"Heute ist es nicht mehr ganz so selbstverständlich, dass man den Strom aus der Steckdose und den Treibstoff von der Tankstelle bezieht." erklärt Martin Huber, Direktor vom BBZ Arenenberg, an der Swiss Future Farm in Tänikon eine Medienorientierung zu erneuerbaren Energien im Thurgau. "Angesichts dessen, dass Grosssysteme wie Atomkraftwerke zunehmend umstritten sind, werden kleinere Systeme zur Energieproduktion immer interessanter, ganz besonders auch in der Landwirtschaft." Hier sind 7 Projekte in und ausserhalb des Kantons Thurgau die zeigen wie Energie lokal und regional produziert werden kann und welche Rolle dabei die Landwirtschaft spielt.
1. Biogasanlagen: Verwertung von biogenen Abfälle und Hofdünger
Mit dem kantonalen Biomassekonzept, das 2014 eingeführt wurde, sollen biogene Abfälle und Hofdünger vermehrt energetisch genutzt werden. Laut Rainer Jahnke von der Abteilung Energie des Kantons Thurgau wird das grosse Potenzial von Biogasanlagen noch zu wenig genutzt. Allerdings gibt es dabei auch einige Hürden. Zum Beispiel sind neue Anlagen ohne Förderbeiträge wie die kostenorientierte Einspeisevergütung (KEV) kaum zu realisieren. Doch dieses Fördersystem vom Bund für erneuerbare Energien hat lange Wartefristen und läuft Ende Jahr in seiner heutigen Form aus. "Gefragt sind daher auch weniger aufwendige Anlagen und neue Geschäftsmodelle", sagte Jahnke. Mittels Lastmanagement und Batteriespeicher beispielsweise liessen sich Schwankungen besser ausgleichen. Eine Biogasanlage der Region steht in Herdern. In Tuttwil wird zudem die erste Feststoffvergärungsanlage betrieben. Schweizweit gibt es etwa 100 Biogasanlagen, 40 weitere sind in Planung. Ein weiteres Beispiel ist die mobile Kleinbiogasanlage des Pioniers Hanspeter Neukomm aus Thayngen (SH), der bereits vor 40 Jahren ein eigenes Biogaswerk baute.
2. Blockheizkraftwerke: Heizsystem mit Holzschnitzeln
Joël Heggli von der Firma Heim Heizsysteme in Aadorf stellte das Blockheizkraftwerk (BHKW) vor, das mit Holzschnitzeln betrieben wird, welche nachwachsend und CO2-neutral sind. Das Interesse dafür sei gross, doch es sei noch immer schwierig, ein Blockheizkraftwerk wirtschaftlich zu betreiben. Die Fördergelder sollten besser auf mehr Projekte verteilt werden, monierte Heggli. Die Landwirtschaft sei prädestiniert für diese Art von Energiegewinnung, da sie über genügend Platz und Maschinen verfüge. Zudem könne die Wärme zum Trocknen von Getreide und Heu oder zum Heizen des Stalles verwendet werden.
3. Aus Gülle wird Biomethan
Markus Zeifang vom Forschungskompetenzzentrum SCCER Biosweet in Villigen (AG) zeigte auf, wie kleinere und mittlere Betriebe ihren Hofdünger für die Produktion von Biomethan nutzen können. Dabei wird Hofdünger in feste und flüssige Teile getrennt. Während die Dünngülle auf der hofeigenen Biogasanlage nassvergärt wird, werden die festen Bestandteile zu einer regionalen Trockenvergärungsanlage mit Anschluss ans Gasnetz geführt. "Bei kleineren Betrieben lohnt sich dies jedoch erst, wenn sich mehrere zusammen tun und gemeinsam eine zentrale Gasanlage nutzen", sagte Zeifang.
4. Biogas-Tankstelle in der Nähe
Werden dereinst Traktoren mit Biogas angetrieben, könnte für manchen Bauer der weite Weg zur nächsten Biogas-Tankstelle eine Hürde sein. Sogenannte Inseltankstellen, die an eine lokale Biogasanlage angeschlossen sind, böten hier Hilfe, so Ueli Oester, Geschäftsführer der Firma Apex in Däniken (SO). Er hat diese Idee bereits schon umgesetzt und denkt einen Schritt weiter: "Interessant ist zudem die Möglichkeit, das produzierte Gas in bestehende Leitungen einzuspeisen und so als Gasspeicher zu nutzen."
5. E-Mobilität: Hof-Fahrzeuge elektrisch betreiben
"Kleinere Fahrzeuge wie etwa ein Hoflader können gut elektrisch betreiben werden", sagte Nicolas Helmstetter von der GVS Agrar Landtechnik, Partnerin der Swiss Future Farm. Für einen Traktor werde es schwieriger, da dieser viel mehr Kraft benötigt, nur schon der Akku müsste extrem viel wiegen. "Für Traktoren kommen dagegen alternative Energiequellen wie Methangas in Frage." Ein Vergleich dazu: Wenn der Mist einer Milchkuh jährlich 919 m3 Methan liefert, könnte damit ein 80 PS starker Traktor etwa 130 Stunden pro Jahr angetrieben werden. Noch stehen der Swiss Future Farm aber keine Biogas-Traktoren zur Verfügung, dafür kleinere Maschinen mit Elektroantrieb.
6. Agrophotovoltaik: Solarpanel über dem Acker
Bernhard Müller, Leiter Regionale Entwicklung am BBZ Arenenberg, warf einen Blick über die Landesgrenze und stellte eine Agrophotovoltaik-Anlage auf einem Biobetrieb in Stockach (D) vor. Dabei wurden Solarpanels fünf Meter über einem Acker installiert. Dieser kann weiterhin für Kulturen oder Nutztierhaltung verwendet werden, gleichzeitig lässt sich aber auch Strom gewinnen. Dieser wird dem Betrieb zugeführt und kann ganz unterschiedlich genutzt werden, beispielsweise für elektrisch angetriebene Maschinen und Fahrzeuge oder im Sommer, um das Heu zu belüften. Da es aber in Deutschland bezüglich der Förderung erneuerbarer Energien und Betriebsgrössen andere Rahmenbedingungen gibt, ist hier kein direkter Vergleich zur Schweiz möglich.
7. Kombinierte Solar- und Windenergie ganz ohne Geräusche
Der Energy-Tower, den Hans Rüdlinger von der Firma New-Green-Tec präsentierte, ist eine Kombination aus Solar- und Windenergie. "In China sind solche Kombikraftwerke vielerorts zu sehen, in Europa hingegen kennt man sie noch kaum", sagte Rüdlinger. Ihre Vorteile lägen darin, dass sie geräuschlos funktionieren, keinen Vogelschlag verursachen und modular zusammengesetzt werden können. Es gibt auch eine mobile Variante, die man auf einen Anhänger laden und beispielsweise mit auf die Alp nehmen kann, um dort eine unabhängige Stromversorgung zu ermöglichen.
Wirtschaftlich interessant
Einige der genannten Techniken sind bereits etabliert, andere stecken noch in den Kinderschuhen oder benötigen unterstützende Förderung, damit sie sich verbreiten können. Manche Projekte ergänzen sich zudem und ermöglichen Synergien. Auch in wirtschaftlicher Hinsicht besteht viel Potenzial: "Die Landwirtschaft kann dabei zu einem wichtigen Energiepartner werden", stellte Martin Huber abschliessend fest. "Dazu ist es oftmals sinnvoll, sich mit den entsprechenden Partnern zusammenzutun. Fest steht: Die Entwicklung geht Schritt für Schritt voran."