Nein», sagt Astrid Spiri bestimmt. Behutsam aber nachdrücklich umfasst sie den Hals des Ganters und hält ihn einen Moment fest. Das Tier hatte wiederholt versucht, sie zu beissen, als sie die Gänsegruppe mit frischen Rüebli anlockte. «Das kann ich ihm nicht durchgehen lassen. Ich bin hier die Chefin.» Nach der dritten Wieder­holung begreift das auch der Ganter.

Astrid Spiri arbeitet mit einem 50-Prozent-Pensum in der Lohnmetzgerei ihres Lebenspartners Erwin Schenk. Für ihre Tiere ist sie sieben Tage in der Woche da. Sie hält sieben Diepholzer Gänse, zehn Appenzeller Spitzhaubenhühner und vier Schweizerhühner. Dazu kommen zwei Hybrid-Hennen. Das sind Hühner, die speziell auf Eierleistung gezüchtet werden. «Nicht meine Wahl», stellt sie klar. «Doch Erwin wollte zuverlässige Eierlieferantinnen.» In Sachen Legeleistung können die ursprünglichen Rassen nicht mit den Hybriden mithalten. Dafür sind sie langlebig und weniger krankheitsanfällig.

Geflügelhaltung boomt

Geflügel hält Astrid Spiri seit 20 Jahren. Die Mutter von vier erwachsenen Kindern lebt in einem ehemaligen Bauernhaus mit Stallgebäude in Neukirch an der Thur, wo die Tiere genügend Platz haben. «Meine zweitälteste Tochter kam damals mit der Idee. Da wir gerne backen und dafür Eier brauchen, war ich leicht zu überzeugen.» Ihr gefil auch der Gedanke, den Kindern auf ihren Lebensweg mitzugeben, wie man Verantwortung für Nutztiere trägt. Sie selbst ist auf einem Landwirtschaftsbetrieb in thurgauischen Tägerwilen aufgewachsen, wo sie viel Zeit mit Tieren verbrachte.

Den Anfang machten einige Hybriden, die aber bald durch Schweizerhühner ersetzt wurden. Astrid Spiri begann, sich mit ursprünglichen einheimischen Geflügelrassen auseinanderzusetzten. Sie entdeckte über Pro Specia Rara die vifen Appenzeller Spitzhaubenhühner für sich – und vor allem die Diepholzer Gänse. «Da hat es mich richtig gepackt.»

Inzwischen ist sie Präsidentin des Züchtervereins für ursprüngliches Nutzgeflügel (ZUN), betreut das Herdebuch, wie das Zuchtstammbuch genannt wird, und die Tiervermittlungsstelle. Und sie ist Präsidentin von Weidegans.ch: Der Verein macht sich für weidebasierte und natürliche Gänsehaltung in der Schweiz stark. «Geflügelhaltung erlebt in der Schweiz seit einigen Jahren einen Trend», weiss Astrid Spiri. «Gerade Hühner sind gäbige Einsteigertiere, weil man für sie nicht viel Platz braucht und weil sie weniger pflegeaufwendig sind wie ein Hund oder eine Katze.» Bei Gänsen sei es schon etwas komplizierter, die bräuchten eine Badegelegenheit. ZUN hat rund 600 Mitglieder, davon sind 450 als aktive Züchter registriert. Im Gegensatz zu so manch anderem Verein ist Überalterung kein Thema: Viele junge Familien steigen in die Hobby-Hühnerhaltung ein, der Frauenanteil ist hoch.

Wissen, was man isst

Ein Grund dafür sei, dass Konsumenten vermehrt wissen wollen, woher ihre Eier kommen, wie die Tiere gehalten werden und was sie fressen. «Man möchte etwas zur Selbstversorgung beitragen, das gehört zum Menschen.» Nicht zuletzt muss man ein Huhn nicht töten, um von seinem Produkt zu profitieren, dem Ei. Damit genügend Jungtiere zur Verfügung stehen, unterstützen Astrid Spiri und andere Züchter den Erhalt der ursprünglichen Rassen mit Brutapparaten. Einmal im Gerät, brauchen Hühnereier nur noch wenig Pflege. Ganz anders Gänseeier: 32 Tage lang müssen sie täglich zweimal mit Wasser besprüht und gekühlt und einmal gewendet werden.

Für die Neueinsteiger legen die Mitglieder der verschiedenen Zuchtgruppen jeden Frühling 1200 Eier in ihre Brutapparate. Nicht immer klappt es. Doch nach 21 Tagen schlüpfen gut 750 Küken. Sie werden nach dem jährlichen Kükenkurs an die Hobby-Züchter abgegeben. «Die Leute bekommen bei uns Infos über Haltung und Fütterung, im Sommer gibt es Beringungshilfe und wir organisieren Rassenlehrkurse», erklärt Astrid Spiri ihr Engagement. «Unsere Mitglieder setze sich genau mit den Tieren auseinander, die sie übernehmen, und das ist gut so.»

Leben und Tod

Zum Auseinandersetzen gehört auch das Thema Leben und Tod, das bei Nutztieren naturgemäss anders angegangen wird als bei Haustieren. Astrid Spiri erzählt von einer Gans, der ein Fuchs den Fuss angefressen hatte. Eine ihre Töchter hat den Fuss genäht, sie selbst die Gans drei Monate lang täglich gebadet. «Doch es half alles nichts. Die Gans konnte nicht mehr mit den anderen umherlaufen und ins Wasser steigen. Das war nicht tiergerecht.»

Auch Corinna Bochsler aus dem bernischen Vielbringen bekam ihre Küken von Astrid Spiri vermittelt. Als sie vor fünf Jahren zu ihrem Lebenspartner Bruno Wermuth auf dessen Biohof zog, wollte sie wie an ihrem früheren Wohnort wieder Hühner halten. «Ich entschied mich bewusst für eine alte Rasse», sagt sie. «Die Appenzeller Spitzhauben hätten mir gut gefallen. Doch da sie gut fliegen können, hatte ich Bedenken wegen der Strasse. Also entschied ich mich für Barthühner.»

In einer stürmischen Nacht holte sich ein Fuchs die ganze Herde. «Am Morgen fanden wir nur noch Federn.» Inzwischen hat sie neue Tiere, geschützt mit Elektrodraht auf dem Zaun. Tagsüber dürfen sie auf dem ganzen Hof und den angrenzenden Weiden frei herumlaufen. Dafür hat Corinna Bochsler ihren Gemüsegarten eingezäunt. «Die eingepferchten Hühner taten mir leid. So passt es für mich besser. Nur zum Eierlegen gehen sie ins Gehege.» Sind sie nicht gerade in der Mauser, legen Barthühner ein Ei pro Tag. Corinna Bochsler verwendet sie für den eigenen Haushalt oder verkauft sie an Nachbaren und Bekannte.

Immer was los

Ihr gefällt an den Barthühnern, dass sie lebhaft und zugtraulich sind. «Es ist immer etwas los.» Krankheiten seien ebenfalls kein Thema. Ihre sieben Hühner werden von einem Güggel angeführt, der auf sie aufpasst. Kreist ein Raubvogel, warnt er sie lautstakt. Bleibt ein Huhn zurück, holt er es zur Gruppe. Die Herde habe keine sehr ausgeprägte Hackordnung, doch das rangniedrigste Huhn sei dennoch klar auszumachen.

Eine Erweiterung der Herde ist nicht geplant. «Dafür fehlt der Platz.» Barthühner gelten zudem nicht als besonders brütig, sie bleiben selten auf den Eiern sitzen. Trotz des grossen Auslaufs kommen sie schnell zu Corinna Bochsler gelaufen, als sie mit Futter lockt. Nicht alles finden sie auf der Wiese. «Neben Hühnerfutter stehen sie auf Kartoffeln, Äpfel, Beeren und zu meiner Überraschung auch auf Spaghetti und Quark.»


Weitere Informationen:

www.weidegans.ch
www.zun-schweiz.ch

 

Ursprüngliches Schweizer Geflügel

Diepholzer Gans

Schneeweisse, mittelgrosse und rundliche Landgans. Sie ist sehr aufmerksam, legt pro Jahr zwischen 35 und 50 Eier und hat einen starken Bruttrieb.

Pommernente

Sie gilt als einer der letzten Vertreter des Landenten-Typs in Europa. Die zutraulichen Pommernenten haben einen weissen Brustlatz, ihr restliches Gefieder ist schwarz mit glänzend grünen oder blauen Partien.

Schweizerhuhn

Ein Huhn in Schweizer Farben: schneeweisses Gefieder, leuchtend roter Kamm. Es gilt als bewährte Zweinutzungsrasse mit guter Legeleistung und überzeugender Fleischqualität

Appenzeller Barthuhn

Barthühner sind klein, leicht und sehr lebendig. Sie tragen am Kinn und an den Backen einen Federnbart und liefern zuverlässig Eier. 

Appenzeller Spitzhaubenhuhn

Ihr Markenzeichen ist ihr auffälliger Kopfschmuck: eine schmale, nach vorne geneigte Federhaube. Sie sind munter, flugfreudig und sind ideal an die Bedingungen in den Bergen angepasst. 

 

 

 

Eier frisch ab Huhn lagern

  • Hühnereier dürfen nicht gewaschen werden, sie verlieren sonst ihre natürliche Schutzschicht auf der Schale, und Keime können ins Innere gelangen. Das Ei frisch ab Nest am besten mit einem trockenen groben Schwamm abreiben.
  • Temperaturschwankungen vermeiden: Eier müssen nicht zwingend im Kühlschrank gelagert werden. Aber einmal gekühlt, müssen sie gekühlt bleiben.
  • Hühnereier können Fremdgerüche aufnehmen. Daher nicht neben geruchsintensiven Lebensmitteln lagern. 
  • Im Idealfall lagern Eier mit der spitzen Seiten nach unten im Eierfach des Kühlschranks oder in einer Eierschachtel. 
  • Hühnereier müssen ein bisschen reifen, damit sie Geschmack entwickeln: Ab dem vierten Tag schmecken sie am besten. 
  • Um die Frische zu testen, legt man das rohe Ei in ein Glas mit kaltem Wasser. Bleibt es am Boden, ist es ganz frisch. Je mehr es sich aufrichtet, desto grösser ist die Luftblase im Innern und desto älter ist das Ei. Bei frischen
  • Eiern ist in der Regel zudem das Eiweiss dickflüssig und das Eigelb gut gewölbt.