knacknuss erwiesen. Verarbeiter Emmi ist deshalb skeptisch, ob bei einer zusätzlichen Freiwilligkeit für B-Milch die Milchmengen in der Schweiz insgesamt zurückgehen würden».
Ungenutzter Artikel 37
Ob die geplante Stärkung von Artikel 37 des LwG tatsächlich die Situation für die Landwirte im Milchverkauf und auch die Situation auf dem Markt verbessert, ist noch nicht abschätzbar. Tatsächlich wird Artikel 37 im Moment gar nicht genutzt. Denn die BOM stellt ihr Segmentierungsreglement und ihre Standardverträge auf Basis von Art. 9 desselben Gesetzes. Dieser Artikel regelt Selbsthilfemassnahmen der Branche, die über den Bundesrat allgemeinverbindlich erklärt werden können.
Und das hat der Bundesrat mit den BOM-Vorschriften für Standardvertrag und Segmentierung auch gemacht. Bis 31. Dezember 2017 gelten diese nämlich für die ganze Milchbranche. Wie BOM-Geschäftsführer Stefan Kohler sagt, gehen die BOM-Standardverträge weiter, als in dem von SBV und SMP anvisierten Artikel 37.
Mehr Kompetenzen für Bund
Damit arbeiten sich die SMP und der SBV an einem Artikel ab, der derzeit nicht angewendet wird. «Die Erfahrung zeigt, dass die heutigen Standardverträge der BOM nicht genügen», begründet Markus Ritter die Forderung. Aus Sicht des SBV habe man eine Überproduktion «und Milchproduzenten wissen teilweise nicht im Voraus, wie viel A-Milch sie produzieren können.» Zudem seien die Bestimmungen zum Preis in den Ver-
trägen sehr vage. Der Preisdruck werde sehr schnell an die Milchproduzenten weitergegeben.
Konkreter wird Reto Burkhardt, Kommunikationschef der SMP. Eine Allgemeinverbindlichkeit der Standardverträge nach heutigem Artikel 37 würde nach Ansicht der SMP den Milchbauern «noch nichts Zusätzliches bringen». Man verfolge deshalb das Ziel, konkretere Bestimmungen in den Verträgen verankern zu können. Im Moment ist das nur über die BOM und ihre Standardverträge möglich. Diese können von den BOM-Delegierten geändert werden –
darunter sind auch Detailhändler und Verarbeiter.
Mit der Stärkung von Artikel 37 jedoch wäre der Bund in die Umsetzung, die Kontrolle und die Überwachung der Vorgaben zu den Milchkaufverträgen involviert, erklärt Burkhardt. «Das heutige System hat Schwächen, die wir eliminieren möchten. Die Stärkung der Verträge über Artikel 37 ist ein Ansatz», erklärt Markus Ritter.
Hansjürg Jäger