Ende Juli luden die Jungen des Verbands Agrarjournalisten und -publizisten Österreichs (VAÖ) und McDonald’s Österreich zum Netzwerktreffen nach Kitzbühel ein. Die zwei-
tägige Fachreise gab unter anderem einen Einblick in die Milchwirtschaft im Bundesland Tirol. Die Landwirtschaft spielt hier wirtschaftlich gesehen eine untergeordnete Rolle. Nur elf Prozent der Fläche oder 1390 m2 sind landwirtschaftlich nutzbar. Für das Selbstverständnis der Tiroler, den Tourismus und die Pflege des Kulturlandes ist sie aber umso wichtiger.
Vier Milchqualitäten
Aufgrund der Topografie, das Tirol ist ein Alpengebiet, dominieren kleinstrukturierte Betriebe mit traditioneller, bergbäuerlicher Milchwirtschaft. Hauptabnehmer ist die Tirol Milch, eine Genossenschaft in Bauerneigentum. Sie verarbeitet jährlich 220 Millionen Kilogramm Bergmilch; das sind 80 Prozent der Milchproduktion in Tirol. Tirol-Milch-Obmann Stefan Lindner erklärt: «Unser Fokus liegt auf Spezialitätenprodukten. Wir verkaufen Emotionen.»
Im Felsenkeller schildert er, dass die Tirol Milch verschiedene Rohmilchsorten getrennt voneinander sammelt und verarbeitet. Für die klassische, gentechnikfreie Milch – in der Schweiz Industriemilch – wird ein Grundpreis von 34 Cent pro Kilo ausbezahlt. Das sind 44 Rappen. Für die weiteren Milchlinien gibt es einen Zuschlag. Daraus ergeben sich folgende Preise (netto pro Kilo Milch):
- Heumilch: 39,92 Cent (46 Rappen)
- Biomilch: 46,70 Cent (54 Rappen)
- Bio-Heumilch: 52,60 Cent (60 Rappen)
Zuschlag für Almmilch
Die getrennte Sammlung der verschiedenen Milchsorten sei «eine logistische Herausforderung». Ab Ende Mai wird die Milch auch auf der Alm abgeholt, daraus entsteht der Almkäse. Für Lindner ist dies ein Bekenntnis zur Bewirtschaftung der Almen und eine Wertschätzung gegenüber den Bauern. «Unser Ziel war, jedes Kilogramm Almmilch in die Verwertung zu bringen. Das haben wir geschafft.»
Pro Liter Almmilch gibt es einen Zuschlag von sieben Cent. Almmilch sei ein emotionaler Anker, sagt Lindner. Ein weiterer ist die Gentechfreiheit, die als solche auf den Produkten ausgelobt wird. Damit war die Tirol Milch Vorreiter. Als erste europäische Molkerei brachte sie 2003 die kontrolliert gentechnikfreie Voll- respektive Leichtmilch auf den Markt. Dafür erhielt sie viele Auszeichnungen.
Die Tirol Milch ist ein Tochterunternehmen von Berglandmilch, der grössten Molkerei in Österreich und einer der stärksten in Mitteleuropa. Jährlich verarbeitet das Unternehmen 13,3 Millionen Kilo Milch von rund 11 00 Produzenten. Der Umsatz belief sich 2016 auf 830 Millionen Franken. Berglandmilch exportiert etwa die Hälfte ihrer Produkte nach Deutschland, Frankreich und England. Die Tirol Milch beliefert den Heimmarkt und Deutschland. «Mit unserem Vollsortiment an Bergmilchprodukten und der Kapazitätserhöhung in drei Käsereien ist die Tirol Milch heute gut aufgestellt», so Stefan Lindner. Gleichzeitig räumt er ein, dass es noch Verbesserungspotenzial gebe. «Wir möchten die Milchpreise erhöhen.» Und das Unternehmen soll sich weiterentwickeln – nicht in Form von Kapazitätserweiterungen, sondern in der Sortendiversifizierung. Stefan Lindner führt mit seinem Bruder Andreas einen Landwirtschaftsbetrieb in einer Betriebsgemeinschaft. Ein Teil der Milch wird in der hofeigenen Käserei verkäst. Das Fleisch der Mastrinder geht an McDonald’s Österreich.
Parallelen zur Schweiz
Später sprach Helga Brunschmid, Vize-Präsidentin der Landwirtschaftskammer Tirol, über die Landwirtschaft in Tirol im Allgemeinen. Dabei zeigte sich, dass die Tiroler Bauern
mit ähnlichen Herausforderungen zu kämpfen haben wie die Schweizer Bergbetriebe. Die meisten Bauern leben von der Viehhaltung, weil dies die einzige Möglichkeit ist, das Land zu bewirtschaften. Der Durchschnittsbetrieb hält elf Kühe und hat ein Einkommen von 35 000 Euro. Davon lässt sich nicht leben; 80 Prozent der Betriebe werden im Nebenerwerb geführt.
Aufklärungsarbeit leisten
Auch in Sachen Tourismus sehen sich die Almbewirtschafter mit denselben Problemen konfrontiert wie ihre Schweizer Berufskollegen. Immer wieder gibt es Vorfälle auf Almweiden zwischen Wanderern, Bikern und Weidetieren. «Die Leute haben keinen Bezug mehr zur Landwirtschaft. Unsere Aufgabe ist es, Aufklärungsarbeit zu leisten», führte Brunschmid aus. Mit Werbefilmen, Broschüren und Tafeln versuche man, die Leute zu sensibilisieren.
Auf der anderen Seite bietet der Tourismus den Landwirtschaftsbetrieben eine Plattform, um ihre Produkte abzusetzen. Das Hotel Penzinghof in Kitzbühel, das von Christine Lindner geführt wird, setzt voll auf die Karte Regionalität. Die Produkte stammen zu einem Grossteil vom Betrieb ihrer Brüder Stefan und Andreas Lindner oder von anderen Betrieben aus der Region. Christine Lindner betont: «Sicher, das kostet uns mehr und es braucht ziemliches Verhandlungsgeschick. Dafür kann ich zu 100 Prozent dahinterstehen.»
Die grösste Herausforderung sei die Verfügbarkeit der Produkte. «Wenn etwas aus ist, ist es eben aus. Dafür haben unsere Gäste Verständnis.» Mit diesem Konzept hat der Penzinghof Erfolg. Und es zeigt eben auch, dass sich Synergien zwischen den beiden Sektoren Landwirtschaft und Tourismus erfolgreich nutzen lassen.
Stefanie Giger