Wenn das Gras hoch und saftig ist, steht bald der erste Schnitt an. Doch die Freude am betriebseigenen Futter verpufft sofort, wenn der Mähmaschine ein Rehkitz zum Opfer fällt. Es gibt verschiedene Methoden, das zu verhindern. In den letzten Jahren waren Drohnen mit Wärmebildkamera verbreitet und erfolgreich im Einsatz, sie ersetzen aber nicht das klassische Vergrämen, sondern dienen als Ergänzung.

Rehgeissen sollen die Parzelle meiden

Der Schweizer Tierschutz STS empfiehlt, einen Tag vor dem geplanten Mähtermin flatternde Aluminiumbänder oder CDs an Pfosten an der Wiese aufzustellen (Verblenden). Damit sollen Rehgeissen davon abgehalten werden, ihre Kitze auf diese Parzelle zu bringen. Das könne auch mit Duftstoffen wie dem Geruch eines Raubtiers funktionieren (Verwittern). Samuel Furrer, Geschäftsführer des Fachbereichs Wildtiere beim STS ist skeptisch bezüglich der Wirkung einer akustischen Vergrämung. Entsprechende Geräte wurden kürzlich als besonders einfach anwendbar beworben. Die Idee wäre, dass Rehgeissen dadurch ihren Nachwuchs selbst umplatzieren oder gar nicht dorthin führen. «Einerseits ist ein Gewöhnungseffekt an die Signale zu erwarten, andererseits ducken sich junge Rehkitze bei Gefahr nur noch tiefer in die Vegetation. Ein Vertreiben ist so nicht möglich», hält Furrer fest.

Erfolgsversprechender ist da das Anmähen der Parzelle am Vortag. Generell reichen Präventionsmassnahmen aber nicht aus, um Unfälle zu verhindern, heisst es beim STS.

Trotzdem flexibel beim Mähen
Bei der HAFL-Methode mit der Drohne können Landwirte ihre Flächen beim Verein Rehkitzrettung Schweiz anmelden. Damit möglichst ohne blutigen Zwischenfall auch relativ kurzfristig auf das Wetter reagiert werden kann, suchen die Rettungsteams die angemeldeten Parzellen vor der Mahd etwa wöchentlich ab. So bereits frühzeitig aufgespürte Rehkitze werden vor Mähbeginn als erste gerettet, was angesichts der wenigen Morgenstunden mit optimalen Flugbedingungen wertvolle Zeit spart. Die Suche geht auf weiteren angemeldeten Wiesen weiter, da laufend neue Jungtiere dazukommen können. So überwachen die Rettungsteams die Felder von mehreren Landwirten gleichzeitig.
Für eine Fläche von zwei bis drei Hektaren rechnet man mit einem Zeitaufwand von 20 bis 30 Minuten (Anfahrt, Auspacken, Einrichten usw. eingerechnet). Nachdem die ganze Wiese abgesucht worden ist, steuert der Pilot die Drohne zum Fundort und markiert so den Standort eines Kitzes. Da sich die Retter selbst auf dem live übertragenen Wärmebild der Kamera sehen, können sie rasch zum Kitz navigieren und es in Sicherheit bringen.

Verschiedene Möglichkeiten auf dem Boden

Vor Mähbeginn sollte die Fläche auf versteckte Rehkitze abgesucht werden. Der STS nennt dafür folgende Methoden:

Hunde: Gut ausgebildete Such- und Vorstehhunde können Kitze aufspüren, pro Wiese braucht es aber mehrere Hunde.

ISA-Wildretter: Dabei handelt es sich um einen 5,5 Meter langen Stab mit Infrarotdetektoren, der in einem Meter Abstand vom Boden über die Wiese getragen wird. Braucht Übung und sollte am besten gemeinsam angeschafft werden, um die Kosten zu verteilen und gleichzeitig genügend Einsatzkräfte verfügbar zu haben.  

Sensoren an der Mähmaschine: Infrarotsensoren an einem Arm seitlich an der Mähmaschine, entwickelt von Claas in Deutschland. Anfällig für Fehlalarme und nur für sehr ebene und grosse Flächen geeignet.

Sensoren am Balken: Das Kitz wird optisch in der Wiese erkannt und ein Warnsignal in die Traktorkabine geleitet. Dank Beleuchtung unabhängig von Licht und Temperatur. Je nach Modell mit automatischem Anheben der Mäheinheit. Das System Sensosafe von Pöttinger soll dieses Jahr in der Schweiz erstmals getestet werden.

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Bewährte Rettung aus der Luft

Bei der Rehkitzrettung per Drohne fliegt das Gerät mit einer Wärmebildkamera auf einer zuvor programmierten Route über die Wiese. Das ist nicht nur weniger anstrengend als die Suche am Boden, sondern schont auch den Grasbestand. Geflogen wird am frühen Morgen, da so die warmen Körper der Rehkitze im kühlen Gras am besten sichtbar sind. Mit dieser Methode konnten 2021 über 2'500 kleine Rehe vor dem Tod im Mähwerk bewahrt werden.

Der Verein Rehkitzrettung Schweiz bietet die Dienste von Rettungsteams mit ausgebildeten Drohnenpiloten für Landwirte kostenlos an. Noch sind sie aber nicht in der ganzen Schweiz überall verfügbar.

Nur mit Ausbildung selber fliegen

Um flexibler und unabhängiger zu sein, scheint der Kauf einer eigenen Drohne für die Rehkitzrettung attraktiv. Wichtig ist aber laut Jon Cantieni, Präsident des Vereins Rehkitzrettung Schweiz, dass die Piloten gut ausgebildet sind. «Sowohl beim Fliegen der Drohne als auch um Umgang mit den Kitzen gibt es einige wichtige Punkte zu beachten», betont er. Die Kosten für die Ausrüstung zum Absuchen belaufen sich insgesamt auf mindestens rund 4'000 Franken, schätzt der Verein. Dies unter der Voraussetzung, auch etwas Eigeninitiative aufzubringen. Dafür bekommt man einen Quadcopter mit vier zusätzlichen Akkus für eine Flugzeit von etwa 90 Minuten, eine leistungsfähige Wärmebildkamera mit Schnittstellenmodul (sie sollte am besten nicht fest eingebaut sein, um sie im Bedarfsfall einfach ersetzen zu können), die Kamerabefestigung, einen Monitor sowie passende Software. Für die Steuerung braucht es ausserdem ein Tablet oder Smartphone. Verschiedene Anbieter (siehe Textende) verkaufen auch einsatzfertige Lösungen.

Neben geeignetem Gerät und einer fundierten Ausbildung braucht es im Weiteren für die erfolgreiche Rehkitzrettung per Drohne einen Teampartner, genauer einen Jäger mit viel Erfahrung im Revier, der den Bildschirm der Wärmebildkamera beobachtet und die Jungtiere in Sicherheit bringt.

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Diese Flächen sind gefährdet
Rehkitze verstecken sich in der Regel in Wiesen in Waldnähe, wenn das Gras zwischen 30 und 130 Zentimeter hoch steht. Wenn bei trockenem und heissem Wetter im März oder April Naturwiesen langsamer wachsen, nutzen Rehgeissen auch dicke Ansaatwiesen mit viel Klee als Alternative. Die Hauptsetzzeit der Rehe ist laut Rehkitzrettung Schweiz von April bis Mitte Juli, bis Ende Mai sei die Hälfte der Kitze geboren. Grundsätzlich wird empfohlen, das Feld von innen nach aussen zu mähen, um Wildtieren die Flucht zu ermöglichen. Grenzt die Fläche an eine Strasse, sollte vom Verkehrsweg weg gemäht werden, im Fall eines nahen Waldrands in Richtung Bäume.

Vor dem Mähen Jäger informieren

Generell ist die Rolle der Jägerinnen und Jäger bei der Rehkitzrettung nicht zu unterschätzen. «Seit Jahrzehnten kümmern sich die Jägerinnen und Jäger um die Rehkitzrettung. Damals wie heute ist die Kommunikation zwischen der Landwirtschaft und der Jagd der zentralste Punkt», erläutert David Clavadetscher, Geschäftsführer von JagdSchweiz. Die Jägerschaft hilft bei den Suchaktionen, koordiniert und kann beim Einsatz von Drohnen entweder beraten, welche Flächen abgesucht werden sollen oder ist idealerweise fester Teil der Rettungsteam.

Vor dem Mähen sollten die Jäger in der jeweiligen Gemeinde informiert werden, fährt Clavadetscher fort. Gilt im Kanton die Revierjagd, wendet man sich an die zuständige Jagdgesellschaft oder – im Fall der Patentjagd – direkt an die Jägerschaft. «Die Landwirt(innen) sind das erste Glied in der Kette bei der Rehkitzsuche. Sie müssen das Telefon in die Hand nehmen», appelliert der Geschäftsführer von JagdSchweiz. Dank Handy ist schnell ein Rettungstrupp aufgeboten.

Ausrüstung zur Rehkitzrettung:

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Was tun mit gefunden Rehkitzen?

Von der Mutter nach der Geburt abgeleckt haben Rehkitze keinen Eigengeruch. Damit das so bleibt und sie weder verstossen noch von Raubtieren aufgespürt werden, dürfen die Jungtiere nicht direkt angefasst werden. Der STS empfiehlt, sie nur indirekt durch eine Schutzschicht aus Gras zu berühren und ausserdem vorher die Hände gründlich mit frischem Gras und Erde einzureiben. Es gibt zwei Möglichkeiten:

Ummähen: Fundort markieren und Kitz mit einer Kiste abdecken. Anschliessend in den gemähten Schwad verstellen und weiter mähen. Dieses Vorgehen könne aber bei grosser Hitze und lauter Maschine problematisch sein.

Wegtragen: Kitz in einer Holzkiste an den Waldrand tragen und im Schutz einiger Büsche abstellen. Nach der Mahd wieder freilassen.

Wurde ein Rehkitz gefunden, sollte nach einem Zweiten Ausschau gehalten werden, da Ricken mehrheitlich zwei Kitze setzen. Abends kommt die Rehgeiss in der Regel zurück zum Säugen und führt ihren Nachwuchs zumeist in ein neues Versteck.

Gesundheitliche und rechtliche Folgen
Abgesehen vom Tierleid und davon, dass ein vermähtes Rehkitz für die betroffenen Landwirt(innen) ein grausamer Anblick und mit tiefen Schuldgefühlen verbunden ist, kann ein solcher Vorfall auch rechtliche Folgen haben. Nicht zuletzt besteht bei durch Kadaver verschmutztem Futter die Gefahr von Botulismus beim Vieh.
 «Wenn Bäuerinnen und Bauern die Felder nicht absuchen lassen und es zu Vorfällen kommt, so kann das – je nach Situation – ein Verstoss gegen das Tierschutzgesetz sein», gibt David Clavadetscher von JagdSchweiz ausserdem zu bedenken. Er empfehle in solchen Situationen, das Gespräch mit den Betroffenen zu suchen und Lösungen zu finden. Vermähte Rehkitze müssen der Wildhut gemeldet werden.
Was die Entschädigung für den Aufwand zur Rehkitzrettung angeht, so vergibt IP-Suisse 0,5 Punkte im Programm für Biodiversität an Landwirte, die sich jährlich auf dem eigenen Betreib mindestens 12 Stunden dafür einsetzen.