Der Einladung des Kantons waren schätzungsweise 300 Grundeigentümer gefolgt. Sie alle besitzen Land, das dem Bau der Bodensee-Thurtal-Strasse (BTS) oder der Oberlandstrasse (OLS) zum Opfer fallen wird. Insgesamt sind es 700 Eigentümer, deren Land betroffen ist. «Heute geht es nicht um detaillierte Auskünfte zu einzelnen Grundstücken, sondern um generelle Informationen, wie der Kanton gedenkt, die Landverluste zu kompensieren», stellte Kantonsingenieur Andy Heller zu Beginn der Veranstaltung klar.
Kurzzeitig auf der Überholspur
In der Frühlingssession hatte der Nationalrat die BTS in den Ausbauschritt 2019 aufgenommen. Damit war das wichtigste Strassenprojekt im Kanton Thurgau kurzzeitig auf der Überholspur. Der Ständerat – und im zweiten Anlauf auch der Nationalrat – strich das Projekt von der Prioritätenliste der durch den Bund finanzierten Strassenprojekte. «Damit sind wir wieder auf der Normalspur», fasste Heller die jüngsten Ereignisse zusammen.
BTS/OLS: Das Wichtigste in Kürze
Im September 2012 sagte die Thurgauer Stimmbevölkerung Ja zum Bau der Bodensee-Thurtal-Strasse (BTS) und Oberlandstrasse (OLS). Die rund 30 km lange BTS führt durch den halben Kanton von Arbon bis Bonau zum A7-Zubringer. Die OLS verläuft von Amriswil via Langrickenbach nach Kreuzlingen. Beide Strassen sollen die Ortschaften vom Verkehrsaufkommen entlasten.
Die BTS als zukünftige Nationalstrasse soll vom Bund finanziert werden. Die Kosten werden auf 1,56 Milliarden Franken geschätzt. Die OLS als Hauptstrasse liegt in der Verantwortung des Kantons Thurgau, hier rechnet der Kanton mit 225 Millionen Franken. Diesem Kredit muss der Grosse Rat aber erst noch zustimmen. BTS und OLS sind zwei sich ergänzende Strassenbauprojekte, deren Bau aneinander gekoppelt ist.
Dass die eidgenössischen Räte die BTS von der Prioritätenliste 2019 der Strassenprojekte gestrichen haben, bedeutet nicht das Ende für das Projekt. Der Kreditbeschluss wurde verschoben, frühestens 2023 könnten die Mittel für den Bau der BTS gesprochen werden. Im Herbst 2019 wird der Kanton das Projektdossier zeitgerecht beim Bund einreichen. Ab dem 1. Januar 2020 gilt die BTS als Nationalstrasse und wird vom Bund finanziert.
Gesamtprojektleiter Peter Imbach räumte ein, dass man sich bewusst sei, dass der Strassenbau negative Auswirkungen für die Landwirtschaft haben wird. Das verlorene Land soll durch Güterzusammenlegungen ersetzt werden. Hierfür kauft der Kanton nun im grossen Stil Land auf. Imbach betonte aber: «Für den Kanton gelten dieselben Spielregeln wie für die Bauern, nämlich das bäuerliche Bodenrecht.»
Nachholbedarf im Thurgau
Dann war es an Ueli Heeb, die Zuhörerinnen und Zuhörer von den Plänen des Kantons zu überzeugen. Heeb betreut beim kantonalen Amt für Landwirtschaft das Ressort Strukturverbesserungen. «Güterzusammenlegungen sind eine gute Sache und können neue Chancen für die Betriebe sein», weiss er aus seiner langjährigen Erfahrung.
So können zum Beispiel Distanzen zwischen den Ökonomiegebäuden und Feldern verringert werden. Grössere Parzellen und weniger Flurstrassen waren weitere Argumente, die Heeb aufzählte. «Eine Güterzusammenlegung führt zu einer Strukturverbesserung für die Betriebe», lautete Heebs Fazit. In den nächsten Monaten wird der Kanton mit den Gemeinden und den einzelnen Grundeigentümern in Kontakt treten.
«Ziel ist, dass die Betroffenen Stellung nehmen und ihre Ideen einbringen können», versprach Ueli Heeb. Vielfach könne man sich im Vornerein nicht vorstellen, welche Chancen eine Güterzusammenlegung bringt. «Ein konstruktiver Austausch kann da viel Klarheit schaffen.» Seiner Ansicht nach hat der Kanton Thurgau viel Nachholbedarf in diesem Bereich.
Realersatz Eins zu Eins
Markus Hausammann, Präsident des Verbands Thurgauer Landwirtschaft (VTL), war ebenfalls anwesend. Er betonte, dass der VTL nicht die treibende Kraft hinter diesen Plänen sei. «Wir sind mit im Boot, um das Beste für die Landwirte und gescheite Lösungen rauszuholen.» Klar ist für Hausammann, dass die Grundeigentümer das Land, das sie verlieren, eins zu eins ersetzt bekommen müssen. Der VTL wird sich auch dafür einsetzen, dass der für das Projekt geforderte ökologische Ausgleich auf die gesetzlichen Auflagen beschränkt wird.
Eine Zuhörerin wollte wissen, ob sie als Landbesitzerin einen Landkauf auch ablehnen könne. Dazu Ueli Heeb: «Nein, zum Landverkauf gezwungen, also enteignet werden kann niemand.» Hausammann sagte, er habe Verständnis, wenn man sich wehre, eine Parzelle abzugeben, zum Beispiel wenn es um eine Liegenschaft gehe.
Kein Verständnis habe er hingegen, wenn jemand aus Prinzip das Land nicht verkaufen will. «Eine Güterzusammenlegung lebt davon, dass man ein bisschen offen ist und Hand für gute Lösungen bietet.» Er legte den Bauern, die eine Aussiedelung andenken, nahe, dies von Anfang an zu melden. «Lasst euch nicht auf ein Baubewilligungsverfahren nach der Güterzusammenlegung vertrösten.»