Dass es Massnahmen für ein Zusammenleben bzw. ein Nebeneinander von Wölfen und Nutztierhaltung in der Schweiz braucht, scheint mittlerweile unbestritten. Aber sollte man Wölfe wie Steinböcke regulieren, mit einer jährlichen Abschussplanung und einer winterlichen Jagd? Mit dieser Frage wird sich in der Wintersession vom 28. November bis 16. Dezember 2022 der Nationalrat beschäftigen: Man beugt sich über die Revision des Jagdgesetzes (JSG), auf der von Seiten Landwirtschaft grosse Hoffnungen ruhen.
Bestände präventiv regulieren
Während der Schweizer Bauernverband (SBV) den aktuellen Vorschlag zum JSG als gute Grundlage für die weiteren Verhandlungen im Nationalrat bezeichnete, warnen die Umweltverbände vor einer Scheinlösung. Anfang 2022 hatten Organisationen aus Land- und Forstwirtschaft sowie dem Naturschutz einen breit abgestützten Kompromiss vorgelegt, der im Zuge der bisherigen Parlamentsdebatten aber abgeändert worden ist.
Folgender Text wurde eingereicht:
Mit der Änderung des Bundesgesetzes über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel (JSG) soll analog der Zuständigkeitsordnung für das (geschützte) Steinwild präventiv die Regulierung von Wolfsbeständen durch die Wildhut ermöglicht werden. Als zusätzliche Massnahme zum zumutbaren Herdenschutz soll die Regulierung von Wolfsbeständen zulässig sein, wo aufgrund der hohen Wolfsdichte die Landwirtschaft gefährdet ist. Für diese Gebiete soll die Entfernung von Wolfsrudeln oder Teilen davon zulässig sein. Die geplanten Regulierungsmassnahmen sowie deren Zielsetzung (Stabilisierung oder Reduktion) sind von den Kantonen zu begründen. Wölfe, die auffallen, weil sie Siedlungen und Menschen bedrohlich nahekommen oder den Herdenschutz umgehen, sollen erlegt werden dürfen.
Umweltverbände signalisieren ihre Bereitschaft
Pro Natura, die Gruppe Wolf Schweiz, der WWF und BirdLife betonen in einer aktuellen Mitteilung im Vorfeld der Wintersession ihre Bereitschaft, Hand zu bieten für eine präventive Wolfsregulation. Keine der bisher 24 Abschussfreigaben in Jahr 2022 habe man rechtlich angefochten, so die Argumentation. Dies, obwohl damit jeder achte Wolf gejagt und ein Viertel der Schweizer Rudel reguliert werden konnten. Es sei somit bereits mit dem bestehenden JSG möglich, in den Wolfsbestand einzugreifen.
Unvollständiger Herdenschutz von Behörden akzeptiert
Bei der Beurteilung der Herdenschutzmassnahmen würden die Kantone allerdings «mehr als ein Auge» zudrücken, schreiben die Umweltverbände weiter und berufen sich auf Schadensprotokolle zu Rissen. Oft entspreche der in der Praxis umgesetzte Herdenschutz nicht den Vorgaben, etwa wenn die Herdenführung in Anwesenheit eines Herdenschutzhundes zu wenig kompakt oder die Nachtweide zu gross sei. Trotzdem beurteilten die Behörden nach Angaben der Umweltverbände solcherlei Situationen in der Vergangenheit als «geschützt», womit entsprechende Risse für den Abschuss angerechnet wurden.
Der Herdenschutz sei nicht zu ersetzen
Eine Regulierung könne den korrekten Herdenschutz nicht ersetzen, zeigen sich Pro Natura und Co. überzeugt. Abschüsse müssten im Zusammenhang mit grossem Schadenpotential oder einer konkreten Gefährdung stehen, um wirksam zu sein. «Das Parlament muss der wissenschaftlich fundierten, gutschweizerischen Konsenspolitik wieder Vorrang vor einer Problembewirtschaftung geben», appellieren die Umweltverbände.
Verordnung dient zur Überbrückung
Wann die Verhandlungen zum JSG zum Abschluss kommen, ist noch unklar. Bereits hat der Bundesrat seinen Vorschlag für die Jagdverordnung in die Vernehmlassung geschickt, die Abschüsse gefährdender Wölfe vereinfachen und ab dem 1. Juli 2023 gültig sein soll. Die neuen Regelungen sind dazu gedacht, die Zeit zu überbrücken, bis das revidierte JSG in Kraft tritt.
Den Übersichtsartikel zur Wintersession 2022 finden Sie hier.