«Alle reden immer davon, die Bürokratie in der Landwirtschaft zu reduzieren, und jetzt kommt ausgerechnet Andreas Aebi mit so einer Motion, die uns einen Haufen Bürokratie bescheren wird.» Simon Lepori, Präsident des Verbands Schweizerischer Berufsschäfer, ist nicht gut auf die Idee zu sprechen, bei den Schafen die Einzeltierkennzeichnung einzuführen. Solange er im Laden Lammfleisch sehe, das mit Neuseeland/Brasilien/EU angeschrieben sei – man also nicht einmal wisse, aus welchem Land es stamme –, sehe er keinen Bedarf, in der Schweiz die Rückverfolgbarkeit zum Einzeltier zu gewährleisten.

Zusätzlicher Aufwand

Am Tisch in Riggisberg sitzen Männer, die von der Schafhaltung leben. Neben Präsident Simon Lepori, Mamishaus, auch sein Vize Christian Nydegger, Lanzenhäusern, und Markus Nyffeler, Rüeggisberg. Sie alle haben Bedenken, wie eine Einzeltierkennzeichnung in der Praxis funktionieren soll. Besonders in der jetzt schon sehr strengen Ablammsaison steige mit der Kennzeichnungspflicht der Arbeitsaufwand massiv. Ausserdem seien die Ohrmarken für neugeborene Lämmer zu schwer und würden die Öhrchen nach unten ziehen. Aber auch wenn auf der Alp oder in der Wanderherde ein Tier seine Ohrmarke verliere, sei es sehr schwierig, dieses Tier zu identifizieren und ihm eine Ersatzohrmarke einzusetzen. Aufwand und Nutzen stehen hier in keinem Verhältnis. Die meisten Schlachtschafe haben in der Regel ein sehr kurzes Leben. Es reiche also, wenn man wisse, wer der Geburtsbetrieb sei, argumentieren die Berufsschäfer. Ausserdem sei schon jetzt der Erlös in der Schafzucht klein. Diesen noch durch den Kauf teurer Chipohrmarken und zusätzlichen Arbeitsaufwand zu schmälern, sehen die Berufsschäfer nicht ein. 

Profis nicht vertreten

Bei den Verhandlungen am runden Tisch bei der Identitas AG habe keineswegs Einigkeit geherrscht unter den verschiedenen Branchenvertretern. Der Vorstand des Schweizerischen Schafzuchtverbandes bestehe in erster Linie aus Nebenerwerbsschafhaltern, deren Hauptanliegen die Zucht sei, und weniger die kommerzielle Haltung. Dass nun einige Exponenten sich an der Basis vorbei für die Einzeltierkennzeichnung stark machen, das stört die Berufsschäfer. Sogar beim Rindvieh funktioniere die lückenlose Rückverfolgbarkeit heute noch nicht. Rund acht Prozent der geschlachteten Kälber hätten eine fehlerhafte Tiergeschichte. Die Berufsschäfer sind überzeugt, bei Schafen würde das noch viel weniger funktionieren. Wie die Tiere mit dem neuen System zu einer lückenlosen Tiergeschichte kommen sollen, ist den Schafhaltern ein Rätsel. Ausserdem fürchten die Schafhalter Abzüge in den Schlachthöfen aufgrund des Geburtsdatums, wie dies bei Kälbern heute schon der Fall ist. Heute werden Schafe nach ihren Schaufeln beurteilt. Sei die Tiergeschichte bekannt, könne der Schlachthof für einzelne Kategorien Altersgrenzen einführen, was besonders im Winter der intensiven Fütterung der Masttiere Vorschub leiste. 

Gruppenerfassung reicht

Die Berufsschäfer fürchten um die naturnahe, nachhaltige Schafhaltung, welche das Schweizer Schaffleisch vom Ausland abhebt. Das jetzt geforderte System gehe weit über EU-Normen hinaus. In der EU ist die Gruppentiererfassung Standard, Einzeltiererfassung ist freiwillig. Mit der Motion von Andreas Aebi würden zusätzliche Kosten und Mehraufwand anfallen, was wieder einige Schafhalter zum Aufgeben zwingen würde. «Mit noch mehr Bürokratie leiden Schafe und Schäfer, das kann doch nicht sein», gibt Simon Lepori zu bedenken.

Daniela Joder

Weitere Informationen im Internet: www.berufsschaefer.ch