Auf dem Probstenberg in Seehof BE gib es weiterhin Grillfeste und Konzerte und noch mehr Gäste als früher. Einer davon ist geblieben, ein Musiker, der zwischen seinen Auftritten auf dem Betrieb wohnt. Er hat heute das Mittagessen gekocht, während Oliver und Cäsar Bürgi auf einen Hofrundgang mit der Besucherin von der BauernZeitung gehen.
Die eigene Art zu bauern
Die Gastfreundschaft der beiden Brüder ist dieselbe wie beim ersten Treffen vor 15 Jahren. Nach dem Gang durch Feld und Stall steht selbstverständlich ein zusätzlicher Teller auf dem Mittagstisch. Und das Gespräch geht weiter. Cäsar und Oliver Bürgi mögen es noch immer, zu erklären, zu diskutieren, zu philosophieren. Sie haben den Enthusiasmus für ihre Art der Landwirtschaft behalten. Ihre eigenen Massstäbe haben sie schon immer mehr herausgefordert als die Bio-Knospe- und Demeter-Richtlinien, nach denen sie produzieren. Kein Tier soll in den Schlachtviehhandel gehen, das war die Devise von Anfang an. «Dank unserer Sturheit haben wir es geschafft», sagt Cäsar Bürgi. Die Verantwortung für ihre Produkte halten sie von Anfang bis Ende in eigenen Händen, von der Geburt eines Tieres bis zum Verkauf seines Fleisches, das nicht selten auf dem Hof an einem Gästeanlass gegessen wird. Die Vermarktung läuft über verschiedene Kanäle wie Internetseite, Wochenmärkte und Gastronomie.
Tiere sterben zuhause
Respekt vor der Natur und dem Tier bedeutet für Cäsar Bürgi, dass er auf Kastration und künstliche Besamung verzichtet. Dass er die Tiere möglichst im Freien und mobil hält. Der Gemüsegarten mit dem fahrbaren Gewächshaus folgt auf die Freilandschweine und diese auf das Geflügel oder die Mutterkühe. Es bedeutet, dass nicht nur Entrecôte und Würste vom Hirsch verkauft werden, sondern auch das Hirn, was die deutlich grössere Herausforderung ist. Cäsar und Oliver Bürgi haben ihre Tiere nie allein in den Tod geschickt, sondern in die Metzgerei begleitet beziehungsweise die Hirsche auf dem Betrieb geschossen. Nach jahrelangen Diskussionen dürfen nun auch die Angus-Rinder beim Stall getötet und anschliessend zum Schlachthaus transportiert werden. «Weniger Stress für die Tiere geht fast nicht», sagt Cäsar Bürgi. «Aber falls mir mal etwas noch Besseres begegnet, bin ich offen.»
Betrieb Oftringen und Seehof
Betriebsleiter: Oliver Bürgi
Flächen: 8 ha in Oftringen, 24 ha in Seehof (1100 m ü. M.)
Betriebszweige: Ackerbau (in Oftringen; Silomais, Bohnen, Luzerne, Weizen, Dinkel); Rothirschzucht mit 40 bis 50 Tieren; Schlachthaus auf dem Hof; fünf bis sechs Dexter-Mutterkühe mit Nachwuchs; Direktvermarktung des Fleisches, Gästehaus mit 30 Betten als landwirtschaftlicher Nebenerwerb
Arbeitskräfte: Betriebsleiter und Mitarbeit seiner Lebenspartnerin, Aushilfen
Ein dritter Betrieb
Cäsar und Oliver Bürgi starteten mit 20 und 21 Jahren als Betriebsleiter, die Eltern waren nach Frankreich ausgewandert. Freies Feld und kaltes Wasser für die jungen Männer. «Wir haben damals nichts Bestehendes akzeptiert und alles hinterfragt», sagt Oliver Bürgi, «wir haben viel probiert, sind manchmal auf die Nase gefallen, wurden oft kritisiert, aber auch gelobt für unsere Ideen.» Beharrlich sind sie ihren Weg gegangen und haben ihre Kundschaft gefunden. Bei beiden sind mittlerweile Partnerinnen dazu gekommen und Kinder. Und dazu ein dritter Betrieb. In Oftringen und Seehof ist heute Oliver der alleinige Betriebsleiter. Cäsar ist als Pächter nach Holderbank SO gezogen. Er und seine Ehefrau betreuen auf der Oberen Wiese eine 70-köpfige Red-Angus-Mutterkuhherde, 50 bis 60 Legehennen und Hähne aus eigener Zucht, dazu ein gutes Dutzend Zucht- und Mastschweine. Eine Betriebsgemeinschaft war für Oliver und Cäsar keine Option: «Das wäre ein zu grosses Gebilde. Lieber hat jeder von uns einen kleineren Betrieb gut im Überblick», sagt Cäsar.
Betrieb in Holderbank
Betriebsleiter: Lena und Cäsar Bürgi
Flächen: 44 ha LN (rund 800 m ü. M.), 10 ha Wald
Tierhaltung: 70 Red-Angus-Mutterkühe mit Nachwuchs; 50 bis 60 Legehennen und Hähne im mobilen Stall; 20 Burenziegen; zehn Mastschweine, drei Zuchtsauen und ein Eber (Freiland); ein Urfreiberger mit Fohlen, ein Pony
Betriebszweige: Direktvermarkung des Fleisches, Verkauf Zuchttiere
Arbeitskräfte: Betriebsleiterpaar, eine Mitarbeiterin 50%, ein Lernender
Zusammenarbeit geht weiter
Die Wege der Brüder haben sich also räumlich getrennt. Aber wo es Sinn macht, arbeiten sie weiter zusammen. Alle Produkte laufen unter der Marke «Silberdistel». Vermarktungskänale nutzen sie gemeinsam. Alles Fleisch wird von Cäsar verarbeitet. Dieser liefert Fleisch ins Gästehaus, einige seiner Rinder sömmern in Seehof. Oliver betreut weiterhin 40 bis 50 Rothirsche auf dem Probstenberg, ein landwirtschaftlicher Nebenerwerb ist im Jahr 2012 dazugekommen: Gästebetreuung mit 30 Betten. Dafür hatten sich die Brüder entschieden, statt einfach das alte, marode Wohnhaus zu renovieren, damals noch als gemeinsame Betriebsleiter. Ein Jahr später zog Cäsar nach Holderbank. Einsam ist es auf dem Probstenberg aber nicht geworden. Der neue Betriebszweig ist angelaufen, die angestrebte Zahl von 1000 Übernachtungen pro Jahr wird erreicht.
Daneben hat Oliver die Hirschhaltung optimiert. Heute geht es ohne Narkosegewehr. Eine Sortier- und Einfanganlage nach neuseeländischem Standard vereinfacht den Umgang mit den Tieren. Er hat eine gute Herde aufgebaut und verkauft regelmässig Zuchttiere. Er pröbelt im kleinen Rahmen mit Ackerkulturen auf dem 1100 Meter hohen Probstenberg. Die Kartoffeln, die es zum Mittagessen gibt, sind hier oben gewachsen. Der Buchweizen blüht neben dem Sommergetreide. «Winterkulturen funktionieren weniger gut», hat Oliver Bürgi erfahren.
Der Hof bleibt bestehen
40 und 41 Jahre alt sind Oliver und Cäsar Bürgi heute. «Wir sind in jungen Jahren voll eingestiegen», sagt Oliver, «wenn du in 15 Jahren wieder fragst, reden wir vielleicht über unseren Ausstieg. Dieser Hof war vor mir da und wird nach mir bleiben, ich kann ihn gut in andere Hände weitergeben.» Er und sein Bruder können sich durchaus vorstellen, noch einmal etwas anderes anzupacken.
Chronologie
2000: Cäsar und Oliver Bürgi übernehmen den elterlichen Betrieb an den Standorten Oftringen und Seehof BE (1100 m ü. M.). Bio-Produktion mit Ackerbau, Hirschhaltung, Fleischverarbeitung, Direktvermarktung
2009: Demeter-Zertifizierung
2012: Neubau Gästehaus mit Betriebsleiterwohnung in Seehof
2013: Oliver übernimmt die Betriebe Seehof und Oftringen in Pacht, Cäsar wird Pächter auf dem Betrieb Obere Wies in Holderbank SO (800 m ü. M.)