Die Zahlen sind bekannt: Jeden Tag schliessen in der Schweiz durchschnittlich drei Bauernbetriebe ihre Tore für immer. Hinter den trockenen Zahlen verbergen sich immer persönliche Geschichten. Deshalb porträtiert das Schweizer Fernsehen am kommenden Donnerstag in einem Dok vier Bauernfamilien und ihr täglicher K(r)ampf.

Den Dok gemacht hat Martina Egi. Egi, Jahrgang 1969, arbeitet als Redaktorin und Produktionsleiterin bei der Filmproduktionsfirma Mesch & Ugge. Auch sie hat regelmässig vom Bauernsterben gehört und wollte zu den Geschichten dahinter vorstossen.

BauernZeitung: Was gab den Anstoss, das Bauernsterben zu thematisieren?

Martina Egi: Anstoss war die regelmässig wiederkehrende Schlagzeile, dass in der Schweiz täglich drei Bauernbetriebe aufhören. Das ist eine alarmierende Zahl und und hinter jeder Hofaufgabe steht eine Geschichte. Diese Geschichten interessierten mich und ich war überzeugt, dass auch eine breite Öffentlichkeit mehr erfahren wollte.

Sie haben drei Bauernpaare während einem Jahr begleitet. Was hat Sie in dieser Zeit am meisten berührt?

Am meisten berührt hat mich bei allen Paaren ihre Liebe zu den Tieren. Speziell den Kühen. Ihr Wissen über jedes Tier, dessen Charaktermerkmale und Geschichte. Das war für mich als Laie am Anfang kaum nachvollziehbar.  Je mehr Zeit ich mit den Bauern verbrachte, um so eher konnte ich die Hingabe verstehen. 

Was hat Sie während den Dreharbeiten am meisten Kraft gekostet?

Die meiste Energie hat es mich vor den Dreharbeiten gekostet, Bauern zu finden, die bereit sind vor der Kamera über die Problematik des Bauernsterbsns zu sprechen. Dass z.Bsp. die Milchbauern Lisa und Hans Schori so offen über ihre finanziellen Probleme wegen des tiefen Milchpreises reden, ist nicht selbstverständlich. Sie stehen für viele Milchbauern, die in der Schweiz ums Ueberleben kämpfen. 

Hat sich Ihre Wahrnehmung des Bauernsterbens während den Dreharbeiten verändert? 

Ich konnte anfangs nicht verstehen, dass es trotz  Bauernsterben so viele Jungbauern-Famlien gibt, die keinen Hof zur Bewirtschaftung finden. Jetzt, wo ich mehr hinter die Kulissen schauen durfte, kann ich die komplexe Problematik nachvollziehen.

Tatsächlich ist es Egi gelungen, das Vertrauen «ihrer» Bauern zu gewinnen. Der Dok zeigt, wie unterschiedlich die Ausgangslagen in der Schweizer Landwirtschaft sein können. Da ist das Ehepaar Lisa und Hans Schori. Im Berner Seeland haben sie sich 2008 ihren Traum erfüllt und in einen neuen Milchviehstall investiert. Mit dem tiefen Milchpreis kommen sie mehr schlecht als recht über die Runden. Paula und Sepp Etterlin aus Emmen LU müssen nach 45 Jahren Vieh und Fahrhabe auf einer Gant versteigern, ihr Pachtbetrieb wird stillgelegt. Derweil suchen die Familien Marti und Büetiger seit Jahren einen eigenen, gemeinsamen Hof – bis jetzt ohne Erfolg. Daneben müssen Werner und Tina Bättig ihren eigenen Hof mangels geeigneter Nachfolge aufgeben.

Starke Bilder

Handwerklich gesehen lebt der Film von starken Bildern und den vier Bauernfamilien. Die Filmautorin gewährt den Porträtierten mit viel Fingerspitzengefühl Raum, von ihrem Alltag, ihren Träumen und Wünschen zu erzählen. So hat der Film dort seine stärksten Momente, wo die Kamera dem Geschehen folgt und stumm beobachtend dokumentiert, wie die Menschen in ihrem Alltag funktionieren.

Trotzdem: manchmal bleibt der Betrachter etwas ratlos zurück; man wünscht sich manchmal mehr Einordnung. Dann, wenn auf dem schlechten Milchpreis herumgeritten, oder das Bauernsterben einfach als Fakt erwähnt, aber nicht politisch und gesellschaftlich verortet wird. So spielt die Politik auch nur am Rande eine Rolle. Das macht die bäuerliche Realität fassbarer. Aber es vernachlässigt das landwirtschaftliche Gesamtsystem und dessen vielfältigen Wechselwirkungen.

Gerade deswegen ist der Film zwar kein widerspruchsfreier aber ein sehenswerter Diskussionsbeitrag.

hja

Sendetermine

Donnerstag, 11. Mai 2017, 20:05 Uhr, SRF 1

Wiederholungen: Freitag, 12. Mai 2017, 1:25 Uhr, SRF 1 und Freitag, 12. Mai 2017, 11:15 Uhr, SRF 1.