Blaue Flecken und schmutzige Finger gehören für Sabrina Krebs zum Alltag. Auch, dass sie Kühen tagtäglich in den Hintern greifen muss: Denn die 20-jährige Bernerin ist Besamungstechnikerin und verhilft den Wiederkäuern zu Nachwuchs. «Um diesen Beruf auszuüben, muss man ‹angefressen› sein», gesteht Sabrina Krebs augenzwinkernd, während sie «Panda» hinter den Ohren krault. Das Holstein Rind scheint die Behandlung sichtlich zu geniessen.
Die junge Landwirtin arbeitet für die Firma Swissgenetics, die in der Schweiz und Lichtenstein rund 200 Besamungstechniker sowie rund 100 Vertragsbesamer beschäftigt. Allein im Jahr 2015 führten Sabrina Krebs und ihre Kollegen 800 000 Besamungen durch.

Meist schon vor sieben Uhr beginnt der Arbeitstag der Besamerin. «Als Erstes telefoniere ich mit meinem Gruppenleiter.» Er sagt ihr, auf welchem Betrieb welche Kühe bis am Mittag zu besamen sind. «Ich bestimme danach die Reihenfolge, so dass ich möglichst kurze Anfahrtswege habe», erklärt Sabrina Krebs. Auf dem Betrieb angekommen, sucht sie als erstes den so genannten Besamungsordner. Dort hat der Landwirt meist notiert, welche Kuh mit dem Sperma welches Stieres besamt werden soll. Anhand der Ohrmarkennummer sucht Sabrina Krebs die betreffende Kuh: «Viele Landwirte warten, wenn sie wissen, dass der Besamer kommt und haben die Kuh schon angebunden.»

Sperma nicht frieren lassen

Im Zuchtstierenkatalog hat der Landwirt bereits zuvor den «Traumprinzen» für seine vierbeinigen Ladys ausgesucht. Die Auswahl im Katalog trifft er anhand der genetischen Veranlagung für Milchleistung, Körperbau und Fruchtbarkeit der Zuchtstiere. Sobald die Kuh stierig ist, steht der Arbeit der Besamerin nichts mehr im Wege. In einem Kühlbehälter, der mit flüssigem Stickstoff gefüllt ist, lagert die Fachfrau mit Sperma gefüllte Stäbchen. Minus 196 Grad Celsius ist es im Innern des Behälters. Die so genannten Samendosen sind beschriftet und werden im Kübel nach einem genauen System gelagert.

Das ist wichtig, denn man sollte den Behälter nur so kurz wie möglich öffnen, damit die Kälte erhalten bleibt. Mit der Pinzette wird die gewünschte Dose entnommen und für 30 Sekunden in temperiertes Wasser gegeben. Würden die Spermien langsam an der Luft aufgetaut, würden sie sterben. Die Samendose wird danach ins Besamungsinstrument gesteckt und aufgeschnitten. Danach stülpt die junge Frau einen Handschuh über das Instrument und packt beides unter ihre Jacke: «Es ist von Bedeutung, dass die Spermien nicht kalt bekommen.»

Fingerspitzengefühl ist gefragt

Bei der Kuh angekommen, beginnt der schmutzige Teil des Jobs. Mit dem linken Arm greift die Fachfrau dem Tier durch das After in den Darm. «Ich ertaste durch den Darm die Cervix, also den Gebärmutterhals.» Dieser wird umgriffen und leicht nach hinten gezogen. Danach wird das Besamungsinstrument, welches wie eine lange dünne Spritze aussieht, in die Scheide eingeführt. Das Instrument muss bis in die Cervix. Für ungeübte Besamer ist das eine knifflige Aufgabe, denn der Cervixeingang ist wie ein Nadelöhr. Die Hand im Darm ist dabei hilfreich. Mit viel Fingerspitzengefühl und erprobten Handgriffen wird das Sperma im hinteren Drittel der Cervix platziert.

Welche Kuh, mit welchem Samen besamt wurde, wird im Besamungsordner festgehalten. Pro Tag besucht Sabrina Krebs bis zu zehn Betriebe. Die gefahrenen Kilometer variieren von Tag zu Tag, je nachdem wo Kühe besamt werden müssen. Pro Kuh werden ihr 13 Minuten Arbeitszeit angerechnet. «Das reicht normalerweise gut, falls die Kuh noch eingefangen werden muss, kann es aber länger dauern.»

Ein Champion im Stall

Auch in der Freizeit dreht sich bei Sabrina Krebs, die eine Lehre als Landwirtin gemacht hat, alles um Kühe. Nach Feierabend zieht es sie meist auf den elterlichen Hof in Gerzensee BE. «Ich helfe gerne beim Melken.» Den Familienbetrieb später zu übernehmen, ist für sie eine Option. Doch derzeit bietet ihr ihre Tätigkeit als Besamungstechnikerin einige Vorteile: Einen fixen Monatslohn, einen Firmenwagen und einigermassen flexible Arbeitszeiten.

Die Ausbildung dauerte drei Monate und fand zum Teil in Deutschland statt. Geübt wurde zuerst an Gebärmüttern von geschlachteten Kühen. Erst wenn alle Handgriffe sitzen, geht man über zu lebenden Kühen. Und wo findet man die Besamerin am Wochenende? «Es geht öfters an eine Viehschau.» Und dabei ist Sabrina Krebs mit eigenen Tieren sehr erfolgreich. Ihr Holstein-Rind Swiss-Repro Mccutchen Panda wurde an der Expo Bulle 2016 Zweite in ihrer Kategorie, und gar Grand Champion an der Ostschweizer Rinder Nightshow 2016. Andere Hobbys? «Nein, eigentlich nicht», schmunzelt Sabrina Krebs und wendet sich wieder ihrer «Panda» zu.


Video zum Thema:

pinkfarming.jimdo.com/2016/06/14/besamerin-mit-leib-und-seele