Die Hände bei sich behalten? Eine echte Herausforderung! Auf jedem Tisch liegen Felle, die man nur zu gerne unter den Fingern fühlen möchte: etwa das dicke, rotbraune Fuchsfell, das flauschige, blau gefärbte Rex-Kaninchenfell oder das seidig-weiche, graue Fell eines Chinchilla-Kaninchens

An den Tischen sitzen sechs Frauen aus der ganzen Schweiz und verarbeiten die Felle zu Mützen, Taschen, Handwärmern und Gilets. Sie alle gehören zur Vereinigung «Fellnähen Schweiz» und verbringen zusammen eine «Erlebniswoche» in Filzbach: Am Vormittag wird genäht, am Nachmittag ist Zeit für Ausflüge.

Frische Näh-Ideen

«Wir stellen hier neue Modelle vor, damit die Frauen frische Ideen fürs Nähen haben», erklärt Anja Marquardt. Die Kürschnermeisterin aus Meggen im Kanton Luzern ist für das Kurswesen im Verband zuständig, der 476 Mitglieder zählt. Der Verband ist organisiert in 58 Fellnähgruppen in der ganzen Deutschschweiz. Genäht werden vorwiegend Kaninchenfelle. Fast alle Mitglieder sind Frauen. Einige züchten selbst Kaninchen. Andere verwerten die Kaninchenfelle aus der Zucht des Ehemannes oder eines anderen Familienmitgliedes.

Felle verwerten

[IMG 2] «Es muss kein Tier fürs Fell sterben», betont Patricia Kelch aus Romanshorn, Präsidentin von Fellnähen Schweiz. Die Felle gehören zu den «Nebenprodukten» der Fleischkaninchenzucht und würden sonst in der Kehrichtverbrennung landen. Die Fellnähgruppen verwerten und verarbeiten jedes Jahr immerhin einige Tausend Felle.

Trotz des Kunstfell-Booms merkt Patricia Kelch, dass das Interesse an der Verwertung von Tierfellen wieder steigt. Denn Fell sei ein Naturprodukt. «Es ist wie Leder – einfach mit Behaarung. Dabei geht es auch um Nachhaltigkeit.» Verkauft werden die Fellprodukte meist an Weihnachts- und Koffermärkten und auf Kleintierausstellungen.

Ein wachsendes Interesse an Produkten aus echtem Fell bestätigt auch Denise Zopfi aus Selzach im Kanton Solothurn. Mit der Fellnähgruppe Biberist hatte sie einen Stand im Einkaufszentrum Gäupark in Egerkingen. «Wir wurden fast überrannt. Viele Erwachsene erinnert unser Angebot an die eigene Kindheit, als sie selbst noch Kaninchenfell-Mützen trugen oder Fell-Kuscheltiere hatten.»

Alles von Hand

Fragen die Kundinnen und Kunden an den Ständen, wie die Tiere gehalten werden? Die Frauen nicken. Manchmal, doch das sei kein Problem. Alle Züchter werden kontrolliert, halten sich an die Tierschutzvorschriften. Anja Marquardt: «Für ein schönes Fell müssen die Tiere gut gehalten werden.» Das sehe man an der Unterwolle, dem Deckhaar und dem Glanz. «Felle aus unklarer Herkunft zu kaufen, ist tabu», ergänzt Patricia Kelch. [IMG 3]

Das eigentliche Nähen ist reine Handarbeit. Gearbeitet wird oft mit einem einfach Überwindlungsstich. Geschnitten werden die Felle allerdings nicht mit einer Schere, sondern nur mit einem Kürschnermesser und einer Rasierklinge, sonst sieht man später kahle Stellen.

Doch bis die Felle überhaupt verarbeitet werden können, braucht es viel Vorarbeit: Nach dem Schlachten muss das Fell fachgerecht an einem Stück abgezogen und zum Trocknen aufgespannt werden.

«Nach etwa zwei Wochen ist es trocken, aber brettsteif», weiss Anja Marquardt. Einmal pro Jahr sammelt der Verein die getrockneten Felle der Mitglieder und schickt sie in eine Gerberei nach Tschechien. Bis man die Felle der eigenen Tiere wieder hat, vergehen rund sechs Monate.

Fellnähen als Hobby

Obwohl sie die Produkte an Märkten verkaufen, betrachten die Frauen das Fellnähen als kreatives Hobby – ohne den tatsächlichen Arbeitsaufwand in den Verkaufspreis einzubeziehen. Manchmal profitieren auch andere davon. «Bei unserer Fellnähgruppe geht ein Teil des Erlöses immer an eine gemeinnützige Organisation», sagt Erika Schwag aus Hätzingen. «In 40 Jahren haben wir so 60'000 Franken gespendet.»

Patricia Kelch erzählt von einer Bäuerin, die den Enkel mit Kaninchen den Ablauf von der Aufzucht bis zur Schlachtung zeigte. Sie liess die Felle fachgerecht aufbereiten, da sie für die Enkel Kuscheltiere nähen wollte.

Doch allein wurde ihr der Aufwand zu viel, daher bat sie die Fellnähgruppe um Hilfe. «Nun gibt es für jedes Kind ein Überraschungspaket mit einem Kuscheltier aus einem der Kaninchen, die sie alle mit Namen kannten. So behalten sie die Tiere in Erinnerung und halten sie in Ehren.»

Weitere Informationen: www.fellnaehen.ch