Anfang Dezember fand das Schweizer Steinobstseminar statt, organisiert durch den Schweizer Obstverband (SOV) und Swisscofel. Teilnehmende konnten vom zweitägigen Anlass mit über dreissig Referentinnen und Referenten profitieren. Die Fachpersonen lieferten Informationen über Herausforderungen und Perspektiven im Obstbau. Während am ersten Seminartag die Produktion im Vordergrund stand, lag der Fokus am zweiten Tag auf dem Markt. Der Anlass fand Anklang, denn «Teilnehmende aus Produktion, Handel, Forschung, Beratung, Politik und Verbänden aus der ganzen Schweiz» konnten sich im restlos ausgebuchten Saal einen Platz sichern, wie der SOV in ihrer Medienmitteilung schrieb.
Referenten aus der ganzen Welt
Der erste Seminartag startete gleich mit Prominenz, denn Christian Hofer, Direktor des Bundesamtes für Landwirtschaft, richtete sein Grusswort an das Publikum. Auch Markus Hämmerli, Vorsitzender der GL Inoverde, hatte einen Bühnenauftritt. Die Aufmerksamkeit gehörte aber nicht nur Schweizer Fachpersonal, auch diverse internationale Experten aus Deutschland, Frankreich, Spanien und sogar Kanada leisteten mit ihrer Expertise einen interessanten Beitrag.
Ausserdem war an beiden Tagen je eine Podiumsdiskussion mit verschiedensten Vertretern eingeplant: Am ersten Tag wurde über «Bedürfnisse und Herausforderungen im Zulassungsverfahren aus Sicht der verschiedenen Stakeholder» diskutiert, während am zweiten Tag die Frage «Nachhaltiges Steinobst – Wer zahlt das? Führt das Nachhaltigkeitsprogramm ‹NHF› am Point of Sale zum Erfolg?» im Zentrum stand.
Unberechenbarer Markt
Markus Hämmerli referierte über Herausforderungen und Perspektiven von Steinobst aus Sicht der Lagerung und Vermarktung. Im Gegensatz zu Aprikosen und Zwetschgen sei die Marktsituation bei Kirschen umweltbedingt viel weniger beherrschbar. Erntemengen von über 2000 Tonnen seien eine grosse Herausforderung für Vermarkter wie Inoverde. Es entstünden grosse Lagerbestände. Dies erhöht die Prozess- und Lagerkosten. «Dieses Jahr wurden Kirschen während drei bis vier Wochen gelagert. Das widerspricht dem Vermarktungskonzept der Branche», erklärte Hämmerli.
Eine Vielzahl an Sorten
Inoverde nimmt total zirka fünfzig Kirschsorten an, wobei Kordia, Grace Star und Regina mit Abstand die grössten sind. Die Vorteile von verschiedenen Sorten sind, dass die Kirschsorten verschieden schnell reif sind.
Das führe jedoch auch dazu, dass Kunden beim Einkaufen nicht immer die gleiche Sorte und Qualität erwischen, ihnen die Geschmacksunterschiede jedoch erst beim Reinbeissen bewusst werden. Es entsteht ein Frustrationspotenzial. Ausserdem wird durch die Vielzahl an Sorten die Planung einiges komplexer.
Qualität oder doch Preis?
Durch die allgemein steigenden Preise hat sich die Marktsituation verändert. Kunden schauen heute vermehrt auf den Preis und können sich teure Lebensmittel nicht mehr leisten. Die Kunden warten heute bei teuren Schweizer Produkten wie Kirschen auf Aktionen. Solche Aktionen führen zwar zu deutlichen Absatzsteigerungen, dabei geht aber Wertschätzung gegenüber dem Produkt verloren.
«Die Kirschen sollen mehr Wert erhalten, auch durch Nachhaltigkeitsprogramme, also müssen sie auch mehr Wertigkeit haben für den Konsumenten. Der alleinige Fokus gilt dabei der Qualität», fasst Hämmerli zusammen. Er wünscht sich für die Zukunft, dass die Qualität und die Frische im Zentrum stehen und dass mehr Zusammenarbeit mit den Produzenten stattfindet.
Hämmerli möchte keine strikte Untergrenze für die Mindestproduktionsmenge der Betriebe festlegen, jedoch müssen sich die Produktionsstrukturen weiterentwickeln. Auch sei die Anzahl Sorten nicht das grösste Problem. Wichtig sei vor allem, dass die Sortenabfolge stimme, sodass zur richtigen Zeit die richtige Menge an Kirschen reif sei.
Am besten beides in einem
Stephan Blunschi, Leiter Einkauf Früchte und Gemüse bei Migros, hat einen anderen Blickwinkel auf den Markt. Er sieht, was am Verkaufsort wie gut gekauft wird. Dass Lebensmittel den Kunden jedoch vermehrt zu teuer sind, bestätigt auch er. Interessanterweise steht aber die Qualität auch sehr weit oben bei Kunden, die preisorientiert einkaufen. «Die Marktchance besteht darin, wenn wir eine gute Qualität zu einem günstigeren Preis anbieten können. Vor dieser Herausforderung stehen wir als Branche gemeinsam», erläutert Blunschi.
Kunde hat andere Vorstellungen
Ein weiteres Statement von Blunschi war: «Der Kunde will alles, er will es gleichzeitig, und er will es immer. Und das werden wir ihm nicht immer bieten können.» Dem Kunden sei nicht bewusst, dass die Landwirtschaft stark von Wetterbedingungen abhängig sei, und er könne es nicht nachvollziehen, wenn die Lebensmittel beispielsweise Flecken wegen Hagel aufwiesen, wenn derzeit draussen die Sonne scheine. Oder dass gewisse Lebensmittel gar nicht erst geliefert werden könnten.
Mehr Geld für den Produzenten
In der darauf folgenden Podiumsdiskussion zum Thema «Nachhaltiges Steinobst – Wer zahlt das?» ergaben sich interessante Gespräche, und das Publikum durfte den Diskussionsteilnehmern Fragen stellen.
Ein Produzent aus dem Publikum fragte, ob der Mehrpreis für den Produzenten beim Programm «Nachhaltigkeit Früchte» (NHF) auch einen höheren Verkaufspreis im Laden mit sich bringe. «Der Ladenpreis steht nicht in direktem Zusammenhang mit den Produktionskosten», erklärte Blunschi. Der Verkaufspreis von Lebensmitteln werde vom Markt bestimmt, da gehöre beispielsweise auch das Preisniveau im Ausland dazu. Auch Hämmerli äusserte sich zu dieser Frage, er ist skeptisch: «Allein mit dem Satz ‹der Handel entschädigt den Mehraufwand› sehe ich das Problem nicht gelöst.»
Aus dem Publikum kam eine Idee, wie die Wertsetzung auch nichtmonetär, sondern durch die Bewirtschaftung umgesetzt werden könnte: Durch ein Logo für NHF und durch saisongerechtes Präsentieren am Verkaufsort. Edi Holliger, Geschäftsstelle Schweizer Obstverband, meldete sich zu Wort: Ein zusätzliches Logo sei nicht angedacht, da es bereits sehr viele Logos gebe und ein zusätzliches Logo dem Konsumenten die Entscheidung nicht leichter mache. Blunschi fügte hinzu, dass ein zentrales Präsentieren leider keinen ausreichend grossen Effekt habe, um Überproduktionen abzuverkaufen.