In meinem letzten Arena-Beitrag im Mai 2024 habe ich über die grosse Frostgefahr in diesem Frühling berichtet, die unsere Rebberge bedrohte. Mit Ausnahme des Klettgaus SH überstanden die jungen Triebe die kalten Nächte aber weitgehend unbeschadet. Möglicherweise wurden sie jedoch geschwächt, sodass die Kraft der Blütenstände (Gescheine) beeinträchtigt wurde. Dies wiederum war verhängnisvoll, weil die Rebenblüte in eine sehr niederschlagsreiche Phase fiel. Das Resultat: Die Befruchtung war unterdurchschnittlich, sodass sich viel weniger Traubenbeeren bildeten als gewöhnlich; es kam zu grossflächigen Verrieselungen.
Vor der Kirschessigfliege auf der Hut
Die Menge dürfte dieses Jahr deshalb unterdurchschnittlich ausfallen, der Qualität des Weines wird dies nicht schaden. Wichtig ist aber, dass der falsche Mehltau erfolgreich bekämpft werden konnte. Denn das andauernd nasse Wetter im Mai und im Juni behagte den Pilzsporen sehr, deren man kaum Herr wurde. Vor allem die biologische Bekämpfung kam an ihre Grenzen und machte sehr viele Spritzungen nötig. Die warmen und heissen Juli- und Augustwochen kamen dann gerade richtig, damit sich die Rebberge endlich erholen konnten. Nun haben sie sich prächtig entwickelt.
Jetzt gilt es nur noch, vor der Kirschessigfliege auf der Hut zu sein. Wohl etwas später als in den Vorjahren steht dann das schöne Finale an: der Wimmet. Auch dann ist das Wetter wichtig, und es kündet sich ein goldener Herbst an. Weshalb? Weil wir am 24. August, am Bartholomäustag, wunderschönes Sommerwetter hatten. Und gemäss einer alten Bauernregel folgt das Herbstwetter dem Wetter dieses Tages: «Wie Bartholomäustag sich hält, so ist’s auch im Herbst bestellt.» Ein gutes Omen für einen tollen Schlusspunkt unter ein herausforderndes Weinbaujahr. Das macht Hoffnung für einen wiederum hervorragenden Jahrgang unserer Ost- und Deutschschweizer Weine.
Landwirtschaft braucht Verständnis
Auf jeden Fall hat das laufende Landwirtschaftsjahr wieder einmal die Grenzen von landwirtschaftlicher Produktion und Produktivität aufgezeigt, beim konventionellen wie vor allem auch beim biologischen Anbau. Die Kartoffeln hatten oft zu nass, auch andere Gemüse litten unter den Verhältnissen, die Zuckerrüben mussten schwierige Wochen überstehen, und beim Getreide liess sich vielerorts ein starker Pilzbefall nicht vermeiden. Die Landwirtschaft findet immer noch draussen in der Natur statt.
Das sollten auch die Konsumentinnen und Konsumenten zur Kenntnis nehmen und auch die Stimmberechtigten an der Urne. Die Landwirtschaft kann viel und ist effizient, sie entwickelt sich in die richtige, naturnahe Richtung, aber sie braucht auch Verständnis und Vertrauen. Sie braucht Konsumentinnen und Konsumenten, die nicht nur mit dem Auge und dem Portemonnaie einkaufen, sondern gute und gesunde regionale Produkte vor billigen Importprodukten bevorzugen. Und sie braucht Stimmberechtigte, welche die Landwirtschaft fordern und fördern, aber nicht überfordern mit Initiativen, die aus landwirtschaftlich produzierender Sicht nur als masslos bezeichnet werden können, wie die Trinkwasser- und die Pestizid-Initiativen, die im Sommer 2021 zum Glück klar abgelehnt worden sind.
In die gleiche Richtung geht die Biodiversitäts-Initiative, über die wir am 22. September abstimmen. Einmal mehr ist es deshalb wichtig, Nein zu sagen. Mit dem Nein verbinde ich aber auch die Hoffnung und die Forderung an alle Beteiligten, in dieser Frage aufeinander zuzugehen und Wege zu finden, welche die Biodiversität stärken, aber auch die Landwirtschaft. Wir brauchen beide!
Zur Person
Jakob Stark ist SVP-Ständerat des Kantons Thurgau und Präsident des Branchenverbands Thurgau Weine. Er schreibt regelmässig für die Kolumne «Arena» der BauernZeitung Ostschweiz/Zürich.