Mehr sein als Schein: Das ist sicher eine Stärke der Wildstauden. Sie blühen oftmals etwas bescheidener als Zierstauden, können aber mit inneren Werten punkten. «Wir haben viele Stammkunden, die sich jedes Jahr bei den Wildstauden umschauen», weiss Esther Sumpf. Sie arbeitet in der «Gärtnerei am Hirtenweg» in Riehen bei Basel.

Rund 160 Wildstauden-Arten gehören neben verschiedenen Chili- und Feigensorten zur Spezialität des Betriebes. Sie werden alle vor Ort selbst kultiviert: Aus den Samen des einen Sommers werden die Pflanzen fürs nächste Jahr gezogen. «Das ist uns wichtig und wird offenbar auch von den Kunden geschätzt: Sie wollen wissen, woher die Pflanzen kommen.» Gekauft würde meist, was man aus der Natur kennt, zum Beispiel Glockenblumen oder Wiesensalbei. Oder was gerade blüht. «Dann kann man sich auch etwas darunter vorstellen».

Was macht die Wildstaude aus?

Wer sich bewusst für Wildstauden entscheidet, will wieder mehr Ursprünglichkeit in seinem Garten oder auf dem Balkon, legt meist auch Wert auf Nachhaltigkeit, möchte einen Beitrag zur Artenvielfalt leisten oder ganz konkret Schmetterlingen oder Wildbienen Nahrung bieten.

Doch was macht die Wildstaude zur Wildstaude? «Generell sind Stauden mehrjährige krautige Pflanzen, also Pflanzen, die nicht verholzen», erklärt Esther Sumpf. «Wildstauden sind züchterisch nicht veränderte Wildpflanzen. Daher gibt es auch keine verschiedenen Sorten.» Wer im Schweizer Flachland standortangepasste Wildstauden möchte, beschränkt sich am besten auf einheimische Pflanzen, die im Mittelland auch in der Natur zu finden sind.

Die Vielfalt machts

Wildstauden haben kürzere Blütezeiten als Zierstauden. Dafür tragen sie zur Artenvielfalt bei und bieten die Nahrungsgrundlage für verschiedene Insekten: Viele Kleinlebewesen ernähren sich nur von einheimischen Wildstauden, einige Wildbienen- und Schmetterlingsraupen sind auf ganz wenige oder sogar eine einzige Pflanze spezialisiert.

Mit den Insekten werden wiederum Vögel, Igel und Fledermäuse in die Gärten gelockt. Online und bei spezialisierten Wildstaudengärtnereien gibt es Listen, welche Wildstauden für welche Tiere besonders geeignet sind. Wichtig ist auch, jeweils einige Kräuter im Garten blühen zu lassen, zum Beispiel Schnittlauch, Fenchel oder Dill. Auch sie sind begehrte Nahrungsquellen.

Wildstauden sind zwar in der Regel nicht heikel, sollten aber klug ausgewählt werden: Wie bei Zierstauden müssen die Wilden am richtigen Ort stehen, um zu gedeihen: Einige brauchen schattige Plätzchen, andere viel Sonne. Es gibt Wildstauden für sandige, magere, fette, lehmige oder sumpfige Böden. Am falschen Standort gedeihen auch die Zähesten nicht. Hilfreich ist, wenn man sich vom Wildstandort inspirieren lässt.

Farbe und Futter

«Fixe Rezepte funktionieren aber nicht», betont Esther Sumpf. «Man muss ausprobieren, welche Pflanzen sich an einem Ort tatsächlich wohlfühlen oder eben nicht.» Wer Wildstauden im Garten ansiedeln möchte, kauft am besten drei bis fünf Stück pro Sorte, eine einzelne Jungpflanze geht meist unter.

Da viele Wildstauden im Mai und Juni blühen, lohnt es sich, bei der Auswahl auf eine gestaffelte Blütezeit zu achten. Das bringt von Frühling bis Herbst Farbe in den Garten und der Tierwelt zusätzliches Futter. Wer auch etwas für die Biodiversität tun möchte, pflanzt Wildstauden aus möglichst allen Pflanzenfamilien: Korbblütler wie Wiesen-Margariten, Doldenblütler wie die grosse Sternendolde, Dickblatt-Gewächse wie der weisse Mauerpfeffer, Glockenblumengewächse wie die Knäuel-Glockenblume und Lippenblütler wie der Klebrige Salbei.

Pflegen lohnt sich

Ganz ohne Pflege geht es zudem nicht. «Vor allem im ersten Jahr, direkt nach der Pflanzung, muss man sich auch um die Wildstauden kümmern», sagt Esther Sumpf. «Dazu gehört regelmässiges Jäten, damit das junge Pflänzchen nicht von anderen verdrängt wird.»

Auch in den Folgejahren darf man den Wilden etwas Aufmerksamkeit schenken. Denn die einen wachsen schneller, die anderen sind eher schwachwüchsig, vereinzelte wuchern sogar. Möchte man alle behalten, lohnt es sich, gezielt mit der Gartenschere für einen Ausgleich zu sorgen. Zurückschneiden nach der Blüte ist hingegen nicht zwingend. Ausser man möchte verhindern, dass eine Wildstaudenart versamt.

Im Winter ziehen sich Stauden ganz in den ­Boden zurück, alles Oberirdische darf theoretisch im Spätherbst bodennah zurückgeschnitten werden. Allerdings wäre das gerade bei ­Wildstauden sehr schade: Denn die verdorrten Samenstände dienen so manchem Tier als Unterschlupf und Nahrung und wirken zudem dekorativ. Vor dem Zurückschneiden sollte man sich zudem sicher sein, dass es sich nicht um eine zweijährige Pflanze handelt, die jeweils erst im zweiten Jahr ihre Blüten zeigt, wie zum Beispiel die Königskerze oder der Natternkopf.

Balkontauglich

Eine ganze Reihe von Wildstauden eignen sich auch für Terrassen und Balkone. Am besten nimmt man ­dafür grosse Töpfe und Pflanzen, die nicht zu tief wurzeln. Wie zum Beispiel Karthäuser-Nelken für Sonnenplätze, Waldanemonen für halbschattige Standorte oder Duftveilchen für den Schatten.

Für sehr sonnige Stand­orte müssen die Wildstauden zudem hitzeverträglich sein. «Die Schmetterlinge sind die Aushängeschilder», weiss Esther Sumpf. «Doch ein artenreicher Garten oder Balkon hilft auch anderen Tieren.»


Weitere Informationen:
Unter www.hirtenweg.ch finden sich unter den Navigationspunkten «Dies & Das» und «Pflanzen», Fotos und Infos zu Wildstauden.

Buchtipp

Brigitte Kleinod und Friedhelm Strickler

Schön wild

160 Seiten, Pala Verlag