Jury-Mitglied Susanne Staub vom Konsumentenforum erinnert sich gerne an die Besuchstour auf dem Martella-Hof zurück.  Sie war beeindruckt vom Ausblick auf die im Freilauf gehaltenen Hühner und Schweine auf den nahegelegenen Feldern, den ansprechenden und top dekorierten Eingangsbereich des Hofladens. [IMG 2] «Die Fleischprodukte sehen richtig «gluschtig» aus und werden professionell und ansprechend angeboten», so Susanne Staub und hält fest, dass der 55 m2 grosse Laden blitzsauber sei und das Angebot – dank der zugekauften Produkte – vielfältig und von bester Qualität. «Es war schön, zu sehen, wie stolz die Familie auf ihren Betrieb ist und wie sie sich damit identifiziert», sagte Staub in ihrer Laudatio.

Nach der Prämierung an der Sichlete, anderntags, steht Reto Wipf (40) vor der Fleischtheke und ordnet die Fleischstücke neu. «Ein ganzes Poulet wird selten gekauft», sagt er. Aber ein Renner seien entbeinte Pouletschenkel. «Die schmecken auf dem Grill fantastisch», mischt sich ein Kunde ein. Die Haut sei knusprig und das Fleisch schön saftig. «Etwas Besseres gibt es nicht auf den Grill», sagt er und geht zum Bezahlautomaten.

Schade ist, dass sich seit dem Wetterumschwung vergangene Woche die Grillsaison zu Ende neigt. Statt Nierstück mit Knoblauchmarinade, Brustspitz mit Honig mariniert oder eben Pouletschenkel ohne Knochen werden die Kunden vermehrt zu Voressen, Würsten oder Geschnetzeltem greifen.

Reto Wipf ist es recht. «Wir richten uns nach den Kunden – saisonal gibt es nicht nur bei der Produktion.» Jede Woche lässt er 500 Freilandpoulets und zehn Freilandschweine schlachten. Er würzt, mariniert, schneidet sie zu, macht Spiessli, kommissioniert sie auf dem Hof – und vermarktet alles direkt.

Freilandfleisch zum Zugreifen

«Wir haben exklusive Produkte, die aufgrund der Freilandhaltung im höheren Preissegment liegen. Das wollten wir ansprechend präsentieren», führt Wipf das Konzept des Hofladens aus, der 2021 eröffnet wurde.

Wipfs bauten kurzerhand einen Lagerschuppen mit einem markanten Pultdach um. Sie verschalten die Backsteinmauern mit Holz, bauten eine grosszügige Veranda beim Eingang, verputzten die Wände, verlegten den Boden neu, bespannten die gewölbte Decke mit einem schwarzen Vlies und nagelten Holzlamellen darauf. «Wir haben fast alles selbst gemacht. Aber ein Schreiner und ein Zimmermann haben uns mit den Holzarbeiten geholfen und Gestelle nach unseren Wünschen gezimmert», erzählt Reto Wipf.

Die Kundschaft honoriert den Martella-Hof-Auftritt. «Von Jahr zu Jahr steigen unsere Umsatzzahlen», sagt Reto Wipf und erklärt den Hofnamen. «Meine Frau Michèle und ich führen den Betrieb in vierter Generation. Vor der Aussiedlung 1976 lag der Hof in Marthalen, das früher Martella hiess. So wurde Martella zu unserem Hof- und auch zu unserem Markennamen», erklärt er.

Mit der Direktvermarktung haben sie 2015 begonnen, als sie den Hof übernahmen. «Wir hatten früher einen Ackerbaubetrieb von 26 ha. Ich wollte aber als Familie von der Landwirtschaft leben können», sagt er. Sein Ein und Alles sind denn auch seine Frau Michèle und die vier Töchter Malea, Kaja, Amira und Daria.

Die Chance sah die Familie in der Freilandhaltung von Poulethühnern und Schweinen und der Direktvermarktung. Sie begannen mit einzelnen Verkaufstagen und klapperten systematisch Restaurants, Detailhändler und andere Hofläden ab, um Absatzkanäle zu finden. Ihr Fleisch fand Anklang, sodass sich die Investition in einen Hofladen lohnte. Neben seinen Fleischstücken sind auch Produkte von Nachbarbetrieben im Sortiment. «Saisonal und regional ist unser Ding. Nicht infrage kommen importierte Produkte oder Dekosachen», sagt Wipf.

Michèle, seine Mutter, ein pensionierter Chauffeur und ein landwirtschaftlicher Angestellter sind auf dem Hof beschäftigt und beim Abpacken helfen zehn Leute mit.

Den Dialog mit Kunden pflegen

Fürs Büro ist Reto Wipf allein zuständig – auch für die Beantwortung der E-Mails, wo Kunden wissen wollen, wie er füttert und ob die Schweine wirklich draussen gehalten werden. «Solche E-Mails gibt es praktisch täglich. Ich beantworte jedes. Es ist auch eine Form von Dialog, die man als Direktvermarkter pflegen muss.»

Im Ackerbau probiert Wipf jedes Jahr etwas Neues aus. Im Vorjahr waren es Eiweisserbsen, die zu Falafel und Burger verarbeitet werden, in diesem Jahr Linsen – vielleicht werden es 2025 Kichererbsen oder Essiggurken. Alles wird im Martella-Hofladen zu finden sein.

Betriebsspiegel Martella-Hof
Reto und Michèle Wipf, Marthalen
Ackerfläche: 43 ha
Tierhaltung: Freilandpoulet und Freilandschweine
Absatzkanäle: Hofladen, Onlineshop, Lieferservice für Restaurants, Metzgereien, Bäckereien und andere Hofläden