«Am Pulling fasziniert mich alles, das Arbeiten in der Werkstatt, die Power der Traktoren, das Fahren selber und natürlich die Wochenenden mit den gleichgesinnten Kollegen», schwärmt Claudia Langenegger. «Claudia ist die erfolgreichste Pullerin in der 2,5-Tonnen-Sportklasse», erklärt Mike Ritter. Der gelernte Lastwagen-Mechaniker ist Logistikleiter der Transport-Firma Käppeli Logistik AG und der «Chef-Machaniker» des Pulling-Teams Zona Verde. «Er überlegt sich, was wir wie abändern, ich bin dann die Handlangerin», sagt Claudia Langenegger. Ritter relativiert: «Wir haben drei Traktoren und alle helfen bei allen. So kümmert sich Claudia zum Beispiel ums Reifen-Schnitzen.»
Einen Traum erfüllt
Die beiden gehören dem Pulling-
Team Zona Verde aus Sargans SG an. Rund dreissig Personen umfasst der Verein, grösstenteils Mitarbeiter der Firma Käppeli. Fünf bis sechs Mitglieder treffen sich regelmässig zum «Schrauben». Drei davon kommen an den Pullings als Fahrer zum Zug. Eine davon ist Claudia Langenegger. Die gelernte Kauffrau arbeitet heute als Lastwagenchauffeuse bei Käppeli: «Ich habe mir damit einen Traum erfüllt.»
Eine Frau in der Männerdomäne
«Ich wollte schon lange Lastwagen fahren», erklärt die 27-Jährige. So absolvierte Claudia Langenegger neben ihrem Job die Lastwagenprüfung. «Ich habe hier sofort eine Stelle gefunden, ansonsten kann es aber schon schwer sein für Frauen.» Die Firma Käppeli hat sie vorher nicht gekannt. «Hier kam ich auch mit dem Pulling in Kontakt.»
Und die zierliche Frau behauptet sich gegen die grösstenteils männliche Konkurrenz. So konnte sie dieses Jahr in Knutwil LU und Puplinge GE das Pulling für sich entscheiden. Und an den Schweizermeisterschaften resultierte sogar eine Bronze-
medaille.
Erfahrung, Budget und eine Spur Glück
Grundsätzlich habe es mit Erfahrung und dem nötigen Budget zu tun, ob man vorne mit dabei sei: «Verbaut man von Anfang an die richtigen und daher meistens auch die teureren Komponenten, kann man schnell vorne mitmischen.» Aber: «Der Fahrer macht natürlich viel aus, es braucht ein gewisses Gefühl dafür», so Mike Ritter. Und Claudia meint lachend: «Das habe ich wohl.»
Auf den letzten zwei Metern brauche es auch noch eine Spur Glück. «Es ist auch immer ein Tüfteln, wer die besten Einstellungen vornimmt am Wettkampftag und sich den Gegebenheiten am besten anpasst.» Während der Fahrt muss auf einiges geachtet werden: «Ich muss auf die Anzeigeinstrumente achten, auf den Flagman, der die Flagge hält und natürlich auf die Fahrtrichtung.» Besonderes Gespür braucht es schon zu Beginn: «Am schwierigsten ist das Anfahren.»
Das Team startet meist an allen Pullings in der Schweiz und an einem im Ausland. «Dieses Jahr waren wir an elf Veranstaltungen», so Langenegger. Die Firma Käppeli unterstützt sie dabei: «Ohne all unsere Sponsoren würde das nicht gehen.»
Ein blauer Ford aus Österreich
«Wir haben uns früher im Elsass Pullings angesehen und das faszinierte uns. Nachdem wir 2010 ein Pulling in Bad Ragaz besucht hatten, wollten wir auch mitmachen», erklärt Mike Ritter. Und so begann die Suche nach einem geeigneten Traktor. In Österreich wurden sie schliesslich fündig, ein Ford 8100 mit Jahrgang 1979.
«Ford-Traktoren haben eine gute Basis für all die technischen Ver-änderungen, welche im Pulling nötig sind», so Ritter. «Zudem gab es zu dem Zeitpunkt in der Schweiz schon einige Puller, die auf Ford setzten. Dort konnten wir auch Fragen stellen.» Doch was muss den geändert werden? «Kurz gesagt wird die Hinterachse, der Motor und das Getriebe umgebaut».
Fast alles umgebaut
Der neongrüne Traktor verfügt kaum mehr über Ähnlichkeiten mit einem Ford 8100. Der Motor war ursprünglich für 80 PS gebaut und das Getriebe für maximal 30 km/h ausgelegt und musste daher umgebaut werden. «Am Motor haben wir das Verdichtungsverhältnis verändert, an den Zylinderköpfen grössere Ventile verbaut und die Ein- und Auslasskanäle geschliffen, eine grössere Einspritzpumpe aufgebaut und einen grösseren Turbolader angebracht», so Ritter.
Auch im Bereich der Kupplung wurde umgerüstet. «Wir haben eine Vierscheiben-Fliehkraftkupplung eingebaut.» Diese wird beispielsweise auch bei Viertelmeilen-Dragster-Rennen verwendet. «Diese Kupplung ermöglicht uns das Losfahren am Start mit diesen Raddrehzahlen, respektive dieser Geschwindigkeit», so der Mechaniker. «Man muss sich vorstellen, die Kupplung wird extremen Belastungen ausgesetzt: Wir fahren mit einem Gang, der zirka 52 km/h schnell ist. Mit diesem einen Gang müssen wir von 0 km/h beschleunigen und das mit einem zwölf Tonnen schweren Bremswagen angehängt. Das ist wie mit einem Auto am Berg im 5. oder
6. Gang mit Vollgas und schleifender Kupplung anzufahren.»
Aus Schwer- wurde Leichtgewicht
Knackpunkt in den Sportklassen ist das Gewicht. «Wir haben einen Traktor, der original um die fünf Tonnen wiegt, und müssen diesen auf 3,6 respektive 2,5 Tonnen Gesamtgewicht umbauen.» Der gesamte Traktor muss also leichter werden, das Problem: «Wir verbauen viele Teile die schwerer sind als am Original, zum Beispiel den Turbolader.» Beim besagten Ford wog der original Turbolader rund sechs Kilogramm, der neu aufgebaute fast zwanzig.
Wie aber senkt man dann das Gesamtgewicht? «Wir bauen einen komplett neuen Rahmen, demontieren alle Hydraulikkomponenten und fahren mit ganz wenig Öl.» Normalerweise hätte der Traktor 45 Liter Hinterachsöl, sie fahren mit zwölf. Die Räder werden selbst hergestellt und leichter gebaut. «Die Vorderachse wird ganz leicht gebaut.» Die Motorhaube wird aus Polyester und dünnem Blech gefertigt und die originalen Bremsen kommen weg. Zudem kann es nützlich sein, einen leichten Fahrer zu haben, dann darf der Traktor etwas mehr wiegen.
Ganz frei sind die Puller bei ihren Umbauten aber nicht. «Wir unterstehen dem europäischen Pulling-Reglement», so Ritter. «Alles was wir bauen muss dem Reglement entsprechen, so zum Beispiel welche Schrauben wir verwenden oder welche Materialstärken.» Vor jedem Start werden sicherheitsrelevante Sachen kontrolliert, wie etwa der «Notaus», wo man vom Bremswagen aus die Luftzufuhr abstellen kann. Und: «Wenn am Motor etwas geändert wird, kommt ein Kontrolleur vorbei und schaut sich das am offenen Motor an.»
Und wieso rauchen die Traktoren so schwarz? «Wir lassen eigentlich zu viel Diesel rein», erklärt Ritter. Dieser dient der Kühlung: «Mit weniger Diesel hätten wir eine heissere Verbrennung.» Theoretisch hätte man so mehr Energie, jedoch wird auch das Abgas umso heisser. «Es gilt immer ein Mittelmass zwischen Energie und Schadensrisiko zu finden. Bei heissem Abgas steigt das Risiko, dass beispielsweise der Turbolader Schaden nimmt.» Bei Umbauten, welche die Leistung steigern, ist generell auch das Risiko hoch, so zum Beispiel, wenn man den Förderbeginn oder die Dieselmenge optimiert. Und: «Bei dem Hobby muss man damit rechnen, dass alles passieren kann. Vor einem Jahr platzte uns bei einem Pulling ein Motor.»
Aus zwei Traktoren wurden drei
Heute hat das Pullingteam Zona Verde drei Traktoren. Zwei Ford und einen New Holland: «Die sind sich aber sehr ähnlich.» Zwei davon fahren in der 3,6-Tonnnen-Supersportklasse, einer in der 2,5-Tonnen-Sportklasse. «Mein Kleiner wurde aus den übrigen Teilen der anderen zwei gebaut», erklärt Claudia Langenegger schmunzelnd. «Wir hatten viel Material übrig, aus dem wir dann einen Dritten gebaut haben.»
Mit diesem fuhr dann Claudia Langenegger. «Wir haben dort einen Sechszylinder-Motor eingebaut, er ist einer der stärksten Traktoren in seiner Kategorie.» Aber auch einer der schwersten. Da ist natürlich ideal wenn man eine leichte, begabte Fahrerin zur Hand hat.
Das Team möchte nun aber den kleinsten Traktor verkaufen: «Dann könnten wir mit einem Lastwagen an die Pullings fahren. Bisher mussten wir immer mit zwei LKWs an die Pullings fahren», erklärt Langenegger. Die Lastwagen werden jeweils von der Firma Käppeli zur Verfügung gestellt. Dass der «Kleine» verkauft wird bedeutet für Langenegger aber nicht das Aus: Sie kann danach mit einem der anderen Traktoren starten.
Tamara Wülser