Wer einmal ein Stück Kobe-Beef gekostet hat, weiss: Geschmack, Konsistenz und Qualität sind einzigartig. Das Fleisch zerläuft auf der Zunge wie Butter. Dieser Genuss ist bis heute auch in Japan etwas ganz Besonderes. Über viele Jahrhunderte wurde in Japan zwar verbreitet Rindfleisch gegessen, doch mit der Ausbreitung des Buddhismus sank der Rindfleisch-Konsum rapide und wurde letztlich sogar ganz verboten.
Erst mit dem Beginn der Meiji-Periode 1868, welche mit einer gewissen "Verwestlichung" verbunden war, fing man in Japan erneut damit an, Freude an gutem Rindfleisch zu bekommen. Dreissig Jahre später fing man in Mikata-gun sogar an, ein Zuchtregister anzulegen. 1918 wurde im Sinne eines offiziellen japanischen Herdebuches die "Tajima-Ushi Pedigree Registry Association" gegründet.
Die Region Tajima um Mikata-gun in der Präfektur Hyogo mutet als Schweizer fast schon heimatlich an. Die Region besteht aus Tälern, saftigen Wiesen und Skigebieten. Man entschied sich Anfang des 20. Jahrhunderts für eine geografisch isolierte Züchtung.
Die Natur soll entscheiden, wie sich die Rasse letztendlich entwickelt. Den Tieren werden keine künstlichen Wachstumshormone oder Antibiotika verabreicht. Dies hat die heutige "Tajima"-ushi (Rasse) geprägt.
Irreführende Bezeichnung
Noch bekannter ist sie unter dem Namen "Kobe-Beef" - eine irreführende Bezeichnung. Denn das Fleisch wird nicht in der japanischen Stadt Kobe oder in deren Umgebung produziert. Zur "falschen" Bezeichnung kam es, weil ausländische Besucher in der Stadt Kobe mit Wagyu-Beef in Kontakt gekommen sind und immer häufiger danach gefragt haben. Da diese kulinarische Begeisterung in Kobe ihren Anfang nahm, ist das Fleisch heute vor allem unter diesem Begriff bekannt.
Wagyu-Rind ist aber die treffendere Bezeichnung: "gyu" bedeutet Rind und "wa" hier. Wörtlich also "Rind von hier", respektive "einheimisches Rind". Erst seit 2012 darf Wagyu-Fleisch überhaupt exportiert werden, in die Schweiz und in die EU sogar erst seit 2014. Vorher war der Genuss ausschliesslich innerhalb von Japan möglich.
"Sashi" bestimmt Fleischwert
Bei der Tajima-Rasse spielt vor allem die Fettverteilung im Fleisch, die typische feine Marmorierung, eine zentrale Rolle. Sie wird in Japan als "Sashi" bezeichnet. Zu einer guten Sashi trägt neben der richtigen Ernährung auch die Tatsache bei, dass die Tiere langsamer wachsen als bei anderen Rinderrassen.
Je feiner diese Fett-Marmorierung beim Schlacht-Zeitpunkt ist, desto teurer das Fleisch. Die Marmorierung wird in Japan in fünf Klassen eingeteilt, wobei 5+ den höchsten Fleischqualitätsfaktor darstellt. Dazu werden Fleisch- und Fettfarbe beurteilt und ebenfalls in Bewertungsraster eingeordnet.
Das Wagyu-Fett ist geschmacklich intensiv und ist zart schmelzend beim Genuss. Es enthält 50 Prozent mehr ungesättigte Fettsäuren und einen tieferen Fett-Schmelzpunkt als andere Rinderrassen. Jährlich erhalten in Japan übrigens nur gerade gut 3'000 Rinder die Auszeichnung als "Kobe-Beef". Die Vorschriften sind streng. So muss das Tier:
- in der Hyogo-Präfektur geboren sein
- in der Hyogo-Präfektur auf einer Farm gefüttert worden sein
- Stier oder kastrierter Stier sein
- in einem anerkannten Schlachthof von Kobe, Nishinomiya, Sanda, Kakogawa oder Himeji in der Hyogo-Präfektur geschlachtet worden sein
- nicht mehr als 470 Kilogramm wiegen
- bei einem Fleischqualitätsfaktor von 5+ (Maximum) einen Marmorierungsgrad (Beef Marbel Score) von mindestens 6 (Maximum ist 12) erreichen
Übrigens: Bier- oder Sake-Massagen gehören in Japan längst der Vergangenheit an. Die Tiere bekommen zwar teilweise noch Bier-Trester zum Fressen, aber sonst haben sie mit Bier oder Sake nicht mehr viel am Hut. Bestens behütet werden die Tiere trotzdem: So bleiben die Kälber nach der Geburt bei ihrer Mutter und bei Regen bleiben die Tiere im Stall, damit sie nicht nass werden - wie dies bei unserem Farm-Besuch in Tajima der Fall war.
Der Schweizer Wagyu-Pionier
Anders bei Hansruedi Zimmermann im aargauischen Villigen: Seine Wagyu-Tiere sind den ganzen Sommer auf den Weiden am nahe gelegenen Rebberg. Als er 2003 den elterlichen Hof übernommen hat, war für ihn schnell klar, dass er langfristig nicht mehr auf Milchproduktion setzen möchte.
Durch seinen Bruder, der seit vielen Jahren in Australien war und mittlerweile in Bangkok in der Gourmet-Gastro-Szene tätig ist, hat er vom Geschmackserlebnis "Wagyu-Beef" erfahren. Aber damals gab es diese Rasse noch nicht in der Schweiz - zu lange hatte Japan den Export von Tieren und deren Fleisch verboten.
Doch Hansruedi Zimmermann gab nicht auf. Und schliesslich wurden nach der Überwindung diverser Hürden auf seinem Hof die ersten Wagyu-Embryonen aus belgisch-holländischer Zucht in Leihmütter eingesetzt. Eine Sensation!
Mittlerweile besteht seine Herde aus 15 reinrassigen und 20 Kreuzungs-Wagyu-Tieren. Für Hansruedi Zimmermann ist klar: Damit die berühmte Marmorierung auch gelingt, muss allem voran die Fütterung stimmen. Lange hat er an dieser mit Hilfe eines australischen Fütterungsberaters herumgetüftelt. Alleine bis er gemeinsam mit der lokalen Trocknungsanlage die ideale Einstellung für getrockneten Traubentrester herausgefunden hatte, dauerte es drei Jahre.
Der Trester versorgt die Tiere mit Tanninen, die für die angestrebte frische Farbe des Fleisches wichtig sind. Beim Fett wird von der Farbe her "Weiss" angestrebt, dies erreicht er mit dem Verfüttern von Kartoffeln, welche seiner eigenen Erfahrung nach eine "reinigende Wirkung" auf die Tiere haben, wie er erzählt. Da der Traubentrester vom eigenen Rebberg stammt und die Kartoffeln von den eigenen Feldern: ein perfekter Kreislauf.
"Gut Rind will Weile haben"
Doch die Wagyu-Zucht braucht Zeit. Bis ein Wagyu-Rind schlachtreif ist, vergehen mindestens drei Jahre - also doppelt so lange wie bei anderen Rinderrassen. Erst ab zwei Jahren zeigt sich beim Wagyu-Beef allmählich die spezielle Marmorierung.
Die Nachfrage nach Hansruedi Zimmermanns Schweizer Wagyu-Beef steigt unablässig. Er arbeitet bei der Direktvermarktung mit grossen Hotels zusammen, die teilweise ganze Tiere bei ihm vorbestellen.
Der Kilo-Preis beim Wagyu-Filet liegt bei Fr. 420.-, beim Entrecôte bei Fr. 310.- und beim Sirloin-Steak bei Fr. 245.-. In Japan sind die Preise tiefer: Ein Kilo Wagyu-Sirloin-Steak fertig im Restaurant zubereitet, kostet dort etwa 210 Franken. Das klingt nach unglaublich hohen Preisen, doch wer Wagyu-Beef einmal nach perfekter Zubereitung gekostet hat, weiss: es ist jeden Franken wert.
Für Zimmermanns Wagyu-Tiere stehen zwar momentan ebenfalls keine Bier- oder Sake-Massagen auf dem täglichen Programm, aber vielleicht schon bald. Eine textile Autowaschanlage steht jedenfalls zu diesem Zweck schon auf dem Hof bereit - spätestens nach deren Einbau im Stall, steht dem tierischen Wellness-Genuss nichts mehr im Wege.
Ann Schärer, lid
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