LID: Die Palmölproduktion hat sich in den letzten 30 Jahren verachtfacht. Wie sehen Sie das weitere Wachstum von Palmöl Plantagen?
Johanna Michel: Die Situation wird sich weiter verschärfen. Im Jahre 2014 gab die Regierung Malaysias bekannt, dass sie die Palmölproduktion bis 2020 verdoppeln möchte. 2014 betrug die malaysische Palmölproduktion bereits 20 Millionen Tonnen. Mit dem steigenden Palmölkonsum breiten sich die Ölpalm-Monokulturen stetig aus. Insbesondere in Malaysia und Indonesien, wo 85% des Palmöls produziert wird. Dies führt dazu, dass die Fläche der Ölpalmplantagen allein in Malaysia täglich um 500 Fussballfelder wächst. Ein Ende des Trends ist leider nicht in Sicht. Hier sind die auch die Konsumenten und Konsumentinnen von gefragt.
Wie kann die lokale Bevölkerung vor Palmöl-Konzernen geschützt werden, welche ihnen das Land wegnehmen wollen?
Das Hauptproblem liegt darin, dass die malaysische Regierung die Landansprüche der lokalen Bevölkerung oft ignoriert und Landkonzessionen an Palmölfirmen vergibt, die das Land in Plantagen verwandeln und die darin liegenden Dörfer vor vollendete Tatsachen stellt. Die Lokalbevölkerung kann versuchen auf juristischem Weg ihren Anspruch auf ihr Land geltend zu machen und wir unterstützen sie dabei. Es ist aber ein Spiel gegen die Zeit. Denn während die langwierigen juristischen Verfahren laufen, beginnen die Konzerne bereits mit dem Anbau der Plantagen. Eine weitere Verteidigungsstrategie der Lokalbevölkerung sind Proteste und Blockaden gegen die Palmölfirmen, die zu heftigen Konflikten führen und teilweise sogar zu Todesfällen. Medien werden dadurch auf die Problematik aufmerksam.
Wie können Konsumenten für den Kauf von palmölfreien Produkten sensibilisiert werden?
Seit Januar 2016 muss Palmöl auf Lebensmitteln deklariert werden. Damit kann der Konsument selber entscheiden, ob er ein palmölhaltiges Produkt kaufen möchte oder nicht. Das Problem ist, dass diese Information nur im Kleingedruckten zu finden ist und dass Palmöl in unglaublich vielen – insbesondere - Fertigprodukten drin ist. So findet sich beispielsweise in der Migros nur ein einziger Blätterteig, der mit Butter und nicht mit Palmöl hergestellt wurde.
In der Schweiz sind Torfböden geschützt – sehen Sie eine Möglichkeit dies in Malaysia und Indonesien gleichzutun?
Der Anbau von Ölpalmplantagen auf Torfböden ist eines der grössten Klimaverbrechen, da enorm viel C02 freigesetzt wird und die ausgetrockneten Torfböden ein Herd für die jährlichen Brände in Indonesien sind. Tatsache ist, dass 20% der Ölpalmplantagen auf Torfböden angebaut werden, obwohl es in Indonesien ein Moratorium für den Anbau von Ölpalmen auf Torfböden gibt. Die Existenz von Gesetzen und deren Umsetzung sind aber leider häufig zwei Paar Schuhe.
Wo sehen Sie Stärken und wo Verbesserungspotential beim RSPO?
Das Label RSPO ist leider eher schädlich als nützlich, da es dem Konsumenten vorgaukelt, auf nachhaltig produziertem Palmöl zu basieren. Was aktuell nicht der Fall ist. Auch auf RSPO- zertifizierten Plantagen werden Monokulturen angebaut, gefährliche Herbizide – wie Paraquat von Syngenta – verwendet und die Rechte der Lokalbevölkerung missachtet.
Sind der Anbau von anderen Ölsaaten wie beispielsweise Raps- oder Sonnenblumenöl in der Schweiz eine realistische Alternative zu Palmöl?
Ölsaaten sind natürlich eine Alternative, aber es ist klar, dass sie rein mengenmässig nur eine von vielen Alternativen sein können. Wie vorhin beim Beispiel Blätterteig erwähnt, sind auch tierische Fette wie Butter in vielen Produkten eine Alternative zu Palmöl. Zudem muss die Forschung ihren Beitrag leisten. Es ist unsinnig wenn Palmöl als Treibstoff für Autos die Regenwaldzerstörung antreibt. Hier ist bereits heute ein Umdenken im Gang, das sich hoffentlich noch weiterentwickelt.
Was kann und will der Bruno Manser Fonds dazu beitragen den Regenwald, die Tiere, die Bevölkerung aber auch die Umwelt zu schützen?
Um die Zerstörung des Regenwaldes zu stoppen, arbeiten wir aktuell an der Etablierung eines Parks, der einige der letzten Primarregenwälder Malaysias schützen und durch die Lokalbevölkerung verwaltet werden soll. Zudem unterstützen wir die Lokalbevölkerung dabei, ihr Recht auf Land zu erhalten, indem wir bei Landrechtsklagen Hilfe leisten. Wir arbeiten vor Ort auch an vielen Infrastrukturprojekten, die zum Einsatz kommen, wenn die Regierung ihren Pflichten nicht nachkommt und ein Dorf eine Brücke, eine bessere Wasserversorgung oder ein Schulhaus benötigt. Zudem versuchen wir, mit Kampagnen auf verschiedene Problematiken – wie die des Palmöls – aufmerksam zu machen und damit Dinge zu ändern.
Wie sehen Sie die Chancen für ein Freihandelsabkommen mit Malaysia und Indonesien?
Die Schweiz möchte, dass die Freihandelsabkommen mit Malaysia und Indonesien zustande kommen. Der Knackpunkt beider Abkommen ist das Palmöl. Wir fordern nicht den Stopp des Freihandelsabkommens, sondern dass das Palmöl aus dem Abkommen ausgeschlossen wird und nicht verbilligt in die Schweiz gelangt. Bis anhin hat dies den Abschluss der Abkommen verzögert. Solange keine Lösung gefunden wird, gibt es kein Freihandelsabkommen. Wie die Lösung aussehen wird, ist unklar.
Interview Lisa Gysin, lid