Nadine und Urban Dörig aus Diessenhofen TG gewinnen den Jubiläumspreis der BauernZeitung in der Kategorie Nachhaltigkeit. Sie haben die Jury mit ihrem Betrieb «Domäne St. Katharinental» überzeugt und sind auf dem ersten Platz gelandet.

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Bestes Ackerland auf dem Betrieb

Doch was machen Nadine und Urban Dörig anders als andere Landwirte? Und was zeichnet ihren Betrieb aus? Wir haben sie besucht und ihnen diese Fragen gestellt.

DossierJubiläum 2024 – Das Dossier Der Hof von Urban und Nadine Dörig ist in vielen Aspekten aussergewöhnlich. Die Domäne St. Katharinental ist nämlich ein ehemaliger Klosterbetrieb. Sie liegt unterhalb von Diessenhofen, direkt am Rhein. Der Betrieb verfügt über gute ackerfähige Flächen, diese sind zudem topfeben und alle rund um den Hof arrondiert. Die Böden sind sandig, erwärmen sich schnell, lassen sich bearbeiten und befahren. Ist es im Sommer trocken, können die Kulturen mit Rheinwasser bewässert werden.

Diesen Traum eines jeden Ackerbauern bewirtschaftet Familie Dörig seit 2010. Damals haben sie den Betrieb vom Kanton pachten können.

«Zu Beginn der Pacht war ich sehr intensiv unterwegs», erinnert sich Urban Dörig an seine frühe Bewirtschaftungsform.

Er, der auf einem Milchwirtschaftsbetrieb aufgewachsen war und später auf Mutterkühe der Rasse Angus setzte, wurde mit der Betriebsübernahme zu einem der grössten Ackerbauern im Kanton Thurgau.

Betriebsspiegel Domäne St. Katharinental
Nadia und Urban Dörig, Diessenhofen TG

LN: 104 ha
Kulturen: Weizen, Sommer-/ Winterhafer, Zuckerrüben, Soja, Kartoffeln, Karotten, Mais, Luzerne, Sonnenblumen, Ölkürbisse, Chicorée-Wurzeln, div. Versuche
Tierbestand: Beweidung von Gründüngungen und Randflächen mit etwa 30–50 Kühen mit Kälbern. Im Winter kommen Schafe dazu
Arbeitskräfte: Ein Lehrling und ein Saisonier

Brillenwechsel nach Bodenkurs

Nach der Übernahme des Betriebs machte sich Urban Dörig schon bald einen Namen als intensiver Ackerbauer, der den viehlosen Grossbetrieb mit Erfolg führen und konstant hohe Erträge erzielen konnte. «Damals hatte ich meine ‹alte Brille› an. Sie war nicht schlechter als diejenige, die ich jetzt trage. Sie war einfach anders. Jetzt habe ich neue Brille an», fasst er seine Situation in Worte. Doch wie ist es zu diesem Brillenwechsel gekommen?

Der Stein des Anstosses sei ein Bodenkurs gewesen, erinnert sich der Landwirt. «Ich habe 2016 einen Bodenkurs über die regenerative Landwirtschaft besucht», blickt Dörig zurück. «Im Verlauf dieses Kurses hat es mir dann den ‹Ärmel reingenommen›, ich bekam eine andere Sicht auf die Natur und ihre Kreisläufe. Schliesslich habe ich mir gesagt, dass ich ja über die Flächen verfüge, um das alles auszuprobieren und umzusetzen.» Gesagt, getan: Urban Dörig begann, verschiedene Elemente auf seinem Betrieb auszuprobieren, und realisierte irgendwann, dass er den «Brillenwechsel» zwischenzeitlich vollzogen hatte. «Ich versuche nun, die Grundsätze der Natur und ihrer Kreisläufe wirken zu lassen», erzählt Dörig. Damit das funktioniere, sei er ein bis zwei Schritte zurücktreten und grosszügiger geworden. Er sehe die Natur heute mit anderen Augen und lasse sie «auch mal machen».

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Mit der Natur arbeiten

Wie das aussieht, schildert Urban Dörig anhand eines Beispiels: «Wir haben auf unseren Flächen alle 168 Meter einen 15 m breiten Biodiversitätsstreifen angelegt. Dieser besteht aus zwei beidseitigen, 6 m breiten Brachestreifen und einem mittigen, drei Meter breiten Krautsaum. In diesem Krautsaum haben wir alle 50 Meter eine Niederhecke oder einen Holzhaufen angelegt.» Die grösste Herausforderung bei den Brachestreifen sei das Unkraut, hält Dörig fest. Wenn ein Streifen zu stark verunkrautet sei, könne er schneiden oder mulchen. Der zweite Streifen nebenan wirke für Insekten und Kleintiere wie ein Reservoir.

Als er im ersten Jahr mit diesen Streifen angefangen habe, seien darin ganz viel Amarant und Gänsefuss gewachsen. Urban Dörig wusste, dass er nach Lehrbuch jetzt handeln müsste. «Mit meiner ‹alten Brille› hätte ich sicher den Mulcher genommen und die Pflanzen heruntergemulcht. Da ich aber bereits die ‹neue Brille› aufhatte, habe ich den Streifen beim Hacken der nebenan gelegenen Kultur einfach nicht mehr so konzentriert angeschaut. Ich habe ihn dann ignoriert und wollte schauen, wie es im nächsten Jahr aussieht.»

Eine erste Überraschung erlebte Urban Dörig bereits im darauffolgenden Winter: «Jedes Mal, wenn ich bei diesem Streifen vorbeikam, hatte es darin Scharen von Vögeln und sie frassen die Unkrautsamen. Im folgenden Frühling wuchsen praktisch kein Amarant und Gänsefuss mehr im Streifen.» Dafür seien zahlreiche Buntbrachenpflanzen gewachsen. Diese hätten sich langsam im Schatten der Unkräuter entwickelt, erinnert sich Dörig. Dies führte irgendwann zu Dörigs grösstem «Aha-Erlebnis»: «Als ich eines Tages Soja hackte und mit dem Traktor neben der Brache fuhr, war diese voll mit Schmetterlingen. Das hat mich berührt, so bewusst hatte ich das noch nie erlebt.»

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Es braucht die Gesellschaft

Damit ein hohes Mass an Nachhaltigkeit und Biodiversität auf einem Bauernhof gelingt, braucht es neben dem Landwirt auch die Gesellschaft, die das mitträgt. «Es nützt nichts, wenn ich als Landwirt auf meinem Betrieb zum Beispiel das Berufkraut konsequent bekämpfe, während sich das Unkraut gleichzeitig ungehemmt auf den Gemeinde- oder Bahnflächen verbreitet.» Urban Dörig ist überzeugt von diesem grossen Ganzen: «Wenn wir auf breiter Ebene eine nachhaltige Landwirtschaft wollen, muss die Gesellschaft diese entsprechend unterstützen.» Dazu müssten die Kreisläufe weiter durch die Wissenschaft erforscht werden, findet er. Dieses Wissen müsse Gemeinden und Bevölkerung unbedingt zugänglich gemacht werden. Schliesslich könnte auch jede Privatperson ihren Lebensmittelkonsum überdenken und sich dabei vielleicht fragen: «Was kann ich für die Nachhaltigkeit tun?»

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[IMG 5]Würdigung der Jury

Der Gutsbetrieb St. Katharinental umfasst 104 ha LN im besten Ackerbaugebiet, weitgehend arrondiert, mit Bewässerungsanlagen bestückt, und ist wirtschaftlich erfolgreich unterwegs. Was bewegt hier den Bewirtschafter, der früher als Betriebsleiter einen intensiven Gemüsebaubetrieb leitete und der den gepachteten Betrieb anfänglich intensiv weiter bewirtschaftete, die über Jahrzehnte bewährte Praxis komplett umzustellen? Ein Bodenkurs motivierte ihn, auf Kreisläufe und auf funktionelle Biodiversität über und im Boden zu setzen. Er legte ein Netz an Brachen und Säumen über den gesamten Betrieb an. Für die Biodiversität im Boden wird mit regenerativen Methoden gearbeitet, Wiederkäuer werden als Tool in die Fruchtfolge integriert. Angestrebt wird eine Lebensmittelproduktion mit einem reduzierten Pestizid- und Kunstdüngereinsatz, der Förderung der Biodiversität und einer Aufwertung der Böden durch eine humusaufbauende Bewirtschaftung sowie optimierte Anbaumethoden, um Nützlinge gezielt nutzen zu können. 2022 erfolgte die Umstellung auf biologische Produktion. Die Jury beeindruckte die Konsequenz, mit der die Umstellung erfolgte. Sie würdigt den Mut, den es dazu brauchte. Dörigs verfolgen das Projekt nicht dogmatisch, sondern sehen es als Versuch, der bei einem langfristigen Erfolg als Vorbild für erfolgreiche Kreislaufwirtschaft dienen kann. Schon die unmittelbare Wirkung der Umstellung auf die Natur ist aufgrund der Grösse des Betriebs immens. Und wenn das Konzept sich bewährt und Nachahmer findet, trägt das Projekt dazu bei, dass die Schweizer Landwirtschaft noch nachhaltiger wird, als sie es ohnehin schon ist.

Urs Schneider, Jurypräsident

Hören Sie sich hier das komplette Interview mit Urban Dörig an

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[IMG 6] Die Jury
Das Ziel ist es, wegweisende Initiativen und Projekte zu identifizieren und zu würdigen. Die Jury, unter der Leitung von Urs Schneider, setzt sich aus internen und externen Experten zusammen, die mit ihrer umfangreichen Erfahrung und ihrem Engagement die eingereichten Projekte beurteilt haben. Das sind die Mitglieder der Jury: (oben v.l.n.r.) Urs Schneider, Urs Brändli, Andreas Stalder,(unten v.l.n.r) Eliane Berner, Simon Bernhard und Simone Barth. 

Lesen Sie hier die Steckbriefe der einzelnen Jury Mitglieder