Simon Santschis Handgriffe sind ruhig und routiniert: Form einfetten, Teig auswallen, Eier für den Guss aufschlagen. Er bereitet «Simons Früchtekuchen» zu, eine der Spezialitäten auf der Site Alp oberhalb von Zweisimmen BE. Was macht den Kuchen so besonders? «Das bleibt mein Geheimnis», grinst der 32-Jährige und schiebt die Backform in den Ofen.
Seine Frau Nadja sitzt währenddessen in einer ruhigen Küchenecke und stillt Söhnchen Lionel. Mit Mitarbeiterin Regula bespricht sie, was noch gemacht werden muss und welches die heutige Tagessuppe ist: Kürbis.
Von Hektik keine Spur, obwohl zur Mittagszeit eine Gruppe von 50 Teenagern angekündigt ist.
Gute Zusammenarbeit
«Wir arbeiten gut zusammen», sagt Nadja Santschi. «Obwohl oder vielleicht gerade weil wir in der Küche so unterschiedlich ans Werk gehen: Simon ist als Käser sehr organisiert und ordentlich, ich bin eher kreativ-chaotisch.»
«Dafür bist du im Büro und bei den Finanzen super organisiert und sagst Stopp, wenn ich mal wieder eine Idee realisieren möchte, die noch nicht zum Budget passt», meint Simon.
Kühe, Schweine und Geissen
Gemeinsam betreibt das Paar die Site Alp auf 1560 Metern über Meer. Seit letztem Jahr auch im Winter, wenn die Kühe im Tal sind und die kleine Schaukäserei geschlossen ist.
Dafür ist die grosse Rundholzstube im oberen Teil der Alphütte geöffnet, hier kann man all die Käsespezialitäten geniessen, die im Alpsommer hergestellt wurden.
Die Eltern Santschi, Landwirte aus Sigriswil, kauften die Alp vor 32 Jahren. Mutter Mathilde stammt aus der Gegend. Vor fünf Jahren übernahm Simon den Betrieb, er ist gelernter Landwirt und Milchtechnologe.
150 Alpschweine
Im Sommer weiden auf der Site Alp und der dazugehörigen Alp Zimmerboden 90 Kühe sowie 150 Alpschweine. «Und meine drei Zwerggeissen fürs Gemüt», ergänzt Nadja Santschi lächelnd.
In der Schaukäserei werden pro Saison zehn bis zwölf Tonnen Berner Alpkäse gefertigt sowie je eine Tonne Mutschli und Raclette. Dazu kommen Joghurts, Butter und Ziger.
«Wir beschäftigen während der Alpsaison drei Vollzeit-Angestellte», erzählt Simon. «Die Vermarktung läuft grösstenteils über den Talbetrieb. Einen Teil verkaufen wir hier vor Ort.»
Seit der Schulzeit ein Paar
Nadja und Simon kennen sich aus der Schulzeit in Sigriswil. Sie sind ein Paar, seit sie 16 und er 19 Jahre alt sind. Dabei wollte Nadja, die nicht aus einer Bauernfamilie stammt, gar keinen Landwirt heiraten, nie und nimmer. «Ich wollte keinen so rustikalen Mann. Und vor Kühen hatte ich Angst.»
Patente Wirtin
Mittlerweile hat sie zehn Sommer auf der Alp verbracht und sich längst mit den Kühen und den dazugehörigen Arbeiten angefreundet. «Ich habe alles gelernt, was es im Alltag auf einer Alp braucht», erzählt die 29-jährige kaufmännische Angestellte.
«Im letzten Jahr machte ich zusätzlich das Wirtepatent, damit wir unsere Alpbeiz betreiben dürfen.»
Bereits in früheren Jahren betrieben die beiden im Sommer eine kleine Gaststube auf der Alp. Doch im Herbst zogen Nadja und Simon jeweils nach Sigriswil und im Winter arbeiteten sie in Grindelwald als Skilehrer.
Die Zwischensaison nutzte das Paar meist für ausgedehnte Reisen, zum Beispiel nach Patagonien, Australien, Polen, Namibia und in die USA. «Uns gefiel es, wenn es ein bisschen abenteuerlich war, wenn wir trekken konnten. Weite, offene Landschaften faszinierten uns. Das ist etwas ganz anderes als hier.»
Mehrmals pro Jahr zügeln
Mehrmals pro Jahr zügeln und nirgends richtig daheim sein, wurde ihnen mit der Zeit zu viel. So kam die Anfrage der Loipen-Betreiber auf dem Sparenmoos wie gerufen: Ob sie Lust hätten, ihr Alpbeizli auch im Winter zu betreiben? Es fehle eine Einkehrmöglichkeit für die Gäste.
Nadja und Simon waren Feuer und Flamme. Das gäbe ihnen die Möglichkeit, die Alpprodukte das ganze Jahr über zu verkaufen.
Allerdings war die Alphütte schlecht isoliert. Die einzige Heizmöglichkeit: Der Holzofen in der Küche. Geschirr waschen? Ging nur draussen vor der Hütte. Also musste gehörig investiert werden.
Investition in die Zukunft
«Zum Glück halfen uns meine Eltern», erzählt Simon. «Die waren selbst immer sehr innovativ und sofort für die Idee zu haben. Zusätzlich bekamen wir Unterstützung von der Berghilfe.» Mit viel Eigenleistung wurde im letzten Herbst das Dach isoliert.
Die Zeit war anstrengend: «Baustellen-Stress, grosser Gäste-Andrang, Wohnung zügeln und Abschluss der Alpzeit» beschreibt Nadja in ihrem Blog jene Tage. «Mitten in der herbstlichen Umbauphase, in der auch noch Gäste bewirtet wurden, entschied sich Baby Lionel etwas früher als erwartet auf die Welt zu kommen.»
An einem Ort daheim
Doch alles verlief gut. Schwiegermutter Mathilde sprang kurzfristig ein und hilft den jungen Eltern auch jetzt noch bei der Babybetreuung, wenn in der Alpbeiz viel los ist.
Das Paar lebt nun das ganze Jahr über in Zweisimmen. Auf der Alp heizt jetzt eine Holzfeuerung über ein Gebläse die Gaststube im obe-ren Stockwerk. In einem Nebenraum wurde eine zweckmässige Gastroküche eingebaut, die zum Angebot der Alp passt.
Die Alpbeiz läuft gut, neben Winterwanderern, Schlittlern und Langläufern kommen viele einheimischen Gruppen, die in der Rundholzstube einen Geburtstag, einen Hochzeitsapéro oder einen Firmenanlass feiern.
Santschis sind zufrieden. «Wir hatten die Idee, die eigenen Produkte gleich vor Ort zu verkaufen und durften feststellen, dass das einem Bedürfnis entspricht. Das macht Freude», sagt Nadja. «Zudem sind Simon und ich vom Typ her dazu gemacht, selbst Entscheide zu treffen. Das liegt uns.»
Alpcharakter bewahren
Immer wieder bekommt das Paar Anfragen, ob man auf der Alp auch übernachten könne. Doch ein weiterer Ausbau ist nicht geplant. «Der ruhige Alpcharakter soll erhalten bleiben, das liegt uns am Herzen.»
Auch andere Projekte sind auf Eis gelegt. So illustrierte und schrieb Nadja vor Lionels Geburt zwei Kinderbücher: Das Alptierbuch «Flöckli auf der Suche nach Trudi» und die Geschichte einer wasserscheuen Robbe.
Das Bilderbuch entstand im Auftrag des Hallenbads Burgdorf. Ob sie damit weitermachen will, weiss die junge Mutter noch nicht. «Für so etwa brauche ich Musse, und die fehlt mir zur Zeit.»
Damit sich nicht alles nur um die Arbeit dreht, bleibt die Alpbeiz in der Nebensaison am Montag und Dienstag geschlossen.
«So kann Simon zum Beispiel am Vormittag eine Skitour machen und ich gehe am Nachmittag zwei Stunden auf die Langlaufski. Wir haben ja hier alles vor der Haustür, was wir zur Erholung brauchen. Das gibt Abstand und wir reden mal über etwas anderes als den Betrieb. Das ist uns wichtig.»
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