Matthias Schär befand sich in der Zweitausbildung zum Landwirt, als er an jenem Morgen ein Haselnussjoghurt löffelte. Sein Blick auf die Zutatenliste zeigte, dass die Haselnüsse aus ausländischer Produktion stammten. Kurz darauf sah er eine Filmdoku über Kinderarbeit in türkischen Haselnussanlagen. Da war sein Plan gereift: er wollte selber auf dem elterlichen Betrieb Haselnüsse anbauen.

Am Wochenende ging er also nach Hause und fragte seine Eltern, ob er Haselnussbäume pflanzen könne. Sein Vater, selber ein kreativer Freigeist, hatte nichts dagegen. Bevor er 2013 die ersten Bäume auf dem elterlichen Hof in Brittnau (siehe Infobox) pflanzte, hatte er intensiven Kontakt zum Haselnuss-Spezialisten Andreas Gauch. Der ausgebildete Baumaschinenmechaniker Schär pflanzte daraufhin auf 700 Aren die ersten 300 Bäume.

Wunder aus Bollweiler und Hallesche Riesen

Ein Jahr später kamen auf weiteren 600 Aren 350 Bäume hinzu. Dabei wurden veredelte Bäume gesetzt, denn der Produzent will keine Sträucher wie sie vom Wildwuchs bekannt sind. Er will einen Stamm, der sich erst in der Höhe verzweigt und da Früchte ausbildet. So lässt sich die Anlage müheloser bearbeiten und die Ernte fällt angenehmer aus. Die berühmten Haselnüsse aus dem Piemont sind zu 99% die Sorte Tonda Gentile di Langhe, weiss Jürg Maurer, Berater am Inforama Rütti.

Schär setzte hingegen auf einen Sortenmix und pflanzte reihenweise Ennis, Butler, Wunder aus Bollweiler, Hallesche Riesen und Corabel. Er wollte das Risiko minim halten und nicht nur auf eine Sorte setzen. "Ich kann heute sagen, dass alle Sorten gedeihen. Bei einer Sorte bleiben die Nüsse allerdings lange im Fruchtbecher drin, das ist mühsam für die Ernte", sagt Schär.

Auch Schafe mögen Hasel

Haselnüsse sind extensive Nussfrüchte und gelten als Dauerkultur, werden also nicht mit Obstkulturen gleichgestellt (siehe Infobox). Im Winter schneidet Schär die Bäume und im Frühling hackt er zwischen den Reihen. Während des Sommers muss der Grünstreifen gemulcht oder gemäht werden. Könnten nicht seine Schafe diese Arbeit übernehmen? "Leider nicht, denn die Schafe knabbern die Haselsträucher an", schmunzelt der junge Landwirt. Im Winter will er allerdings sein Hühnermobil in der Haselnuss-Anlage aufstellen, um seine Haselnüsse vor dem bisher einzigen Schädling zu schützen: "Heuer hat der Haselnussbohrer in der Anlage gewütet. Ich hoffe, dass die Hühner im Winter seine Larven fressen", beschreibt Schär seine Idee. Da er Bio-Qualität herstellt, verwendet er keine Spritzmittel ausser effektive Mikroorganismen, die den Baum stärken sollen und Pilzen vorbeugen.

Eine arbeitsintensive Dauerkultur
Die gewerbsmässige Produktion von Haselnüssen in der Schweiz steckt noch in den Kinderschuhen, obwohl die klimatischen Bedingungen für die Haselnussproduktion ideal wären. Grund dafür sind laut Jürg Maurer, Berater am Inforama Rütti, die Rahmenbedingungen: Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) hat Haselnüsse als sogenannte Dauerkultur eingestuft, im Gegensatz zu Walnüssen, die als Obstkultur gelten. Das bedeutet, dass Landwirte bloss 0.028 Standardarbeitskraft (SAK, pro Hektar: Einheit zur Bemessung der Betriebsgrösse, Anm. der Redaktion) für die Haselnusskultur angeben können, verglichen mit 0.3 SAK bei den Baumnüssen. Weil ein Betrieb minimal 0.2 SAK umfassen muss um Direktzahlungen zu erhalten, sei diese Kategorisierung unbefriedigend, bestätigt Hubert Zufferey vom Schweizer Obstverband. Vor ein paar Jahren habe der Schweizer Obstverband eine entsprechende Anfrage beim BLW eingereicht. Damals hatte das BLW die Neukategorisierung zur Obstkultur abgelehnt.

Haselnüsse statt Pferdeäpfel

Für die Ernte ist Schär passend eingerichtet: Sobald die Nüsse reifen, werden Netze mit Kabelbindern zwischen die Reihen gespannt, um die Nüsse aufzufangen. Anschliessend fahren Matthias Schär oder seine Mutter mit dem Pferdeäpfel-Sauger über die Netze und saugen die Nüsse auf. "Der Anbau ist nicht sehr arbeitsintensiv, einzig für das Spannen der Netze brauche ich möglichst viele Helfer", sagt er. Vor allem Geduld ist gefragt, denn erst im zehnten Anbaujahr wird Schär den vollen Ertrag der Nüsse ernten können. Er rechnet mit knapp 3 Tonnen. Letztes Jahr waren es 500 Kilo, dieses Jahr bereits das Doppelte.

Das Trocknen erledigt er momentan noch im eigenen Backofen. "Eine Trocknungsanlage lohnt sich erst, sobald wir mehr ernten können", sagt Schär. Dann knackt er die Früchte in der Anlage, die er dieses Jahr das erste Mal einsetzt. "Eine Bekannte hat in der Tierwelt eine Maschine aus Frankreich ausgeschrieben gesehen und uns darauf aufmerksam gemacht", erzählt Monika Schär, die mit ihrem Sohn zusammen den Hof führt (siehe Infobox). "Um die Maschine auszulasten, können andere Produzenten ihre Nüsse vorbeibringen und wir knacken die Nüsse für sie." Die Nüsse werden der Maschine gefüttert und diese spuckt sie ohne Schale wieder aus. Zweimal müssen die Nüsse auf dem Förderband von blossem Auge kontrolliert werden, um festzustellen, ob noch Spuren von Schalen drin sind. Die erste Ernte im letzten Jahr hatte Schär zusammen mit Gauch ins Piemont gebracht und dort geknackt.

Aus der Schweiz" hat seinen Preis

Der grösste Anteil der Haselnüsse wird an den Onlineshop Biofarm geliefert, der die Schweizer Bio-Haselnüsse in 100 Gramm-Beuteln anbietet, zu einem Kilopreis von 76.- Franken. Verglichen mit Bio-Haselnüssen beim selben Anbieter (31.- CHF/kg) oder von Coop (19.80 CHF/kg) ein stolzer Preis, jene stammen allerdings aus der Türkei. Die grosse Nachfrage bestätigt Matthias Schär. "Ich beliefere nebst Biofarm das Hotel Edelweiss auf der Rigi und das Restaurant Rechberg in Zürich. Und meine Kunden waren letztes Jahr enttäuscht, als ich nach Weihnachten keine Haselnüsse mehr im Hofladen anbieten konnte, weil alle bereits weg waren", freut sich der bald zweifache Vater. "Ich habe viele Ideen, wo ich meine Haselnüsse sonst noch vertreiben könnte. Aber dafür muss ich zuerst einmal die volle Ernte einfahren können.

Biohof-Schär
Matthias Schär bewirtschaftet den 15-Hektaren-Hof in Brittnau AG seit dem Tod seines Vaters Anfang 2019 zusammen mit seiner Mutter Monika.

Die beiden bieten in ihrem Bio-Hofladen Eier und Eierlikör von den rund 2'000 Legehennen, Meringues aus dem Holzbackofen, diverse Haselnussprodukte, Lammfleisch von den 90 Engadiner Mutterschafen, Geflügelfleisch sowie saisonal Spargeln und Beeren an. Produkte von Biohöfen aus der Region ergänzen das Sortiment. Neu wird auf dem Biohof auch CBD-Hanf für die Arzneimittelproduktion angebaut. Arbeitsspitzen bewältigen sie mit Unterstützung von diversen Bekannten.