In Hünenberg steht bei einem Bauernhof ein Plakat, das für ein Ja zur Ehe für alle wirbt. «Meine Mutter hat die Fahne bestellt», sagt Sebastian Bütler. «Für unserem Balkon in Rotkreuz habe ich auch eine bestellt, doch leider ging sie an der Fassade des Hochhauses unter.»
Seit fünf Jahren verliebt
Der 24-jährige Landschaftsgärtner ist seit fünf Jahren glücklich mit einem Mann. Christof Rigert (32) ist Sales Manager in der Tourismusbranche und ebenfalls auf einem Bauernhof in der Zentralschweiz aufgewachsen. «Wir sind beide bodenständig und die Familie ist uns sehr wichtig. Wir teilen die gleichen Werte. Das verbindet», sagt er.
«Das Gesicht kenne ich doch»
Kennengelernt hatten sie sich über eine Kontaktplattform und sich für einen Sonntag verabredet. Am Freitag zuvor liefen sie sich an einer Party über den Weg. «Ich dachte mir, das Gesicht kenne ich doch und ging zu ihm hin», erinnert sich Christof Rigert.
Dass daraus mal die grosse Liebe werden würde, war nicht von Anfang an klar, auch wegen des Altersunterschieds von sieben Jahren. «Sebastian war 19. Ich dachte, ich müsste einen Partner mit mehr Reife und Erfahrung haben.»
«Wir ticken ähnlich»
Doch Christof Rigert fand schnell heraus, dass Sebastian Bütler erwachsen war für sein Alter, vielleicht auch wegen seiner zehn Jahre älteren Schwester. «Ich merkte schnell, dass er bodenständig und verständnisvoll ist. Wir ticken ähnlich und darum fand ich ihn sehr schnell sehr interessant.»
Viel Zeit für eine lange Kennenlernphase blieb sowieso nicht, denn bereits einen Monat später musste Sebastian für zehn Monate ins Militär. «Beim vierten Date lernte ich beim Frühstück Christofs Mutter kennen. Das war erst komisch, aber sie war so offen, dass ich mich sofort willkommen fühlte», erinnert er sich zurück.
Unterschiedliche Outings
Für Sebastian Bütler war das Outing mit 18 Jahren recht entspannt. Kurz zuvor gewann Conchita Wurst den Eurovision Song Contest. «Ich sass mit meinem Vater vor dem Fernseher und habe gemerkt, dass das für ihn überhaupt kein Problem ist.» Er schickte den Eltern eines Tages von der Arbeit aus eine SMS. «Ich dachte mir, dann können sie darüber nachdenken und wenn sie Fragen haben, kann ich sie beantworten, sobald ich zu Hause bin.»
Für Christof Rigert war alles etwas weniger einfach. «Ich hatte zuerst eine Freundin. Das war irgendwie so klar von der Gesellschaft her vorgegeben.» Es sei ihm gar nie in den Sinn gekommen, dass auch Männer für ihn interessant sein könnten. Aus einem Badeurlaub mit Freunden kam er nachdenklich zurück: «Irgendwie hatte es mir keinen Spass gemacht, dort auf Frauenjagd zu gehen.» Er ertappte sich dabei, dass er sich auf Magazinen attraktive Männer ansah und begann, sich Gedanken zu machen.
Vater brauchte etwas Zeit
Seinen Eltern erzählte er erst, dass er schwul ist, als er einen festen Freund in Zürich hatte. «Meine Mutter machte sich Sorgen, weil ich oft dort unterwegs war, dachte, ich hätte falsche Freunde oder es wären Drogen im Spiel.» Sie habe erst gedacht, es sei nur eine Phase. Dann sagte sie ihm, er solle es dem Vater erzählen, denn sie hielt es nicht mehr aus, das vor ihrem Mann geheimzuhalten.
«Ich hatte Angst vor der Reaktion meines Vaters und meines Bruders», meint Christof. In dessen Teenagerclique sei «Schwuchtel» ein Schimpfwort gewesen. «Als ich es erzählte, sah mein Bruder nur kurz von der Zeitung auf und meinte: ‹Easy›.» Der Vater hingegen brauchte etwas Zeit. «Er konnte drei Tage nicht mit mir reden. Dann sagte er: ‹Du bist immer noch mein Bub›.»
«Für mich ist das kein grosses Thema»
In der Öffentlichkeit sind schwule Bauern bislang eher rar vertreten. Negative Erfahrungen haben sie in der Landwirtschaft oder auf dem Land aber nicht gemacht. «Natürlich werden die Leute über mich sagen, ‹das ist der Sebastian, der ist schwul›. Aber für mich ist das kein grosses Thema», sagt Bütler.
Die beiden schätzen Landfeste genauso wie den Ausgang in Zürich, mögen Theater und Drag-Queen-Shows. «Wir sind ohnehin kein Paar, das in der Öffentlichkeit ständig turtelt. Ich bin da eher zurückhaltend von der Art her», sagt der leidenschaftliche Gärtner. Er ist selbst als Drag Queen unterwegs, aber diese Passion kommt wegen einer Weiterbildung derzeit etwas zu kurz.
Hofübernahme in Planung
Seit einem Jahr haben die beiden ein weiteres gemeinsames Projekt. Sie möchten gerne den Hof von Sebastians Eltern übernehmen. Vater Matthias Bütler wird 2025 pensioniert. Der Betrieb mit 15 Kühen, deren Milch an die Zentralschweizer Milchproduzenten (ZMP) geht, und Ackerbau ist 15 Hektaren gross. Mutter Reinhilde Bütler arbeitet auswärts.
«Wie Schuppen vor die Augen»
Die Idee kam ihnen nicht sofort. Sebastian Bütler hatte sich bereits mehrmals mit seinen Geschwistern, den Eltern und dem Berater ausgetauscht, aber irgendwie hatte keines der Kinder so richtig Interesse. «Christof sagte mir dann, er hätte aber schon Interesse und würde gerne mithelfen. Da fiel es mir wie Schuppen vor den Augen, dass wir das ja zusammen machen könnten.» Dafür möchten sie heiraten und hoffen auf ein Ja zur «Ehe für alle» am 26. September.
Gleiche Rechte für alle
Heute ist die Ehe in der Schweiz nur zwischen Mann und Frau möglich. Gleichgeschlechtliche Paare haben nur die Möglichkeit, eine eingetragene Partnerschaft einzugehen. Für sie ist die vereinfachte Einbürgerung oder die gemeinsame Adoption eines Kindes nicht möglich. Sie haben auch keinen Zugang zur Fortpflanzungsmedizin. Darum wollen der Bundesrat und das Parlament die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare öffnen. Gegen diesen Beschluss wurde das Referendum ergriffen. Jetzt hat das Volk das letzte Wort.
Die beiden Bauernsöhne engagieren sich im Umfeld mit vielen Gesprächen für ein Ja. «Und in dem wir uns hinstellen und offen zeigen, dass wir schwul sind und das ganz normal ist», sagt Sebastian. «Ich bin grundsätzlich zuversichtlich. Ich hoffe, dass auch alle an die Urne gehen, die denken, es werde sowieso angenommen», so Christof.
Wer macht den Antrag?
«Für ihn, der von aussen auf den Hof kommt, wäre es viel einfacher, wenn wir richtig verheiratet sind. Bei einer eingetragenen Partnerschaft braucht es viele Zusatzverträge», ergänzt Sebastian.
Einen konkreten Hochzeitstermin gibt es noch nicht. Auf die Frage, wer denn bei zwei Männern den Antrag machen müsse, lachen beide. «Ich bin da schon traditionell und wünsche mir ein Verlobungsfest. Und Christof ist schliesslich der Ältere», neckt Sebastian seinen Freund. «Aber der Schnellere ist der Geschwindere.»