Die Zahlen sind beunruhigend: In der Schweiz sterben jährlich mehrere Hundert, in der EU geschätzte 25 000 Menschen an Infektionen, die sich wegen resistenter Keime nicht mehr heilen lassen. Dafür wird die Landwirtschaft wegen umfangreichen Antibiotikaeinsatzes mitverantwortlich gemacht. Deshalb schwebt ein mögliches Verbot wie ein Damoklesschwert über der Branche. Um einem solchen zuvorzukommen, hat der Bund einen Aktionsplan am Laufen, der nun erste Folgen für die Landwirtschaft zeitigt.
Rezeptpflicht verschärft
Heute Freitag wird die teilrevidierte Tierarzneimittelverordnung in Kraft gesetzt. Sie verschärft die Rezeptpflicht für Tierärzte bei der Antibiotikaabgabe. Im Fokus steht der präventive Einsatz beim Einstallen von Jungtieren in der Kälber- und Schweinemast sowie der Einsatz von Trockenstellern in der Milchwirtschaft. Künftig dürfen Antibiotika zu den genannten Zwecken vom Tierarzt nicht mehr auf Vorrat an die Produzenten abgegeben werden. Der prophylaktische Einsatz wird damit nicht verboten, aber die Frequenz der Tierarztbesuche nimmt zu.
Vom Tierarzt wird erwartet, dass er prüft, ob Antibiotika tatsächlich nötig sind und ob nicht stattdessen mit tiergesundheitsfördernden Massnahmen gearbeitet werden kann, bevor er grünes Licht gibt, wie Josef Schmidt, Vizedirektor beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV), erklärt.
Er räumt ein, dass dies für die Landwirte zu zusätzlichen Umtrieben führt. Doch dieser Mehraufwand sei gerechtfertigt. «Wir müssen Vertrauen aufbauen, und das hat seinen Preis.» Dieser Preis – betriebliche Massnahmen zur Förderung der Tiergesundheit (z.B. Hygienemassnahmen, Impfungen, Lüftung) sowie vorerst häufigere Tierarztbesuche – sei eine gerechtfertigte Investition angesichts des potenziellen Schadens durch ein Verbot gewisser Wirkstoffe.
Am gefährdetsten für einen solchen Bann sind die sogenannten kritischen Antibiotika («Reserveantibiotika»), die in der Humanmedizin als letzte Retter gegen im übrigen resistente Keime gelten. Schmidt erwähnt als Beispiel die Gruppe der Makrolide, welche heute häufig bei der Einstallprophylaxe zum Einsatz kommen. Auch bei der Trockenstellung von Milchkühen, wo die Schweiz eruopaweit die zweithöchste Einsatzrate hat, sollte gemäss Schmidt der präventive, flächenhafte Einsatz eingeschränkt werden, indem der Landwirt mit dem Tierarzt ein Trockenstellkonzept erarbeitet.
Gewisse Angewöhnungszeit
Schmidt betont, dass man nun nicht ab heute Kontrollen durchführen und sanktionieren werde, es gebe zwar keine offizielle Übergangsfrist, aber Tierärzteschaft und Bauern solle eine gewisse Angewöhnungszeit an das neue Regime gewährt werden.
In der Branche blickt man der Neuregelung entspannt entgegen. «Viele Mäster begrüssen es, wenn beim Einstallen der Tierarzt zugegen ist», sagt Samuel Graber, Präsident der Kälbermäster. So könnten akut kranke Tiere direkt behandelt oder dem Händler retourniert werden.
In der Schweinehaltung werde bereits weitestgehend auf Präventivbehandlungen mit Antibiotika verzichtet, sagt Adrian Schütz von Suisseporcs. Auch befürworte man gesundheitsfördernde bauliche Massnahmen, man müsse allerdings berücksichtigen, dass dies die Produktionskosten erhöhe.
Adrian Krebs