«Wir werden ein schwieriges Umfeld haben!» Das sagte Urs Schneider an der Wülflinger Wintertagung in seinen Ausführungen zu den beiden Trinkwasser-Initiativen, über die voraussichtlich im November 2020 abgestimmt wird. Der Stellvertretende Direktor des Schweizer Bauernverbands bezog sich dabei auf eine Studie, die das Forschungsinstituts GFS im Auftrag des SBV erstellte. Diese stellt fest, dass die Landwirtschaft zwar grundsätzlich viel Wohlwollen in der Bevölkerung geniesst. Die beiden Initiativen würden aber einen hohen Problemdruck in der Bevölkerung ansprechen: «Niemand will Pestizide oder irgendwelche Rückstände im Trinkwasser.» Dazu kommt, dass der kleinste Teil der Bevölkerung einen Unterschied zwischen der Trinkwasser- und der Pestizidverbots- Initiative machen wird. Die Studie geht deshalb davon aus, dass entweder beide Initiativen angenommen oder abgelehnt werden.
Eigenes Thema setzten
Vor diesem Hintergrund skizzierte Urs Schneider die Hauptstossrichtung des eigentlichen Abstimmungskampfes des SBV: Man wolle weniger das Thema «Trinkwasser» in den Vordergrund stellen, sondern vielmehr die Tatsache, dass es sich bei den beiden Volksbegehren um «Importförderungsinitiativen» handle. Deren Annahme würde zu einer deutlichen Reduktion der landwirtschaftlichen Produktion im Inland führen. Das wiederum bedeute mehr Importe aus dem Ausland und weniger Bauern in der Schweiz. «Das will niemand», sagte Schneider. Doch zur Zeit steht für den SBV noch das Motto «Besser werden» und die Aufklärungskampagne «Wir schützen, was wir lieben» im Vordergrund.
Viele Unsicherheiten
Ein Start hat immer auch etwas Hoffnungsvolles. Das sagte Marc Peter bei der Eröffnung der diesjährigen Wülflinger Wintertagung. Doch beim Start ins 2020 sei dies anders. «Das angelaufene Jahr ist für die Landwirtschaft mit grossen Unsicherheiten behaftet», stellte der Präsident des organisierenden Landwirtschaftlichen Bezirksvereins Winterthur fest. Als Beispiele nannte er etwa den Ausgang der Trinkwasser- und der Pestizidverbots-Initiative. Das einzig Sichere sei, dass die Medien im Schaltjahr 2020 einen Tag mehr Gelegenheit hätten, auf der Landwirtschaft herumzuhacken. Bei diesem medialen Trommelfeuer sei es wichtig, dass die Landwirt(innen) zusammenstehen und gemeinsam kämpfen würden. Und so fand an der diesjährigen Wintertagung, die unter dem Titel «2020 – ein Schicksalsjahr?» stand, denn auch keine kontroverse Diskussion statt. Die Tagung hatte eher den Charakter einer «Nabelschau», wie es Marc Peter ausdrückte.
Verunsicherte Konsumenten
Der Pflanzenschutz spielt für die Bauern eine zentrale Rolle zur Einkommens- und Ertragssicherung, sagte Marc Peter in seinem Referat. Das Risiko eines kompletten Ernteausfalls sei für einen Landwirt heute finanziell nicht mehr tragbar. Wie Peter weiter darlegte, müssen immer mehr Menschen mit einer kleiner werdenden Landwirtschaftlichen Nutzfläche ernährt werden. Vor diesem Hintergrund könne die landwirtschaftliche Produktion nicht noch weiter heruntergefahren werden. Immerhin würden Pflanzenschutzmittel 40 Prozent des Potenzials sicherstellen, das in einer Pflanze steckt.
Einen Grund für die massive und breite Kritik weiter Kreise der Gesellschaft am Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sieht Marc Peter in der Verunsicherung durch ein mediales Dauerfeuer. Die Konsumenten seien aber auch schlecht informiert. Der Bevölkerung werde durch die Werbung der Grossverteiler das Bild einer heilen und idealen landwirtschaftlichen Produktion vermittelt, die es so nicht gebe und mit der die Ernährung der Bevölkerung nicht möglich sei. Mit Blick auf die Zukunft plädiert Marc Peter für eine breite gesellschaftliche Diskussion, die nicht ideologisch geprägt ist. Zudem müssten für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln wissenschaftlich breit abgestützte Grundlagen erarbeitet werden. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln müsse gezielter werden, die Ausbringung müsse optimiert werden. Für Peter ist es zudem ein zentrales Anliegen, dass die Bauern für die zusätzlichen Kosten, die ein optimierter Pflanzenschutz mit sich bringt, über die Preise für ihre Produkte entschädigt werden.
Keinen Zugang zu Medien
Ferdi Hodel kritisierte in seinen Ausführungen die Medien ebenfalls scharf. Der Geschäftsführer des Zürcher Bauernverbands illustrierte diese Kritik am Beispiel des Wirkstoffs Chlorothalonil. Dieser galt über Jahrzehnte als unbedenklich. «Den könnt ihr trinken», habe man früher den Bauern gesagt, so Hodel. Erst nachdem die EU den Status des Wirkstoffs auf «bedenklich» geändert und diesen als gleich gefährlich wie zum Beispiel Würste eingestuft habe, wurde in der Schweiz ein Grenzwert festgelegt. Nachdem in elf von 298 Proben eine Überschreitung dieses tief angesetzten Grenzwertes festgestellt worden war, hät-ten die Kantonschemiker im September 2019 «einigermassen korrekt informiert», sagte Hodel. «Die Qualität des Schweizer Trinkwasser ist gut, regionale Verbesserungen sind nötig.» Das war die Grundaussage der Medienmitteilung. Mit Titeln wie «170 000 Schweizer tranken kontaminiertes Hahnenwasser», hätten einzelne Medien ein völlig überrissenes Bild der Situation gezeichnet. «Wir haben keinen Zugang für eine erklärende oder positive Berichterstattung in den Medien», stellte Ferdi Hodel fest. «Deshalb kommunizieren wir auf eigene Faust».
Die sozialen Medien nutzen
Die sozialen Medien spielen eine immer wichtigere Rolle in der Kommunikation des Zürcher Bauernverbands. Seit Mai 2018 sucht der ZBV über seine Facebook-Seite «Naturtalent» den Kontakt zu Konsumentinnen und Konsumenten. In den über diesen Kanal verbreiteten selbst produzierten Filmen thematisiert der ZBV landwirtschaftliche Themen. Laut Hodel verzeichnet die Seite inzwischen über 16 000 Follower. Mit rund 80 Filmbeiträge wurden über 1,5 Millionen Personen erreicht. Hauptzielgruppe sind Frauen zwischen 35 und 50 Jahren im Kanton Zürich.
Weitere Elemente der Kommunikation des ZBV ist der jährliche Event «Vo Puur zu Puur» sowie die Roadshow «heimisch», bei der der ZBV in Einkaufszentren landwirtschaftliche Themen präsentiert. Ab diesem Jahr erhalten zudem sämtliche Mitglieder der kantonalzürcher SVP Woche für Woche zusammen mit der Parteizeitung «Zürcher Bote» auch den «Zürcher Bauer», die Wochenzeitung des Zürcher Bauernverbands. Damit kann dieser seine Auflage auf 10 000 Exemplare verdoppeln.