5G spaltet die Gesellschaft. Auch die Bauernschaft muss abwägen, ob sie den Mobilfunkanbietern ihr Land für die Errichtung von Antennenmasten anbietet oder nicht. Der Druck ist gross.

Grauer Star wegen Antenne?

Die Mobilfunkanbieter locken mit hohen und sicheren Erträgen für mehrere Jahre und auch der Bund erwartet einen raschen Ausbau des 5G Netzes mit Unterstützung der Bauernschaft. Auf der anderen Seite wurden bereits schlechte Erfahrungen mit der Gewährung von Antennen in der Nähe von Höfen gemacht, so z.B. auf dem Rütlihof in Reutlingen bei Winterthur (Quelle siehe untern), wo mehr als 50 Kälber mit grauen Star (nukleärer Katarakt) geboren wurden.

 

Informationen des Bundes

Das Bundesamt für Kommunikation Bakom hat eine FAQ-Seite zu 5G zusammemgestellt: Fragen und Antworten zu 5G

Weitere Fragen beantwortet das Bakom auch zu einem Bericht rund um Mobilfunk und Strahlung.

 

Was gibt es zu beachten?

Die Angst ist gross, dass sich durch die Nutzung von 5G gesundheitliche Schäden an Mensch und Tier einstellen könnten. Was ist objektiv – jenseits der Interessen einer jeglichen Partei – bei der Frage zu beachten, ob die Errichtung von Antennenmasten von der Bauernschaft zugelassen werden sollte und wie sieht es mit bestehenden Verträgen aus? Die dringendsten Fragen klären wir hier.

1. Was ist 5G?

5G ist eine technische Weiterentwicklung des Mobilfunkstandards 4G (LTE), baut also auf diesem auf. Wichtig dabei ist es zu wissen, dass dieser Standard für sich nicht abgeschlossen ist und Veränderungen der Spezifikation stetig mit der Zeit durchgeführt werden. Dieses bezeichnet die Telekommunikationsbranche als «Langzeit Evolution». Streng genommen kann man daher nicht von einem Standard sprechen.

2. Wie unterscheidet sich 5G von bisherigen Mobilfunkstandards?

5G nutzt wesentlich intensiver alle Ressourcen, die für die Funkübertragung genutzt werden können. 5G beruht im wesentlichen auf drei Faktoren:

  • intensiver Nutzung bestehender und vieler neuer Frequenzbänder

Die bisherigen Mobilfunkstandards (GSM, UMTS, 4G) nutzen die Frequenzbänder 800, 900, 1800, 2100 und 2600 MHz. Das sind insgesamt 485 Millionen Frequenzen (485 MHz Bandbreite). Für den Mobilfunk kommen zu den bisherigen Frequenzen die drei Frequenzbänder 700, 1400, 3600 MHz dazu. Da der Bund diese Frequenzbänder Anfang 2019 ohne Technologieauflagen versteigert hat, können bereits heute mehr als eine Milliarde Frequenzen (1030 MHz Bandbreite) für 5G genutzt werden. Weitere neue Frequenzbänder sind bereits für die weltweite Nutzung von 5G reserviert und sollen folgen.

  • dichtem Netzwerk von Antennen (im Innen- und Aussenbereich)

Für den Nicht-Fachmann stellt sich die Frage, weshalb sind überhaupt neue Antennen notwendig, wenn die Technik besser und schneller als je zuvor ist? Zumal in der Schweiz eine Vollversorgung mit Mobilfunk vorliegt.
Für hohe Bandbreiten und damit der Möglichkeit grosse Datenmengen zu übertragen, benötigt man hohe Frequenzen, z.B. die freigegebenen 3600 MHz. Je höher jedoch die

 

 

Frequenz gewählt wird, desto mehr Verluste entstehen bei der Funkübertragung und somit ist die Reichweite viel kürzer als mit einer tiefen Frequenz. Deshalb müssen die Antennen wesentlich näher an die Smartphones und damit steigt die Menge der Antennen um ein Vielfaches. Die Mobilfunkanbieter sind deshalb auf der Suche nach geeigneten neuen Antennenstandorten.

Aufgrund der hohen Frequenzen können die erzeugten Strahlen zudem nicht so einfach wie die bisherigen Mobilfunkstrahlen Hindernisse wie z.B. Mauern durchdringen. Aus diesem Grund müssen die Mobilfunkantennen bei 5G die Strahlung stärker und gerichteter bündeln. Dazu werden neue Techniken wie adaptive Antennen (eng: beam- forming) eingesetzt.

  • sehr hoher Anzahl von Endgeräten

Für 5G unterstützt nicht nur die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine, sondern vielmehr auch die Maschine-zu-Maschine Datenübertragung (M2M). Damit können neue Absatzmärkte geschaffen werden. Beispielsweise die direkte (menschenunabhängige) Kommunikation zwischen fahrenden Autos oder die autonome Haussteuerung und -überwachung mit tausenden von Sensoren und Motoren (Smart- Home, Smart-Building). Deshalb unterstützt 5G bis zu einer Million Geräte pro Quadratkilometer.

Ist einer der vorstehend genannten Faktoren nicht gegeben, verliert 5G technisch sehr schnell an Attraktivität gegenüber den bestehenden Funktechnologien.

 

EMV-Electronics

Die Autorin dieses Textes ist Geschäftsführerin der EMV-Electronics GmbH. Das Unternehmen beschäftigt sich mit dem Verkauf elektronischer Bauteile und Module, sowie der Beratung im Bereich Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV). EMV bezeichnet die Störfreiheit elektrischer Geräte mit ihrer Umwelt. 

EMV-Electronics bezeichnet sich selbst auch als 5G-Kompetenzzentrum und veranstaltet Seminare und Vorträge zu diesem Thema. 

Weitere Informationen auf der Website von EMV-ELectronics.

 

3. Ist klar definiert, welche Frequenzen von einer Antenne gestrahlt werden dürfen?

Das hängt sicherlich von den Verhandlungen mit den Mobilfunkanbietern und ggf. dem Inhalt bereits bestehender Verträge ab. Da alle Betreiber (Swisscom, Salt und Sunrise) die Frequenzbänder technologieunabhängig vom Bund (BACOM) für 15 Jahre in 2019 ersteigert haben, bestimmen diese selbst, welche der freigegebenen Frequenzen von der Antennenanlage benutzt werden. Ihnen obliegt auch die Entscheidung, ob die Antennenanlage einen oder mehrere Funkstandards gleichzeitig unterstützt.

4. Welche Grenzwerte gibt es und wie werden diese überwacht?

In der Schweiz gibt es dazu zwei Arten von Grenzwerten, einen Immissionsgrenzwert (IGW) und einen Anlagengrenzwert (AGW). Der IGW darf an einem Ort generell nicht überschritten werden, an dem sich Menschen aufhalten können. Er ist höher als der Anlagengrenzwert und ist abgestuft und abhängig von der Frequenz der Strahlung. Er wird als Effektivwert in der Einheit der elektrischen Feldstärke in Volt pro Meter (V/m) angegeben. Er liegt beispielsweise für 900 MHz bei 42 V/m und für 3600 MHz bei 61 V/m. Um die tatsächliche Belastung durch Funkstrahlung zu bestimmen, müssen alle Funkdienste (öffentlicher Mobilfunk, Radio- und Fernsehfunk, Bahnfunk, Polycom, usw.) frequenzabhängig summiert werden, um die tatsächliche Belastung an einem Ort zu bestimmen.

Dagegen gilt der Anlagengrenzwert (AGW) ausschliesslich für die einzelne Funkanlage. Er liegt je nach Anlagentyp zwischen 4,0 und 6,0 V/m. Er wurde bewusst so gewählt, dass er etwas weniger als 10% des Immissionsgrenzwertes ausmacht. Dieser

 

 

Grenzwert gilt jedoch nur für Orte mit empfindlicher Nutzung. Das sind Räume in Gebäuden, in denen sich Personen regelmässig während längerer Zeit aufhalten. In der Regel davon ausgenommen sind Tierställe.

Die Überwachung der Grenzwerte kann grundsätzlich nur durch systematische Messungen erfolgen. Dieses stösst jedoch in der Praxis an Grenzen. Die Strahlung, welche Mobilfunkbasisstationen erzeugen, ist zeitlich nicht konstant und schwankt stark in Abhängigkeit der Auslastung und der Verbindungsqualität. Beim Einrichten einer Basisstation wird beispielsweise nicht bei Volllast gemessen, sondern bei einer bestimmten aktuellen Last und auf die maximale zulässige Leistung hochgerechnet. Auch die Messung der elektrischen Feldstärke selbst ist mit einer Messunsicherheit zwischen +/- 22% bis +/- 45% belegt und erfordert vom Messenden Erfahrung und teure Messtechnik. Zu den Unzulänglichkeiten bei der Überwachung der herkömmlichen Funknetze kommt jedoch bei 5G die Schwierigkeit, das «Beam-forming» zu messen. Herkömmliche Messverfahren wie die bei UMTS oder LTE können dafür nicht eingesetzt werden, da sie falsche Messergebnisse bei dieser Art von Bündelstrahlung liefern.
Wie aus einem Schreiben vom 31. Januar 2020 vom Bundesamt für Umwelt BAFU an die zuständigen Stellen der Kantone hervorgeht, ist man sich dieser Problematik inzwischen bewusst und arbeitet an einer Ausarbeitung einer Messempfehlung für die Schweiz, da es weltweit dazu noch keine gibt. Damit ist die Frage nach Überwachung der Grenzwerte für 5G erst einmal hinfällig.

5. Hat 5G Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier?

An dieser Frage scheiden sich die Geister. Einig sind sich alle Beteiligten lediglich darüber, dass elektromagnetische Strahlung und damit auch Mobilfunkstrahlung, ab einer gewissen Dosis grundsätzlich schädlich für den lebenden Organismus ist. Ungeklärt ist nur, ab welcher Strahlungsintensität, Strahlungsdauer und bei welcher Strahlungsart (lange/mittlere/kurze Wellen) eine Schädigung eintritt. Fest steht, dass die bei 5G genutzten Frequenzen mit ihren kurzen Wellen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den lebenden Organismus noch nicht hinreichend erforscht sind. Sollten Schäden auftreten, so kann nach derzeitiger Gesetzeslage nicht ausgeschlossen werden, dass auch der Bauer, auf dessen Grundstück die schädigende Antenne steht, in die Haftung genommen wird. Dieses wird durch individuelle und langfristige Verträge von bis zu 20 Jahren zwischen dem Betreiber und dem Land- und Immobilienbesitzer begünstigt.

6. Schafft 5G Arbeitsplätze in der Landwirtschaft und steigert die Produktivität?

Arbeitsplätze werden direkt am Hof durch 5G nicht geschaffen. Die Frage höherer Produktivität mag im Einzelfall positiv beantwortet werden – je nach Struktur und Produktionszweig eines Hofes – sie muss aber abgewogen werden mit den zu tätigenden Investitionen für die 5G-fähigen Geräte. Dabei sollte neben der permanenten Wartung, der Software-Aktualisierung auch die Frage der Zuverlässigkeit der digitalen Infrastruktur abgeklärt werden. Da die Anwendungen von 5G in der Landwirtschaft derzeit technisch nicht erprobt sind, ist eine Produktivitätssteigerung noch ungewiss.

Quelle: Hässig M. et al (2011): Vermehrtes Auftreten von nukleärer Katarakt beim Kalb nach Erstellung einer Mobilfunkbasisstation. Departement fur Nutztiere, Abteilung Ambulanz und Bestandesmedizin. Zurich 2011