Bald ist es wieder soweit. Das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest steht unmittelbar bevor. Vom 26. bis zum 28. August
herrscht im freiburgischen Städtchen Estavayer-le-Lac Ausnahmezustand, wenn sich die Bösesten der Bösen das Sägemehl vom Rücken klopfen. Grund genug, sich ein paar Gedanken über den beliebten Schweizer Nationalsport zu machen.
Weshalb in dieser Zeitung? Schwingen und Landwirtschaft haben viel gemein. Sucht man nach den Gründen für diese Verbindung, lohnt sich erst einmal ein Blick zurück. Ursprünglich war der Hosenlupf nämlich der Kampf der Bauern und Hirten, der traditionellerweise unter freiem Himmel stattfand. Mit steigender Popularität und der Gründung des Eidgenössischen Schwingerverbands wurde daraus immer mehr eine professionelle Sportart mit klaren Regeln.
Obwohl der Grossanlass den Charakter eines einfachen Wettkampfs auf dem Land schon längstens hinter sich gelassen hat, schimmern seine Wurzeln nach wie vor durch. Eine Gemeinsamkeit zwischen dem Schwingsport und der Landwirtschaft, die ins Auge sticht, ist die Kleidung. Viele Schwinger tragen im Sägemehl nach wie vor das Edelweisshemd, das typische Hemd der Schweizer Landwirtinnen und Landwirten. Produziert werden sie in der Schweiz, aber auch in China – egal, Hauptsache im Edelweiss-Motiv, so scheint es zumindest. In den letzten Jahren erlebte das gedruckte und aufgestickte Edelweiss einen Hype sondergleichen. Heute gibt es kaum noch etwas, dass man nicht im Edelweiss-Look erwerben kann: Handyhülle, Taschen, Bettwäsche, Gummistiefel und und und. Und spätestens mit dem Trage-Verbot für eine Schulklasse wurde das Edelweiss politisch, und schaffte es infolge dessen sogar ins Parlament.
Aber auch sonst hält sich das landwirtschaftliche Image des beliebten Nationalsports trotz des Booms der vergangenen Jahre hartnäckig. Dies ist zum Teil sicher auch darauf zurückzuführen, dass einige der ganz Bösen einen landwirtschaftlichen Hintergrund haben, zum Teil sogar selbst Landwirte sind. Letztere wissen daher auch eher etwas mit den Hauptpreisen eines Schwingfests anzufangen, denn für gewöhnlich handelt es sich dabei um sogenannte Lebendpreise. Ein weiteres Indiz für die Verbindung zur Landwirtschaft. Stiere, Kühe, Pferde, Geissen und Schafe gehen heute aber nicht selten zum Besitzer zurück. Verständlich. Denn wer zu Hause keinen Hof hat, der nimmt doch lieber einen Bündel Scheine anstatt eines lebendigen Tieres vom Schwingfest mit nach Hause.
Die steigende Popularität hat vor drei Jahren mit dem Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest in Burgdorf BE ihren einstweiligen Höhepunkt erlebt. Ein Organisationskomitee von 244 Personen sorgte während dreier Tage für ein einmaliges Erlebnis für 300'000 Besucherinnen und Besucher. 280 Schwinger, 400 Hornusser und 121 Steinstösser messen sich alle drei Jahre auf eidgenössischer Ebene. Unterdessen hat sich das ESAF, wie der Grossanlass der Einfachheit halber genannt wird, zum grössten Sportanlass der Schweiz gemausert.
Schwingen steht für Fairness, Respekt und Tradition. Ein Sport, in dem ein Händedruck noch etwas wert ist. Wie lange sich dieser Sport seine gewinnenden Attribute bei steigender Popularität noch bewahren kann, ist fraglich. Spätestens seit der Jahrtausendwende ist man sogar soweit, dass die besten Schwinger dank Sponsoringverträgen ihr Hobby zum Beruf machen können.
In wenigen Tagen folgt ein neuer Höhepunkt, an welchem der König für die nächsten drei Jahre erkoren wird. Doch in einer Zeit, wo Menschenansammlungen immer häufiger Ziele von Anschlägen werden, dürfte es zunehmend schwieriger werden, ein Sicherheitskonzept für eine Ansammlung von Zehntausenden Menschen auf engstem Raum zu entwerfen. Eine Herkulesaufgabe. Man denke dabei nur an den riesigen Haufen der zu konfiszierenden Sackmesser, die mindestens jeder zweite Besucher zum Schneiden der mitgebrachten Hamme als Verpflegung zwischen den Gängen vorgesehen hat...
Julia Overney