Die Hälfte der Weltbevölkerung verwendet Palmöl in Lebensmitteln. Das öffentliche Bewusstsein für den Verlust von Wildtieren durch Entwaldung durch Palmölkulturen wächst, und der Druck auf die Einzelhändler steigt, ihre Verkäufe von Palmölprodukten zu reduzieren oder sie insgesamt zu boykottieren.
In Grossbritannien löste eine Weihnachtswerbung der britischen Supermarktkette Iceland Food eine grosse Debatte aus.
In der Video-Animation wird die Verbindung zwischen Palmöl, Abholzung der Wälder und dem Tod von Orang-Utans dramatisiert:
#YT0#
Das Video durfte daraufhin nicht mehr ausgestrahlt werden, da es politische Werbegesetze gebrochen hätte. Denn die Animation wurde ursprünglich von Greenpeace produziert.
Die University of Kent und Oxford äusserten sich zu diesem Thema in einem Bericht, der von den Autoren Jake Bicknell, University of Kent; Eleanor Slade, University of Oxford und Matthew Struebig, University of Kent verfasst wurde. Laut den Autoren ist "die Kampagne der Supermarktkette war zwar eine grossartige Möglichkeit, die Nachhaltigkeit der Lebensmittel stärker in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken, doch ein ausgesprochender Boykott auf Palmölprodukte könnte tatsächlich zu mehr Problemen für Wälder und Wildtiere führen".
Boykott führt zu einer Verschiebung
Die Autoren verweisen auf einen kürzlich veröffentlichten Bericht der Internationalen Union zum Schutz der Natur. Darin heisst es, dass ein Boykott von Palmöl lediglich zu einer Verschiebung in der Landwirtschaft führen würde. Vereinfacht gesagt, müsste boykottiertes Palmöl durch andere Pflanzenölsorten ersetzt werden, um die globale Nachfrage zu befriedigen – und das könnte die Situation sogar noch verschlimmern, so die Autoren.
Mit Palmöl mehr Öl produzieren
Dies sei darauf zurückzuführen, dass Palmölkulturen im Vergleich zu anderen üblichen Pflanzenölquellen wie Raps und Sojabohnen vier bis zehn Mal mehr Öl pro Landeinheit produzieren und weitaus weniger Pestizide und Düngemittel benötigen. Tatsächlich würde Palmöl nur auf 10% der Fläche angebaut werden, die für Ölpflanzen bestimmt sei.
Wenn also andere Kulturen wie Sojabohnen einen Mangel an Palmöl ersetzen, würde dies nicht nur die Produktion auf den Amazonas (eine wichtige Soja-Anbauregion) verlagern, sondern auch mehr Land erfordern, was zu einer stärkeren Abholzung der Wälder führen würde, erklären die Autoren.
Tatsächlich sei die Sojabohnenzucht bereits für mehr als die doppelte Entwaldung von Palmöl verantwortlich. Im Zusammenhang mit anderen Nahrungsquellen hätte die Vieh- und Rindfleischerzeugung im Vergleich zu Palmöl mehr als das Fünffache der Entwaldung bewirkt.
Schwierige Zeit für nachhaltiges Palmöl
Die Zertifizierung – ein Mechanismus, mit dem Verbraucher höhere Preise für Produkte mit verantwortungsbewussterer Beschaffung zahlen – ist ein Weg, um den Schutz der Regenwälder und der dort lebenden Wildtiere zu unterstützen.
Die Palmöl-Zertifizierung wird durch den Roundtable on Sustainable Palm Oil (RSPO) angeführt, der den Markt für umwelt- und sozialverträgliches Palmöl anführt, das nicht zur Entwaldung beiträgt.
Eine grosse Herausforderung bestehe für den Sektor darin, dass derzeit weniger als 20% des Palmöls der Welt als nachhaltig zertifiziert sind. Für Produzenten besteht wenig Anreiz, sich um eine Zertifizierung zu bemühen – oder Einzelhändler, die umwelt- und sozialverträgliche Produkte fördern – solange die Debatte sich weiterhin auf das Boykottieren von Palmöl insgesamt konzentriert.
Negative Schlagzeilen hindern Werbung für zertifiziertes Palmöl
Nur etwa die Hälfte des nachhaltigen Palmöls würde tatsächlich als zertifiziert verkauft werden, da ein grosser Marktanteil nicht bereit sei, die Prämie für nachhaltige Produkte zu zahlen.
Trotzdem verwenden viele grosse Einzelhändler und führende Marken (einschließlich Nestlé, Unilever und Palmolive) und Supermärkte (wie beispielsweise Morrison, Waitrose und Sainsbury's in Grossbritannien) bereits zertifiziertes Palmöl in ihren Produkten, können jedoch dafür nicht werben aufgrund der ständig negativen Schlagzeilen rund um Palmöl, so die Autoren.
Tierfreundliche Plantagen
Um die Palmölindustrie beim Schutz der Tierwelt zu unterstützen, arbeiten Naturschutzwissenschaftler mit Zertifizierungsstellen und Produzenten zusammen, um die Auswirkungen des Palmölanbaus auf die Biodiversität zu verbessern, heisst es im Bericht der Autoren.
Als Beispiele nennen sie: Kulturen nicht auf bewaldeten Flächen anzubauen oder Wälder entlang der Flüsse zu schützen, damit Waldflächen von hoher Qualität miteinander verbunden werden und sich die Tierwelt freier bewegen kann.
Die Autoren sind sich sicher: Wenn die Zertifizierung von Palmöl populärer werden würde, könnten die Aussichten für Wildtiere, einschliesslich Orang-Utans verbessert werden. Aus diesem Grund unterstützen grosse Naturschutzorganisationen – darunter führende Orang-Utan-Wohltätigkeitsorganisationen und Greenpeace – weiterhin zertifiziertes Palmöl statt eines Boykotts.
ke/pd