Es liegt in der Natur des Menschen, möglichst viel mit Zahlen erfassen zu wollen. Und es liegt in der Natur der Natur, dass sie sich nicht so leicht in Zahlen fassen lässt. Ein eindrückliches Beispiel dafür ist die Phosphorbilanz.
Phosphor (P) ist auf der einen Seite ein essenzieller Pflanzennährstoff: Wenn er fehlt, wachsen Pflanzen schlecht, blühen weniger und fruchten kaum. Ist dagegen zuviel Phosphor im Umlauf so belastet er die Umwelt, und fördert z.B. den Algenwuchs in stehenden Gewässern was zu Sauerstoffmangel in Seen führt.
Phosphor ist also entweder ein essenzieller oder ein umweltgefährdender Nährstoff. Allein die Menge macht‘s. Doch genau da liegt das Problem: In der Berechnung der Phosphorbilanz.
Einzelbetrieblich stimmt‘s
Auf dem einzelnen Landwirtschaftsbetrieb scheint die P-Bilanz nämlich zu stimmen. Das zeigen die Zahlen, die von Agroscope im Rahmen des Agrarumweltmonitorings ausgewertet wurden. Die Forscher haben von 2009 bis 2012 bei rund 300 Betrieben die gesamte, während eines Jahres auf den Boden ausgebrachten P-Menge erfasst und der dem Boden entzogenen P-Menge durch Acker- und Futterbauprodukte gegenübergestellt. Input und Output waren je nach Lage der Betriebe verschieden: Betriebe in der Tal- und Hügelregion hatten einen deutlich höheren P-Umsatz als Betriebe in der Bergregion. Doch die Bilanz war in allen drei Regionen praktisch gleich, nämlich ausgeglichen. Der P-Überschuss lag mehr oder weniger bei null Kilo pro Hektar.
Die Forscher von Agroscope sind nicht die Einzigen, die eine P-Bilanz rechnen. Auch das Bundesamt für Statistik (BFS) erfasst seit Jahren einen P-Wert für die Schweiz. Das BFS verwendet dabei die Methode der Bodenoberflächenbilanz (siehe Kasten). Laut dieser Methode produzierte die Schweizer Landwirtschaft 2012 einen P-Überschuss von 2 kg P/ ha.
Auf noch höhere Überschüsse kommt das Bundesamt für Umwelt (BAFU). Es rechnet gemäss der OSPAR-Hoftorbilanz und kommt damit auf gesamtschweizerische Überschüsse von fast 6 kg P/ha bzw. auf 5‘900 t P-Überschüsse in der Schweiz. Genau dieser Wert wurde auch als Argumentarium verwendet, als es darum ging, mit der Neuen Agrarpolitik AP14-17 die Tierhaltung zu schwächen. Denn der Mist der Tiere ist in der Schweizer Landwirtschaft die wichtigste Phosphorquelle.
Bodenanalysen zeigen Mangel und Überschuss zugleich
Das Beispiel mit der Phosphorbilanz zeigt: 1 + 1 ergibt nicht immer 2. Besser wäre es deshalb, sich auf die Ergebnisse der Bodenanalysen zu verlassen, die den Bauern als Instrument für die Berechnung der Düngung dienen. Doch auch hier zeigte sich, dass die Analysen, je nach verwendeter Methode, sehr unterschiedliche Ergebnisse lieferten. Die Forscher von Agroscope mussten feststellen, dass die Ergebnisse von zwei verschiedenen Analysemethoden für den P-Gehalt im Boden (CO2- bzw. AAE10-Methode) nicht miteinander vergleichbar sind.
Auf der Basis der CO2-Methode wurden sowohl im Ackerbau wie auch im Grünland für sehr viele Böden in der Ost- und Zentralschweiz eine P-Überversorgung aufgezeigt (für die Westschweiz und das Wallis lagen zu wenig auswertbare Ergebnisse vor).
Die Ergebnissen der AAE10-Methode ergaben dagegen im Futterbaugebiet ein ziemlich anderes Bild: Laut dieser Methode hat es im Jura, den Voralpen und Alpen grosse Gebiete mit häufigem und sehr häufigem P-Mangel (aus dem Wallis fehlten auch bei dieser Methode interpretierbare Proben). Teilweise wurden im selben Gebiet sowohl Mangel als auch Überversorgung diagnostiziert.
Bis heute gibt es für diese Unterschiede keine eindeutige Erklärung. Sicher ist nur, dass es zwar jede Menge Daten zum Phosphoreinsatz in der Landwirtschaft gibt, dass es aber an Wissen fehlt, welche Zahlen der Realität am nächsten kommen. Trotz unklarer Datenlage tritt in der Praxis nur sehr selten ein sicht- und messbarer P-Mangel bei den Kulturen auf. Offenbar düngen die Bauern nach Gefühl – und sie fahren nicht schlecht dabei.
Eveline Dudda, lid