-- NO IMAGE --p>Fünf Wochen sind seit meiner Ankunft in Sambia ins Land gezogen. Die kühle Trockenzeit ist angebrochen, das heisst, das Thermometer zeigt tagsüber zwischen 20 und 25 °C und nachts 10 bis 13 °C an. Die Vegetation ist bereits nicht mehr so grün wie Mitte April bei meiner Ankunft. Mais (hauptsächlich für den menschlichen Verzehr) und Sojabohnen werden geerntet, auf Grossfarmen mit Rindermast und Milchkühen wird Heu eingebracht. Äcker, die künstlich bewässert werden können, werden bearbeitet und neu angesät, auf dem Betrieb des landwirtschaftlichen Bildungszentrums Kasisi (KATC) mit Gerste und Weizen.-- NO IMAGE --br />-- NO IMAGE --br />Ich habe schon viele Leute hier in Kasisi kennen gelernt und werde zunehmend mit den Abläufen im Mikrokosmos KATC vertraut – auch wenn mich letztere immer wieder befremden. Jeder Versuch, auch nur eine kleine Veränderung anzustossen, entpuppt sich als schwierig. Angeblich ist kaum Geld für die Anschaffung von Material, Werkzeugen, Futtermitteln usw. vorhanden.-- NO IMAGE --/p>
-- NO IMAGE --p>Es bräuchte zum Beispiel dringend einen Solar-Zaunapparat, damit wir dort, wo es noch Weide hat, mit dem „Mob-Grazing“ (ähnlich wie Portionsweide) starten können. Und eine Ölpresse, um die betriebseigenen Sojabohnen verarbeiten zu können und um den Sojakuchen den Milchkühen verfüttern zu können. Auch die Anschaffung eines Thermometers für krankes Rindvieh wäre mehr als angebracht (wobei der Preis hier kaum ins Gewicht fallen dürfte).-- NO IMAGE --/p>
-- NO IMAGE --p>So etwas wie Direktzahlungen gibt es in einem armen Land wie Sambia verständlicherweise nicht. Einzig Hybridsaatgut, Kunstdünger und Pestizide werden von der Regierung subventioniert, was für eine nachhaltige Landwirtschaft nicht gerade förderlich ist – im Gegenteil. Es fehlt dem KATC aber nicht nur an Geld. Der Hund liegt in der Organisationskultur der Institution selber begraben.-- NO IMAGE --br />-- NO IMAGE --br />Erfreulich und bereichernd für mich war der Austausch mit KleinbäuerInnen aus der Region Chongwe (östlich der Hauptstadt Lusaka), anlässlich eines fünftägigen Workshops zum Thema Milchviehhaltung. Der Workshop ist Teil des „Chongwe Green Village“ Projekts, das unter anderem die Milchviehhaltung unter den KleinbäuerInnen fördern will.-- NO IMAGE --/p>
-- NO IMAGE --p>Dies aus mehreren Gründen: Einmal ist die Eiweissversorgung der Landbevölkerung seit dem Jagdverbot von Wildtieren prekär. (Das Jagdverbot ist auf die krasse Dezimierung der Wildtiere durch weisse Siedler bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zurückzuführen.) Viele SambierInnen ernähren sich fast ausschliesslich von Nshima, dem traditionellen Maisgericht, und Gemüse. Hin und wieder gibt es „Village Chicken“ (eine wenig fleischige, nicht-hybride Dorfhuhnrasse), manchmal auch Fisch. Der Eiweissmangel hat insbesondere bei Föten gravierende gesundheitliche Folgen, von denen sich die Kinder später nicht erholen. Die Haltung von Milchkühen zur regionalen Versorgung mit Milch und Fleisch soll der Mangelernährung entgegenwirken.-- NO IMAGE --br />-- NO IMAGE --br />Ein weiterer Punkt spricht für die Viehhaltung: Sambias Vegetation besteht überwiegend aus Grasland und lichtem Feuchtsavannenwald. Anstatt das Gras in der Trockenzeit abzubrennen, sollen die BäuerInnen dazu gebracht werden, das Gras als Viehfutter zu nutzen. Denn Buschbrände sind ökologisch sehr schädlich: Bodenerosion und Nährstoffauswaschung in der folgenden Regenzeit, Vernichtung von Kleintieren...-- NO IMAGE --/p>
-- NO IMAGE --p>Durch angepasstes Beweiden der Feuchtsavanne hingegen werden deren botanische Zusammensetzung und die Bodenqualität verbessert. Alles in allem ist die Weidewirtschaft also eine Win-win-Situation ganz im Sinne des Biolandbaus. -- NO IMAGE --br />-- NO IMAGE --br />Im Rahmen des „Chongwe Green Village“ Projekts vermittelt das KATC den KleinbäuerInnen das Grundwissen über die Milchviehhaltung. Auf ihren Einzelhöfen im Busch haben sie bislang Ackerbau (v.a. Mais) betrieben, Kleinvieh gehalten, vielleicht etwas Gemüse angebaut und – wenn es hoch kommt – ein paar Mutterkühe gehalten. Haben die KleinbäuerInnen den Milchviehkurs erfolgreich abgeschlossen und auf ihrem Hof die nötigen Vorkehrungen getroffen, erhalten sie von Micro Bankers Trust einen Mikrokredit in Form von zwei trächtigen Jersey-Kühen.-- NO IMAGE --/p>
-- NO IMAGE --p>Innerhalb von drei Jahren müssen die BäuerInnen den Kredit mit 35% Zinsen zurückzahlen. Dieser hohe Zinssatz wird mit hohen Transaktionskosten, z.B. langen Anfahrtswegen der Micro-Banker, begründet, er hinterlässt bei mir aber einen schalen Beigeschmack. Die Raten zurückzubezahlen schafft nur, wer bereits ein Geldeinkommen erzielt (hat), also nicht ausschliesslich Subsistenzlandwirtschaft betreibt. Ohne weiteren Zukauf von Tieren vergrössert sich die „Herde“ in drei Jahren bestenfalls auf vier laktierende Kühe, womit die Schulden kaum zu amortisieren sind. Unter den Projektteilnehmenden sind nebst wenig Gebildeten auch ehemalige Beamte zu finden, die sich im Alter auf ihren Hof zurückgezogen haben, u.a. damit sie ihre Landnutzungsrechte nicht verlieren.-- NO IMAGE --/p>
-- NO IMAGE --p>-- NO IMAGE --img style="width: 500px; height: 281.1538461538462px;" src="/media/8849359/10.jpeg?width=500&height=281.1538461538462" alt="" rel="45895" />-- NO IMAGE --/p>
-- NO IMAGE --p>-- NO IMAGE --em>Der Hof eines wohlhabenderen Kleinbauers im Chongwe District, der bereits eine Mutterkuhherde und Zigen hat. In der Mitte die offene Küchenhütte. Bis zu vier Generationen wohnen auf solchen Höfen, zusammen mit dem Klein- und Grossvieh.-- NO IMAGE --/em>-- NO IMAGE --/p>
-- NO IMAGE --p>Während den KleinbäuerInnen im Workshop – für mich zum Teil fragwürdiges – theoretisches und praktisches Wissen über Haltung, Fütterung, Melktechnik, Tiergesundheit und Futterkonservierung vermittelte wurde, lernte ich so manches über sambische Gepflogenheiten. Zum Beispiel, dass bei solchen Anlässen Formalitäten, Rituale und Repräsentation eine wichtige Rolle spielen. Jeden Morgen gibt es ein Einstiegsgebet. Alle tragen jeweils „schöne“, saubere, gebügelte Kleider – auch arme Leute versuchen mitzuhalten und bringen ihre besten Kleider und Schuhe auf Vordermann.-- NO IMAGE --/p>
-- NO IMAGE --p>Oder die Verteilung von Rollen: die Workshopteilnehmenden wählten einen Vorsitzenden, einen „Time-Keeper“ (Person, die darauf schaut, dass die Zeiten eingehalten werden), eine Gesundheitszuständige, einen „Energizer“ (Person, die für das Wachsein der Teilnehmenden während des Unterrichts zuständig ist) sowie je eine zuständige Person fürs Gebet, für die Literatur, für die Verpflegung, für die Unterhaltung und fürs Unterrichtsmaterial. Wenn es um das Soziale geht, legen SambierInnen eine grosse Ernsthaftigkeit an den Tag – keine biedere allerdings, sondern eine lebendige, humorvolle. Die Verrichtung von Dingen hat eine wichtige Bedeutung. Es ist nicht egal, wer wann etwas tut, und wie es getan wird.-- NO IMAGE --br />-- NO IMAGE --br />Auch in Sachen direkte Demokratie hinkte der Workshop der sambischen KleinbäuerInnen schweizerischen Gepflogenheiten in keiner Weise hinterher. Zu Beginn wurden in einer Runde gemeinsam die Workshopregeln aufgestellt: Händys aus- oder stummschalten, Pünktlichkeit und Zeiten einhalten, Hygiene beachten, Tagesbeginn und -ende mit einem Gebet, einander respektieren, gleicher Status und gleichberechtigte Teilnahme aller.-- NO IMAGE --/p>
-- NO IMAGE --p>Was die drei letzten Punkte anbelangt, wäre es vielleicht mal angebracht, sambische BerufskollegInnen in der Schweiz Entwicklungshilfe leisten zu lassen. Klingelt es bei euch, liebe SVP-BäuerInnen?-- NO IMAGE --br />-- NO IMAGE --br />-- NO IMAGE --em>Markus Schär-- NO IMAGE --/em>-- NO IMAGE --/p>