Noch bis im April dauert die Pflanzzeit für Obstbäume. Doch bereits jetzt ist klar, dass das Geschäft mit Kirschen-Hochstammbäumen für die Baumschulen schlecht ausfällt. "Die Nachfrage ist total eingebrochen", sagt Max Salathé von der gleichnamigen Baumschule in Diegten BL. Bereits im letzten Jahr seien die Verkäufe rückläufig gewesen, heuer habe sich die Situation weiter verschlechtert. "Wir haben es kommen sehen und deshalb bereits vor zwei Jahren weniger Hochstamm-Kirschbäume produziert", sagt der Baumschulist.
Verkauf ist eingebrochen
Salathé ist kein Einzelfall. Bei der Thurfrut AG aus dem thurgauischen Uttwil tönt es gleich: "Die Nachfrage nach Hochstamm-Kirschbäumen ist sehr stark eingebrochen", sagt Geschäftsführer Marcel Schmid. Gemessen an den Verkäufen vor 10 Jahren verkaufe er noch rund 10 Prozent Hochstamm-Kirschbäume. Es seien vor allem Privatpersonen, die in ihren Hausgärten noch solche Bäume pflanzen würden, Bauern hingegen kaum mehr.
Baumschulist Toni Suter aus Baden AG, der rund 120 verschiedene Kirschensorten im Sortiment hat, schätzt, dass die Verkäufe um rund 40 Prozent eingebrochen sind. Suter hat reagiert und produziert nun weniger Bäume.
Noch weitgehend schutzlos
Hauptgrund für den Nachfrageeinbruch ist die Verunsicherung, welche die Kirschessigfliege ausgelöst hat. Denn das 2 bis 3 mm kleine Insekt, das seit 6 Jahren in der Schweiz ist, bedroht den Anbau von Hochstamm-Kirschen. 2014 hat das Insekt zum ersten Mal grosse Schäden an Obstkulturen angerichtet.
Insbesondere Hochstammbäume waren betroffen, weil sich diese weniger gut schützen lassen als Kirschen in Obstanlagen. Letztere kann man mit engmaschigen Netzen einpacken, was – in Kombination mit weiteren Massnahmen - einen wirksamen Schutz bietet. Bei Hochstammbäumen sind Schutznetze hingegen keine Option, zu aufwendig und zu teuer wäre dies.
Dass heute kaum mehr neue Kirschen-Hochstammbäume gepflanzt werden, hat auch damit zu tun, dass Hochstamm-Kirschen bereits seit längerem unter Druck sind. Als Tafelfrüchte spielten Hochstammkirschen bereits vor dem Auftreten der Kirschessigfliege kaum mehr eine Rolle und selbst in der Verarbeitung haben sie an Bedeutung eingebüsst. So ist die Nachfrage nach Brenn- und Konservenkirschen in den letzten rund 20 Jahren zurückgegangen.
Zudem hat der Wegfall Dimethoat-haltiger Spritzmittel, die während Jahrzehnten standardmässig gegen die Kirschenfliege zum Einsatz kamen, dazu geführt, dass der Anbau auf Hochstammbäumen aufwendiger wurde.
Durststrecke erwartet
Und nun also noch die Kirschessigfliege. Haben Kirschen-Hochstammbäume überhaupt noch eine Zukunft? "Die Situation ist im Moment extrem schwierig", sagt Stephan Durrer, Geschäftsführer von Hochstamm Suisse. Man wisse noch wenig über den neuen Schädling und der momentan einzig wirksame Schutz – der Einsatz von Netzen - sei bei Hochstamm-Bäumen nicht praktikabel.
"Ich wehre mich aber dagegen, Hochstamm-Kirschen bereits abzuschreiben." Kirschen für die Verarbeitung seien nach wie vor gefragt, insbesondere Labelware. Durrer rechnet mit einer Durststrecke für die Produzenten, bis die Forschung eine Bekämpfungsstrategie entwickelt hat.
Sind Tonminerale die Lösung?
Neuste Ergebnisse von Feldversuchen des Landwirtschaftlichen Zentrums Ebenrain in Sissach BL geben Anlass zur Hoffnung. Praxistests mit Tonmineralen wie Kaolin hätten vielversprechende Resultate ergeben, sagt Andreas Buser vom Ressort Spezialkulturen am Ebenrain. Bei dieser Massnahme werden mineralische Substanzen auf die Kirschen gesprüht. Es bildet sich ein weisser Staubfilm auf den Früchten, der die Kirschessigfliegen bei der Eiablage behindert. Weitere Versuche sollen in diesem Jahr folgen.
Laut Buser könnte die Methode mit Tonmineralen mithelfen, die Produktion von Hochstamm-Kirschen zu retten. Potenzial sieht er vor allem im Anbau von Kirschen für die Verarbeitung. Bei diesen sind die Anforderungen etwas weniger streng als bei Tafelfrüchten, die Toleranz gegenüber Kirschessigfliegen-Befall ist etwas grösser.
Michael Wahl, lid