Die Schweiz befindet sich tatsächlich seit Monaten in der Krise, weil es an vielen Orten viel zu wenig regnet. So sieht Klimawandel also konkret aus. Oder ausgetrocknete Wiesen, Futtermangel bei Kühen, hitzegeschädigte Kulturen und Landwirte im Bewässerungsstress. Der Klimawandel habe in diesem Sommer ein Gesicht erhalten, sagte Agrocleantech-Geschäftsführer Simon Gisler an der 4. Agrocleantech-Tagung im November. "Das Thema dürfte nun endgültig in den Bauernstuben und auf den Feldern angekommen sein."
Die Schweiz erreicht ihre Ziele nicht
Diverse Klimaschutzmassnahmen zur Reduktion des CO2-Ausstosses werden bereits ergriffen, neue Wege werden erforscht. Doch der kürzlich veröffentlichte Bericht des Weltklimarats IPCC zeigt, dass man im Fahrplan zur Erreichung der in Paris formulierten Klimaschutzziele arg im Rückstand ist. Auch die Schweizer Landwirtschaft erreiche zurzeit die Ziele nicht, sagte Bernard Lehmann, Direktor des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW), an der Tagung. Es gibt deshalb Stimmen, welche den Klimawandel bereits als unveränderbare Tatsache betrachten und lieber über Anpassungsstrategien nachdenken.
4 Promille-Initiative wäre sinnvoll
Der Boden speichert gigantische Mengen an CO2. Laut dem Max-Planck-Institut für Biogeochemie entweicht jährlich etwa zehn Mal mehr CO2 aus den Böden in die Atmosphäre als bei der Verbrennung fossiler Energieträger freigesetzt wird. Dieser Wert wird massgebend durch die Art der Landnutzung bestimmt. Bernard Lehmann hegte deshalb an der Tagung grosse Hoffnungen an die von Frankreich anlässlich der Pariser Klimakonferenz lancierten 4 Promille-Initiative. Würde nämlich der Kohlestoffgehalt in den Böden jährlich um diesen Betrag erhöht, könnte der CO2-Anstieg in der Atmosphäre vollständig gestoppt werden. Eine Möglichkeit wären hier beispielsweise Agroforstsysteme – einer Kombination zwischen Wald- und Ackerbau –, die zu einer Verdreifachung der Kohlenstoff-Gehalte führten, sagte Lehmann.
Rinder sind die Übeltäter
Der grosse Hebel bestünde hier bei der Tierhaltung. Diese gilt als ressourcenzehrend und der Methanausstoss der Rinder bewirkt einen vielfach höheren Treibhauseffekt als CO2. Ackerbau wäre deshalb eigentlich am klimafreundlichsten, sagte Lehmann. Aber eigentlich seien Gülle und Mist auf dem Acker besser für das Klima als energieintensiv hergestellter Kunstdünger. Es brauche also doch Tiere. Allerdings nur, wenn den Kühen nicht Getreide gefüttert werde, fügte er an. Das alles zeige, dass es im Klimaschutz keine einfachen Lösungen gebe: "Systemdenken macht sehr bescheiden", sagte er zum Abschluss seines Referates.
Kuhfütterung optimieren
Die Hälfte der Treibhausgase bei den Rindern kommt aus der Fütterung. Eine von Agrocleantech initiierte Arbeitsgruppe mit Fachleuten von Agroscope, Aaremilch und Agridea untersuchte deshalb, welches Futter eine möglichst klimafreundliche Kuh fressen soll. Mit einer optimalen Fütterung kamen sie auf ein Treibhausgas-Einsparpotential von zwölf Prozent. Allerdings basiere dieser Wert auf vielen Unsicherheiten, weshalb man diese nicht als Empfehlungen herausgeben könne, schränkte Simon Gisler sogleich ein. Seine Forderung: "Es braucht mehr Forschung, die mehr verlässliche Zahlen liefert."
Pilotprojekte laufen
Zurzeit werde auf 30 Pilotbetrieben ein Katalog von Massnahmen zur Senkung der Treibhausgase getestet, sagte IP-Suisse-Geschäftsführer Fritz Rothen. Dazu zählen unter anderem bereits bewährte Instrumente wie die Wärmerückgewinnung, Mulch- oder Direktsaat, Hackschnitzelnutzung, Erhöhung der Lebensleistung bei den Milchkühen, Abdecken der Güllegrube oder parzellen-genaue Düngerpläne. "Ziel ist die Reduktion von zehn Prozent der Treibhausgase auf der Gesamtheit der IP-Suisse-Betriebe", sagte Rothen. Er selbst zeigte sich erstaunt darüber, wie viel Anstrengungen es brauche, um nur schon diesen relativ bescheidenen Einspareffekt zu erreichen.
Auf die Fahrtechnik kommt es an
Bei den Maschinen wird auf Verbrauchseffizienz gesetzt. "Durch Maschinenzusammenlegungen braucht es 40 Prozent weniger Geräte", sagte AgroCO2ncept-Präsident Toni Meier in Bern. Mit sparsamen Fahrtechniken lasse sich bei 600 Jahresstunden bis zu 1200 Liter Diesel einsparen. Andere Massnahmen sind die Schaffung von Dauergrünland, die optimierte Düngung und Bewässerung oder das Einbringen von Aktivkohle auf dem Acker. Diese könne CO2 dauerhaft aus der Atmosphäre entziehen, sagte der Biobauer. Bei sich auf dem Betrieb mischt er Hühnerfedern mit Kompost zu organischem Dünger zusammen, dieser helfe beim Humusaufbau und reduziere den Einsatz von Mineraldünger.
Die Verantwortung liegt auch bei den Konsumenten
Die Tagung in Bern zeigte zwar zahlreiche Lösungsansätze zur Reduktion von Treibhausgasen in der Landwirtschaft auf. Doch der Weg zur klimafreundlichen Landwirtschaft ist steinig. Es bräuchte beispielsweise mehr Biogasanlagen, welche das Methan entschärfen. Würden 40 Prozent des Hofdüngers energetisch genutzt, wäre ein grosser Teil der von der Landwirtschaft verlangten Reduktionsleistungen bereits erbracht. Hier fehlen aber griffige Fördermassnahmen. Diese sind der Gesellschaft offenbar zu teuer. Oder man will dem Konsumenten nicht vorschreiben, was er essen soll. Ob der Klimawandel in diesem Sommer auch bei diesen angekommen ist, bleibt fraglich. Sein Gesicht hat er da noch nicht gezeigt: Die Regale mit Lebensmitteln waren trotz Trockenheit und Hitze in ganz Europa immer reichlich gefüllt. Bei vielen Schweizer Bauern versiegen aber unterdessen wegen dem weiterhin fehlenden Regen die Brunnen.