Die No-Billag-Abstimmung sorgt seit Monaten für eine Aufregung, wie man sie als erfahrener Stimmbürger mindestens seit der EWR-Abstimmung 1992 nicht mehr erlebt hat. Unterdessen scheint das Meinungs-Pendel gegen die radikale Initiative umzuschlagen. Das ist zu begrüssen, würde man doch mit einem Ja das Kind mit dem Bad ausschütten.
Es ist nicht falsch, dass die SRG etwas viel Speck angesetzt hat, auch weil sie den Schnabel nicht voll kriegen kann. Am liebsten hat die nationale Radio- und Fernsehgesellschaft immer den Fünfer und das Weggli und noch den Bäcker dazu, siehe das Beispiel Werbung. Anders als ähnliche Stationen im Ausland beansprucht man nicht nur die Gebühren, sondern auch gleich den Löwenanteil der Werbegelder und geht ohne Zögern eine Allianz mit Swisscom und Ringier ein, um den Reklame-Rahm noch etwas tiefer abzuschöpfen.
Das ist nur ein Beispiel für das öfters unglückliche Verhalten einer Organisation, die sich an den öffentlichen und privaten Töpfen manchmal gar kräftig labt. Diese nun abzuschaffen wegen ihrer Geschäftstüchtigkeit, wäre aber definitiv zuviel der Strafe. Vielmehr braucht es eine Reform, eine Entschlackung gewisser Fettpolster und etwas mehr Demut gegenüber dem Gebührenzahler.
Eine Schweiz ohne SRG wäre nämlich auch für die Landwirtschaft ein sehr herber Verlust. Die öffentlich-rechtlichen elektronischen Medien berichten grossmehrheitlich positiv über den Sektor, wie Untersuchungen des LID zeigen. Zudem bieten sie eine ideale Plattform, um die Leistungen der Bauern und Bäuerinnen im besten Licht darzustellen, siehe etwa die «Landfrauenküche». Man mag jetzt bemerken, dass Privatsender mit «Bauer, ledig, sucht ...» Ähnliches leisten. Allerdings wird man das Gefühl nicht los, dass die Bauern auf Partnerinnensuche dort eher als unfreiwillig komische Objekte der Erheiterung zu dienen haben.
Dass sich die SRG-Kanäle zuweilen auch kritisch mit der Landwirtschaft befassen (siehe zum Beispiel die zum Skandälchen aufgebauschte Geschichte von der Pouletmast letzte Woche), dürfte manch einen Bauern zum Ja tendieren lassen. Das ist zwar nachvollziehbar, aber ebenfalls kurzsichtig. Solche Geschichten werden noch so gerne auch von Privaten gemacht, oft mit noch dickeren Schlagzeilen. Die SRG muss aber, anders als diese, für eine gewisse Ausgewogenheit garantieren, ansonsten man bei der Ombudsstelle gegen sie vorgehen kann. Übrigens ist diese öffentlich-rechtliche Kritik nicht immer falsch, sondern hat auch schon dazu beigetragen, gewisse Missstände zu beheben, wobei es dafür nicht unbedingt Gebühren braucht.
Diese braucht es hingegen für die flächendeckende und viersprachige Versorgung des Landes mit qualitativ guten Inhalten, wie zum Beispiel Tagesschau, andere Nachrichtenformate oder Dokumentarfilme. Hier sind gerade die häufig abgelegen wohnenden Bauernfamilien auf die elektronischen Medien angewiesen, auch weil die Internet- und Mobilfunk-Versorgung immer noch gebietsweise lückenhaft ist.
Der teure Service Public der SRG ist auch ein Stück Solidarität der Stadtbevölkerung gegenüber den ländlich wohnhaften Landsleuten. In den urbanen Zentren wäre nämlich gemäss Experten auch ohne SRG weiterhin für eine anständige Nachrichtenversorgung gesorgt. Für das Funktionieren der Willensnation Schweiz ist eminent wichtig, dass dieser Solidaritätsgedanke nicht durch eine «Ich bezahle nur noch was ich brauche»-Mentalität abgelöst wird. Denn die Landwirtschaft profitiert von der Unterstützung durch die nicht-bäuerlichen Mitbürger. Ob sie nun Schweizer Produkte essen oder nicht, alle bezahlen mit ihren Steuern an den Erhalt eines überlebensfähigen Primärsektors. Diese Unterstützung wurde im September erneut kraftvoll bestätigt. Früher als ihr lieb ist, wird die Landwirtschaft erneut auf Verständnis und Solidarität der Landsleute angewiesen sein, nämlich dann, wenn die Trinkwasser-Initiative, ein klassisches Ego-Projekt von Umweltschützern, an die Urne kommt. Entweder alles Bio oder gar keine Schweizer Produkte mehr, lautet die fast schon erpresserische Forderung der Initianten.
Bei No Billag geht es um mehr als nur die Frage, ob es künftig noch ein rätoromanisches Guetnacht-Gschichtli gibt oder nicht. Vielmehr steht ein Teil des gesellschaftlichen Zusammenhalts auf dem Spiel, von dem auch die Landwirtschaft stark profitiert.
Adrian Krebs