1990 standen auf einem Schweizer Landwirtschaftsbetrieb im Durchschnitt 1,3 Traktoren. 2015 waren es schon 2,6 Traktoren pro Betrieb. Die Anzahl Traktoren stieg damit schneller als die bewirtschaftete
Fläche. Die Statistik scheint klar, aber die Realität ist vielschichtiger.
Denn zugenommen hat nur die Anzahl der alten Traktoren. 2015 zählte schon die Hälfte aller in der Schweiz zugelassenen Traktoren mehr als 27 Jahre. Zwischen 2015 und 2016 blieb die Anzahl der Traktoren mit 27 oder weniger Betriebsjahren konstant, währenddem der Anteil der Veteranen auf 51,5 Prozent anstieg.
Bei den selbstfahrenden Ladewagen ist die Zahl der bis 27 Jahre alten Fahrzeuge sogar rückläufig. Nur in der Kategorie der «Arbeitskarren» nimmt der Bestand der bis 27 Jahre alten Fahrzeuge zu – wegen der zunehmenden Verbreitung der Hoflader.
Leider liefert die Zulassungsstatistik für die Jahre vor 2015 keine Angaben zum Jahr der Inverkehrsetzung. Doch der enorme Anteil der Alttraktoren lässt vermuten, dass es vor 2015 kaum anders aussah. Gemäss derNeuzulassungsstatistik des Verbandes für Landtechnik SVLT haben die Käufe seit 2006 zwischen 2500 und 3300 Stück pro Jahr gependelt, ohne klare Tendenz.
Keine Belastung der Rechnung
Die Entwicklung des Traktorenparks zeigt, dass der Schweizer Landwirt beim Traktorenkauf durchaus ökonomisch und rational denkt:
- Die Neukäufe von Traktoren in der Schweiz haben keine steigende Tendenz. Die Zunahme des Bestandes kommt vielmehr daher, dass die alten Traktoren sich weigern, den Dienst einzustellen.
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Der zunehmende Traktorenbestand belastet die Betriebsrechnung der Bauernbetriebe nicht. Denn die Alttraktoren, die für
die Zunahme verantwortlich sind, sind längst abgeschrieben.
- Dort, wo es die Topographie zulässt, ersetzen Bergbauern selbstfahrende Ladewagen durch die billigere, traktorgezogene Mecha
nisierung.
Hoflader sind auf dem Vormarsch. Damit erleichtert die Mechanisierung jetzt auch die Arbeit auf der Hofstelle.
Die steigende Anzahl Traktoren auf den Betrieben hat handfeste wirtschaftliche Gründe:
Wenn der Betrieb wächst, die gleiche Arbeit mit weniger Arbeitskräften erledigt werden muss, oder wenn der Rücken oder die Gelenke geschont werden müssen, werden leistungsfähigere Geräte nötig und die alten Traktoren geraten an die Grenze ihrer Möglichkeiten: Es fehlen Frontzapfwelle, Fronthydraulik, Allradantrieb oder eine Sicherheitskabine. Ohne Servolenkung kann kein Frontlader montiert werden. Motorleistung, Hubkraft oder die Bremsen genügen nicht mehr, usw. Nur ein neuer Traktor oder eine nicht allzu alte Occasion bringen den angestrebten Fortschritt.
Da es für den alten Traktor nur wenig Geld gibt, bleibt er oft auf dem Betrieb und leistet dort gute Dienste als Zweit- oder Dritt-Traktor, zum Beispiel bei leichten Arbeiten im Grünland, oder als Antrieb des Futtermischwagens. Wenn nicht extra Unterstandplatz zugemietet werden muss und keine teuren Reparaturen anstehen, sind die entstehenden Kosten bescheiden, auch bei geringer Auslastung.
Braucht mehr als einen kurzen Blick
Traktoren erleichtern die Feldarbeit schon seit vielen Jahren massiv. Bei der Mechanisierung der Innenwirtschaft besteht dagegen ein Nachholbedarf, der zum Boom bei den Hofladern geführt hat. Hoflader ersetzen aber kaum je einen Traktor, viele haben nicht einmal eine Anhängerkupplung.
Viele der Alttraktoren stehen nicht auf Landwirtschaftsbetrieben. Denn nicht selten behalten die scheidenden Betriebsleiter von auslaufenden Höfen ihre alten Maschinen lieber, als sie für wenig Geld zu verkaufen. Sie nutzen sie allenfalls noch, um Brennholz zu transportieren oder zu spalten. Nichtsdestotrotz sind diese Traktoren in der Zulassungsstatistik enthalten.
Natürlich: Die hohen Mechanisierungskosten in der Schweiz sind auch eine Realität. Nicht immer können sie mit dem hohen Schweizer Kostenniveau oder der wegen immer kürzeren Bearbeitungszeitfenster nötigen hohen Schlagkraft begründet werden. Für eine fundierte Aussage braucht es aber mehr als einen kurzen Blick auf die Entwicklung des Traktorbestandes.
Martin Raaflaub
Der Autor ist freischaffender
Agrarjournalist aus Zwieselberg.