Die letzten rötlichen Sonnenstrahlen des Tages reflektieren auf der glatten Wasseroberfläche eines flachen, runden Teichs. Vögel zwitschern und Sitzgelegenheiten aus Holz laden zur Erholung ein. Der TCM-Garten der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Wädenswil ist ein wunderbarer Ort, um nach der Hektik des Alltags zur Ruhe zu kommen.
Seine primäre Aufgabe allerdings besteht darin, angehendenTherapeutinnen und Therapeuten der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) chinesische Arzneipflanzen in einer natürlichen Umgebung zu zeigen.
Die ganze Pflanze kennenlernen
«Ich fand es schade, dass viele angehende TCM-Praktizierende die chinesischen Arzneipflanzen nur als Granulate kennenlernen», sagt die Initiantin des Gartens, Nina Zhao-Seiler.
Deshalb hat sie sich mit ihrer Idee an die ZHAW in Wädenswil gewandt; im Wissen, dass auf dem Campus Grüental bereits spezialisierte Gärten angelegt worden sind.
Ein Garten für alle
Sie stiess auf offene Ohren. «Da es sich um öffentliche Anlagen handelt, war es uns ein grosses Anliegen, dass der Garten auch für unsere Studierenden und die breite Öffentlichkeit interessant ist», sagt Regula Treichler, Projektleiterin der ZHAW und Kuratorin des Gartens.
Kurzerhand schrieb sie für die ZHAW-Studierenden eine Semesterarbeit aus, im Rahmen derer ein Konzept für einen möglichen TCM-Garten ausgearbeitet werden sollte. Anschliessend wurde das Anliegen als Forschungsfrage formuliert und so eine Anschubfinanzierung ermöglicht.
Eröffnung im Jahr 2016
2016 konnte der erste TCM-Garten der Schweiz feierlich eröffnet werden. «Wir sind noch immer in der Anfangsphase und nicht alle Pflanzen gedeihen gleich gut», sagt Nina Zhao-Seiler, die eine eigene TCM-Praxis in Zürich hat. «Um optimale Wuchsbedingungen zu erreichen, gab es für mich keine andere Option, als die Pflanzen nach Regionen anzuordnen.»
Winterhart muss sein
Die Pflanzen mussten zudem möglichst winterhart sein. So sind mittlerweile Beete mit sehr nährstoffreichem Boden angelegt worden, aber auch sogenannte Ruderalflächen, nährstoffarme Kieshügel, wie sie zum Beispiel nach Überschwemmungen entstehen.
Wichtig war dabei auch, dass sich der TCM-Garten in die bestehenden Forschungsgärten harmonisch einfügt. Deshalb wird auf die chinesische Philosophie der fünf Elemente beispielsweise nur subtil mit einem Teich mit Metallbecken sowie Stein- und Holzelementen hingewiesen.
Aktuell können im TCM-Garten 122 Pflanzen erlebt werden. Das längerfristige Ziel lautet sogar, 200 gängige Arzneimittelpflanzen der TCM zu zeigen.
Lernprozess
«Da wir in Europa von vielen dieser Pflanzen einheimische der gleichen Gattung vorfinden, oft aber nicht der gleichen Art, ist es ein stetiger Lernprozess», sagt Nina Zhao-Seiler. Es gilt herauszufinden, was den Pflanzen gut bekommt und mit welchen Nachbarspflanzen sie sich besonders gut vertragen.
Den Rest besorgt die Natur. Dies zumindest entspricht dem Ziel der ZHAW, die auf «Moderation mit Unkraut» setzt, wie Regula Treichler es nennt. Heisst: Die Gärtner-Equipe greift nur dann ein, wenn eine Pflanze allzu dominant wird oder sich falsche Pflanzen ausbreiten. Dies spart auch Geld beim Pflege-Management. Die Kosten für die Gartenpflege deckt ein Patensystem.
Gut vernetzt
Zwei der grössten TCM-Ausbildungsstätten der Schweiz nutzen die Möglichkeit, die chinesischen Arzneipflanzen in ihrem natürlichen Umfeld zu erleben, bereits rege. Auch Gruppen melden sich regelmässig an, welche Nina Zhao-Seiler mit grosser Freude herumführt.
Sie hat die TCM in deren Ursprungsland erlernt und spricht fliessend Chinesisch. Im Rahmen ihres Studienaufenthaltes in China lernte sie ihren Mann kennen und gründete dort eine Familie. Deshalb ist ihr Bezug zu China noch immer gross.
Dies versucht sie auch zu nutzen, um die Arzneipflanzen-Sammlung in Wädenswil erweitern zu können. So führt sie aktuell Vorverhandlungen mit botanischen Gärten in China, um einen Export einiger seltener Pflanzen in die Schweiz möglich zu machen.
Weitere Informationen
Der Arzneipflanzengarten ist Teil der
Gärten im ZHAW-Campus Grüental in Wädenswil und für die Öffentlichkeit gratis zugänglich.