Markant angezogen hat in den letzten Monaten die Nachfrage für bauliche Vorabklärungen, welche der Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband (LBV) seit 2018 anbietet.

Dafür zuständig ist seit Mai 2019 Adrian Rogger. Er bekomme derzeit fast täglich Anfragen. In weit über 100 Fällen allein in den letzten acht Monaten hat er die Bauern bei ihren Projekten beraten. Er berichtet im Interview über seine Erfahrungen.

Adrian Rogger, warum dieser aktuelle Boom für Bauberatungen?

Im Winter haben die Bauern eher Zeit, sich mit ihrer betrieblichen Zukunft zu befassen. Zudem spielt vielleicht auch das günstige Geld und die gute Marktlage bei den Schweinen eine Rolle für eine höhere Investitionsbereitschaft. Es sind aber auch viele ältere Ställe sanierungsbedürftig.

Dann geht es mehr um Besitzstandswahrung und Sanierungen, oder auch um Aufstockungen mit mehr Tieren?

Meist sind es Umstellungen, die gefragt sind. Aber auch dafür sind die Auflagen eben relevant. Bei jedem Baugesuch, das Schweine und Hühner betrifft, müssen die Ammoniakemissionen um 20 Prozent reduziert werden, und zwar auch bei jedem künftigen Baugesuch. Und auch die neuen Auflagen für innere Aufstockung müssen eingehalten sein. So bezüglich des Anteils am Deckungsbeitrag und der Raufutter-TS für die bodenabhängigen Betriesbszweige.

Ich kenne mehrere Beispiele, wo Bauern nur zur Erreichung der TS-Bilanz noch Rindvieh halten, obwohl sie das eigentlich gar nicht möchten und dies nicht ihrer Berufsfreude entspricht. Das ist wirklich fragwürdig.

Gibt es denn keinen Spielraum?

Wir führen mit den kantonalen Dienststellen Diskussionen bezüglich der Besitzstandswahrung. Die Vorstellungen sind unterschiedlich, es mangelt an Koordination, das erschwert auch unsere Beratungsarbeit. Es kann ja unseres Erachtens nicht sein, dass sogar Sanierungen ohne Veränderungen des Tierbestandes teils als nicht mehr zonenkonforme innere Aufstockungen beurteilt werden. Der politische Druck führt zunehmende zu Kritik von bauwilligen Landwirten. Vom LBV wird erwartet, dass er sich gegen solche Vorstellungen wehrt. Wir vertreten die Haltung, dass bestehende Gebäude mit Tieren auch umgenutzt werden können.

«Der politische Druck führt zunehmend zu Kritik von Bauwilligen.»

Adrian Rogger über die Unzufriedenheit vieler Bauern.

Dann sind die nach Gerichtsentscheiden neueren Auflagen bezüglich innerer Aufstockung das Hauptproblem?

Nein, es sind ganz klar die Luzerner Ammoniakauflagen. In 90 Prozent aller Beratungsfälle legt die Ammoniak-Berechnung die neue Bestandesgrösse fest. Es ist übrigens schweizweit einzigartig, dass in Luzern bei jedem Baugesuch nachgewiesen sein muss, dass die Emissionen danach 20 Prozent kleiner sind, ausser bei Bauten für Rindvieh. Das ist auch ein klarer Wettbewerbsnachteil für Luzerner Bauern.

Wir finden es auch problematisch, dass der Fokus so einseitig auf Ammoniak gelegt wird. Bei Sanierungen geht es ja oft auch um Verbesserungen der betrieblichen und sozialen Situation. Und meist auch um mehr Tierwohl oder eine bessere veterinärrechtliche Situation, beispielsweise bei den Schweinen. Eine bessere Interessensabwägung wäre wünschenswert.

«Viele ältere Ställe sind jetzt sanierungs-bedürftig.»

Adrian Rogger über den aktuellen Boom bei den Bauberatungen.

 

Zur Person

Adrian Rogger (44) ist Agrokaufmann und bewirtschaftet zusammen mit seinem Bruder einen Milchwirtschaftbetrieb in Ruswil. Er ist teilzeitlich beim LBV angestellt und betreut den Bereich Bauberatungen. 

 

Offenbar ist die Berechnung nach Agrammon komplex.

Das ist so. Und es ist oft nicht klar, was baulich eigentlich noch drin liegt, das kann auch nicht individuell abgeschätzt werden. Der maximal mögliche Tierbestand muss aufwendig berechnet werden, und es gibt sehr viele Kriterien. Im Berggebiet ohne Ackerbau, wo beispielsweise keine Einarbeitung von Mist angerechnet werden kann, gibt es weniger Spielraum. Oder Betriebe, welche den Schleppschlauch schon einsetzen oder das Güllesilo abgedeckt haben, denen stehen auch weniger Möglichkeiten zur Reduktion der Ammoniakemissionen zur Verfügung.

Ich finde es grundsätzlich unverständlich, dass am meisten Mühe hat, den Betrieb noch weiter mit Tieren zu entwickeln, wer schon extensiv wirtschaftet und schon viel zur Reduktion von Emissionen getan hat. Und gerade für junge Betriebsleiter ist es heikel, wenn sie sich finanziell so sehr belasten, nur um baulich zu Beginn schon alles zu realisieren, um bei einem späteren Baugesuch die zusätzlichen Auflagen zu vermeiden. Bei einem zweiten Baugesuch ist nämlich ein Abbau des Tierbestandes meist unabdingbar, um die Reduktionsziele zu erreichen.

Werden somit wegen der Auflagen unvernünftige Investitionen gefördert?

Genau das versuchen wir mit der Bauberatung zu verhindern. Aber es ist schon so, dass die Bauern teils zu Betriebskonzepten gezwungen werden, die sie eigentlich gar nicht wollen. Solche Auflagen sind somit betriebswirtschaftlich heikel und verhindern eine schrittweise und finanziell vernünftige Betriebsentwicklung.

«Wer jetzt schon extensiv wirtschaftet, hat weniger Spielraum.»

Bauberater Adrian Rogger.

Wie sollen Bauern vorgehen, wenn sie bauen wollen?

Sie sollen unbedingt frühzeitig die Vorabklärungen bei uns machen. Und zwar bevor sie mit Stallbauern oder Treuhändern schon Vorstellungen und Betriebskonzepte entwickeln, die vielleicht illusorisch und gar nicht bewilligungsfähig sind. Erst im Rahmen der Beratung kann geklärt werden, ob der «Wunschbauernhof» auch Realität werden kann. Gemeinsam können oft Lösungen gefunden werden.