Gross war die Freude bei vielen Schwyzer Bauern und der SVP, als Marcel Dettling im November 2015 in den Nationalrat gewählt wurde und überraschend den damaligen SP-Fraktionschef verdrängte. Dies umso mehr, da der Ybriger Landwirt nur vom dritten Listenplatz aus in den Wahlkampf startete. Weniger euphorisch war die Gefühlslage am Abstimmungssonntag aber bei Ehefrau Priska Dettling: «Unsere drei Kinder waren damals noch klein. Schon der vorangegangene Abstimmungskampf zeigte mir auf, wie zeitintensiv ein nationales Politamt sein würde», erinnert sie sich zurück.
Frauenpower
Seit dem Jahr 2016 ist Marcel Dettling nun viermal jährlich während der Session für drei Wochen in Bern und kommt nur am Wochenende nach Hause. Während der ersten Legislatur kam während dieser Wochen jeweils Hans Dettling, der Vater von Marcel, auf den Hof und unterstützte die junge Familie. Vor rund vier Jahren wollte Hans Dettling aber altershalber kürzertreten. Seit diesem Zeitpunkt herrscht auf dem Betrieb Jessenen nun Frauenpower.
Hilfe aus dem Nationalrat
Die Familie Dettling stellte eine junge einheimische Frau, welche gerade ihre landwirtschaftliche Ausbildung abschloss, in einem 40-Prozent-Pensum an. Bäuerin Priska Dettling führt nun gemeinsam mit dieser Angestellten während der Sessionen den 28 Hektar grossen Hof. Vierzehn Milchkühe plus Nachzucht und fünfzig Schafe stehen im Stall. Der Betrieb mit vielen steilen Parzellen ist zwar maschinell sehr gut eingerichtet, dennoch war der Start eine Herausforderung: «Bereits am ersten gemeinsamen Arbeitstag gebar eine Kuh Zwillinge, wovon eines verkehrt kam», erinnert sich Priska Dettling zurück. Auch die Maschinenarbeiten forderte die beiden Frauen anfänglich: «Als wir beim erstmaligen Anhängen des Kreislers unsicher waren, schickten wir Marcel per Whatsapp einen Kurzfilm ins Parlament, ob wir alles korrekt angeschlossen haben», so Priska Dettling lachend.
Aber auch für das Ermitteln des genauen Grenzverlaufs der Parzellen hielt sie Rücksprache mit Bundesbern. Damit sie mit dem Motormäher beim Mähen nicht auf das Nachbarsgrundstück geriet, schickte sie ihrem Mann ein Foto der zu mähenden Wiese. Dieser zeichnete auf dem Bild den genauen Grenzverlauf ein und schickte das Bild zurück. Mittlerweile sind die beiden Frauen ein eingespieltes Team, Anfragen direkt in den Nationalratssaal sind selten geworden.
Grosse Verantwortung
Auch die drei Kinder Remo (11), Eliane (10) und Julia (8) sind mittlerweile älter und damit selbstständiger geworden. «Sie unterstützen mich heute auf dem Betrieb, sei dies in der Tierpflege oder bei Maschinenarbeiten, wo Remo bereits sehr aktiv ist.» Das sei im Kleinkindalter schon noch anders gewesen. «Vor allem im Krankheitsfall gab es früher schon hektische Zeiten.» In der Erziehung gäbe es aber auch heute noch Momente, wo sie um eine stärkere Präsenz ihres Mannes froh wäre. «Kommt Marcel dann am Freitag nach Hause, will er natürlich lieber die Kinder geniessen, statt den strengen Vater zu spielen.»
Blick auf den Regenradar
Die Doppelbelastung Familie und Betrieb ist trotz Unterstützung aus Familie und Nachbarschaft hoch. Trotz der vielen guten Helfer liege die Verantwortung schliesslich doch bei ihr. Und wenn im regenreichen Ybrig die Heuernte anstehe, steige ihre Anspannung zusätzlich an: «Während der Sommermonate ist bei mir das Erste am Morgen und das Letzte am Abend der Blick auf die Wetterprognosen.» Auch ausserhalb der Sessionen hat ihr Mann, der aktuell zusätzlich noch nationaler Wahlkampfleiter der SVP ist, wöchentlich mindestens fünf Termine, viele davon auch abends. «Ich bin froh, muss ich nicht so viel auf die Strasse wie Marcel», so Priska Dettling. Sie ist zwar im Vorstand der Schwyzer Bäuerinnen und in einer Kommission der Gemeinde aktiv, grössere politische Ambitionen hat sie aber aktuell keine.
Die in Küssnacht am Rigi aufgewachsene Frau fühlt sich wohl auf ihrem Bergheimet in Oberiberg. «Ich richte es mir zu Hause so ein, dass es mir gut geht», betont Priska Dettling. In ihrer raren Freizeit restaurierte sie in der Vergangenheit schon viele alte Möbelstücke, welche jetzt im eigenen Wohnhaus stehen. Eine weitere Leidenschaft ist ihr Garten und seit einem Jahr geht sie wöchentlich in den lokalen Turnverein. Dazu ist sie auch oft mit ihren drei Kindern unterwegs, welche gemeinsam in einer jungen Ländlerformation spielen.
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Stallgewand und Abendkleid
Die ausgebildete Pflegeassistentin und Kosmetikerin ist eine passionierte Gastgeberin, ihr gross dimensionierter Küchentisch ist stark frequentiert. So kommen fast täglich verschiedene Nachbarn zum Mittagessen vorbei. Nicht selten begrüsst sie auch Gäste aus dem politischen Umfeld ihres Mannes: «Das führt vielfach zu interessanten Begegnungen mit Menschen aus unterschiedlichen Regionen der Schweiz und mit anderen Ideen.» An politische oder gesellschaftliche Anlässe begleitet sie ihren Mann eher selten. Ab und zu für beispielsweise einen Music Award vom Stall-Overall ins elegante Abendkleid zu wechseln, sei zwar anfangs schon spannend gewesen.
E-Biken und Skifahren
Heute verbringt Priska Dettling die gemeinsamen Stunden mit ihrem Mann und den Kindern lieber an einem Familienskitag im nahegelegenen Hoch Ybrig oder auf einer E-Bike-Tour. Länger in die Ferien gehen die Dettlings kaum, einzelne Sommertage in den Schweizer Bergen geniessen sie aber gerne. Diese Auszeiten müssen aber gut geplant werden. Immer am 20. wird bei der Familie Dettling zur Terminsitzung gerufen und der kommende Monat verplant. Dabei werden Veranstaltungen, Sitzungen, Arbeitseinsätze und ab und zu auch freie Tage von Multitaskerin Priska Dettling und ihrem Mann minutiös geplant.