Zwar ist meine Gin-Bar im Moment Corona-bedingt geschlossen, doch der eine oder andere gute Freund findet nach Jahren der Ignoranz wieder den Weg zu mir. Das ist dann ein legaler privater Anlass in kleinster Gruppe. So erfreue ich mich bester Gesellschaft von geschätzten Menschen, die mich ohne Bar und Corona vergessen hätten.
Und die Abende werden laaaang
Corona hat auch andere lustige Nebenerscheinungen. Da ist man sich auf einmal wieder der Vorteile des Ehelebens bewusst. Denn wer will sich schon im Homeoffice immer nur Pizza liefern lassen. Da ist doch so eine kochende Göttin auf einmal wieder verehrenswert. Allerdings hat das Aufeinanderhocken auch seine Tücken: Konnte man vor Corona nach der Arbeit in den Sport flüchten, so muss man sich nun plötzlich Abende lang mit Haarfarbe und Kleidergeschmack der besten aller Ehefrauen auseinandersetzen. Solche Gespräche können es in sich haben und das führt dann früher oder später zu Differenzen, die einen auch schnell mal wieder auf Pizza umstellen lassen. Spätestens dann, wenn die standesamtsmässig zugeteilte Köchin weg ist.
Plötzlich sieht man, was seit mehreren Jahren anders ist
Eine andere Tücke des durch die Grippe veränderten Zusammenlebens ist die Realität. Denn auf einmal sieht man in echt, was man sich aus Distanz schöngeredet hat. Ein guter Kollege musste so zum Beispiel feststellen, dass seine Frau seit drei Jahren Veganerin ist. Am schlimmsten hat es einen ehemaligen Schulkameraden getroffen. Seit er zuhause arbeitet, muss er täglich mit dem Hund raus und mit den Kindern Hausaufgaben machen. Das hätte er vielleicht noch akzeptieren können, aber dann verlangte seine Frau auch noch, dass er sein Geschirr selber in die Waschmaschine einräumen sollte! Sein Leiden hat gottlob bald ein Ende. Er hat die Scheidung eingereicht. Nicht einfach, diese neue Corona-Realität.
Kolumnist Martin Rihs ist Geflügelzüchter und Destillateur in Montagny-la-Ville.