Die Nachfrage nach Alternativen ist in den letzten Jahren angestiegen. «Innovative Bauernbetriebe haben deshalb mit der Produktion sogenannter A2-Urmilch begonnen», wie Migros im November 2019 schrieb .
Eines Vorneweg: Wenn Sie nicht wissen, was A2-Milch ist, hilft dieser Artikel oder das Werbevideo der Migros weiter.
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In diesem Beitrag geht es vor allem um die praktischeren Fragen der Produktion.
Nicht jede Kuh gibt A2-Milch – entscheidend ist die Genetik
A2-Milch stammt von Kühen mit dem genetischen Merkmal A2A2. Zwar schwankt der Anteil an A2A2-Kühen je nach Betrieb und Rasse – Bei Brownswiss sollen etwa 50 Prozent reinerbig A2A2 sein, bei Redholstein, Holstein und Swissfleckvieh wird mit einem Anteil von 30 bis 40 Prozent gerechnet. Bei Jersey-Kühen sind beinahe 100 Prozent der Tiere A2A2 reinerbig. Und genau das ist für die Produktion von A2-Milch notwendig: eine reinerbige Herde mit Kühen mit dem Genotyp A2A2. Übrigens enthält nicht nur Kuhmilch A2-Beta-Kasein, sondern auch die Milch von Schafen und Ziegen.
Wie wird das Beta-Kasein vererbt?
Wie die Aaremilch schreibt, werden die für Beta-Kasein verantwortlichen Gene intermediär vererbt. Das bedeutet, dass sich bei der Anpaarung die beiden Allele für A1- und A2-Milch mischen. Eine Kuh wird demnach entweder A2A2-, A1A1-, A1A2- oder A2A1-Milch produzieren können. Aufgrund des intermediären Erbgangs gelten für die Anpaarung die in der Tabelle dargestellten Wahrscheinlichkeiten:
| Genotyp der Kuh | ||
Genotyp des Vaters | A1A1 | A1A2 | A2A2 |
A1A1 | 100% A1A1 | 50% A1A1 | 100% A1A2 |
A1A2 | 50% A1A1 | 25% A1A1 | 50% A1A1 |
A2A2 | 100% A1A2 | 50% A1A2 | 100% A2A2 |
Wahrscheinlichkeiten, welche Allele bei der Anpaarung entstehen. Wird eine A1A1-Kuh mit einem A1A1-Stier zugelassen, entsteht zu 100 Prozent ein Nachkommen mit A1A1-Allelen.
Wie lange dauert die Umstellung von einer A1A1-Kuh zu einer A2A2-Kuh?
Angenommen eine A1A1-Kuh wird mit einem A2A2-Stier belegt, wird die erste Nachfolgegeneration den Genotyp A1A2 (oder A2A1) tragen. Sofern es sich um ein weibliches Tier handelt und es zweieinhalb Jahre später wieder mit einem Stier mit Genotyp A2A2 belegt wird, liegt die Chance bei eins zu eins, dass die nachfolgende Generation den Genotyp A2A2 oder den Genotyp A1A2 trägt. Würde alles wie am Schnürchen klappen (d.h. weibliche Nachkommen, Vererbung des gewünschten A2A2-Genotyps), dauert die Umstellung von einer A1A1-Kuh zu einer A2A2-Kuh zwei Generationen. Vom Moment der ersten Belegung mit einem A2A2-Stier bis zum ersten Liter A2-Milch vergehen gut sieben Jahre (Belegung 1. Generation: 9 Monate, Aufzucht der 1. Generation: 2,5 Jahre, Belegung mit 2. Generation: 9 Monate, Aufzucht der 2. Generation: 2,5 Jahre Belegung mit 3. Generationen: 9 Monate. Erst anschliessend folgt die Milchproduktion).
Wie finde ich einen A2A2-Stier?
Die Genotypen der Stiere sind im Katalog von Swissgenetics und Select Star ausgewiesen. Ältere Stiere sind jedoch nicht typisiert.
Wie kann da Beta-Kasein-Merkmal getestet werden?
Um feststellen zu können, welche Beta-Kasein-Merkmale die eigenen Kühe haben, ist eine Genotypisierung des Bestandes notwendig. Die Typisierung erfolgt über Blut-, Gewebe- oder Haarproben, die in einem spezialisierten Labor ausgewertet werden. Wie die Aaremilch schreibt, ist die effizienteste und sicherste Variante für die Typisierung die Blutprobe.
Gibt es für die Produktion bestimmte Anforderungen?
Unseres Wissens gibt es für die Produktion, abgesehen von der Genetik und der Warenflusstrennung in der Logistik keine weiterführenden Einschränkungen oder Anforderungen.
Wo soll ich anfangen?
Wenn Sie sich ernsthaft überlegen, in die Produktion von A2-Milch einzusteigen, müssen Sie sich zunächst überlegen, wo die Milch verkauft werden soll. Im Industriemilch-Markt haben bis jetzt erst Aaremilch und die Migros Aare mit der Produktion bzw. dem Vertrieb von A2-Milch begonnen. Wenn Sie nicht im Sammelgebiet der Aaremilch sind, müssten Sie entweder Ihren Milchabnehmer überzeugen, auch in das A2-Milchgeschäft zu investieren – oder Sie suchen nach Möglichkeiten, die Milch selber zu verkaufen. Abgesehen von der Verkaufsfrage müssen die Genotypen der Herde bestimmt und die Stierenwahl bei der Anpaarung angepasst werden.
Wie gross ist der Markt?
Der Markt beschränkt sich bisher auf die Distribution in 99 Migros-Aare-Filialen (Stand Februar 2020). Die Aaremilch AG hat gemäss eigenen Angaben 13 Produzenten, die sich am Pilotprojekt beteiligen. Die A2-Milch muss derzeit als sogenannte «Question Mark» klassifiziert werden – sie verfügt zwar über grosses Wachstumspotenzial, jedoch sehr kleine Marktanteile.
Die Migros Aare selbst schreibt auf Anfrage, dass man mit den ersten Verkaufszahlen zufrieden sei. «Die Nachfrage ist steigend und sie übertrifft unsere Erwartungen», heisst es weiter.
Wer ist die Migros Aare
Die Migros Aare ist die grösste der zehn Genossenschaften des Migros-Genossenschaftsbundes und wurde 1998 aus dem Zusammenschluss der Genossenschaften Bern und Aargau-Solothurn gegründet.
Die Migros Aare ist eine der innovativsten Genossenschaften – wenigstens aus Sicht der Landwirtschaft. Die Wiesenmilch wird im Gebiet ebenso verkauft wie die A2-Urmilch.
Was bringt die A2-Urmilch?
Schwierig zu sagen. Unter dem Strich den dreifachen IP-Suisse-Zuschlag für die Produzenten (15 Rappen) und ein Verkaufspreis von 2,50 Franken pro Liter Milch im Laden. Dafür muss die Logistik für die A2-Milch komplett getrennt geführt werden – vom Melken über den Transport bis hin zur Abfüllung der Milch. Ob der Zuschlag den Mehraufwand rechtfertigt, hängt vom Betrieb und dessen Strukturen ab (das müssten Sie also selbst rechnen), Handel und Verarbeiter haben die höheren Kosten bereits verteilt.
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Und wie schmeckt die A2-Milch?
In einem Blindversuch haben zwei Redaktoren die A2-Milch und vier andere Milchsorten degustiert und versucht, einen Unterschied herauszuschmecken.
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