Rund 40 Leute drängen sich an diesem Abend gut gelaunt im «Dachstock 2.0», dem ungeheizten und unausgebauten Estrich eines Berner Mietshauses. Eingeladen hatte eine WG im Stock darunter. Der Anlass: Ein Konzert des Duos Noti Wümié. Möglich wurde das unkomplizierte Konzert durch die Webplattform «sofaconerts.org».

Gegründet wurde Sofaconcerts von den beiden Schulfreundinnen Miriam Schütt und Marie-Lene Armingeon aus dem schwäbischen Dorf Murrhardt. Die beiden hatten ursprünglich ganz andere Pläne. Nach dem Musik-Abitur studierte Miriam Schütt Betriebswirtschaft, Marie-Lene Armingeon Englisch und Spanisch mit dem Ziel, Gymnasiallehrerin zu werden.

Gemeinsame Firma

Es kam anders. Die Idee für die gemeinsame Firma entstand vor rund fünf Jahren, als die beiden an einem privaten Wohnzimmerkonzert einer noch wenig bekannten Band waren. Der Event begeisterte. Warum gab es so etwas nicht öfter?

Aus dieser Frage entwickelten die Freundinnen die Idee, eine Vermittlungsplattform für Wohnzimmerkonzerte aufzubauen. Es blieb nicht bei Gedankenspielen. Miriam Schütt, die damals im Marketing einer grossen Firma arbeitete, gab ihren Job auf, um sich ganz dem neuen Projekt zu widmen.

Marie-Lene Armingeon stieg parallel zu ihrem Lehramtsstudium in das Start-up ein. «Anfang 2014 ging die Plattform online und innerhalb der ersten Studen vermittelten wir bereits zwei Konzerte», sagt Miriam Schütt.

Kultur im Badezimmer

Ähnlich dem Grundprinzip von Carsharing-Websites oder bei Airbnb bringt Sofaconcerts private Gastgeber und Künstler miteinander in Kontakt. «Wir bieten professionellen Newcomern eine Plattform. Unser Netzwerk ist aber auch für Bands interessant, die auf Tour sind, ein paar Tage frei haben und weitere Auftritte dazwischen schieben möchten.»

Die Konzerte finden fast überall statt: In Wohnzimmern, Küchen, Gärten, Treppenhäusern, Kellernoder kleinen Läden. «Sogar in grossen Badezimmern. Ab 15 Quadratmetern ist vieles möglich. Wir schaffen Bühnen, die es vorher nicht gab.» 

Die Künstler bringen alles mit, was sie für ihren Auftritt brauchen. In der Regel spielen sie für eine fixe Gage. «Auch Kunst hat ihren Wert.» Die Preise variieren, Engagements seien ab rund 170 Franken möglich. 

Musiker direkt ansprechen

Die Plattform funktioniert einfach: Die Musiker können sich mit ihrem Profil online bei Sofaconcerts einschreiben. Die potenziellen Gastgeber geben Anlass und Ort ein, welcher Musikstil es sein soll, und wie gross das Budget ist.

Die Plattform zeigt daraufhin alle in Frage kommenden Künstler an. Ist ein Gastgeber an einem Künstler interessiert, lädt er ihn unverbindlich ein. Alle Details vereinbaren beide Seiten direkt, ohne Vermittler. Nach dem Auftritt können Musiker und Gast-geber einander auf der Plattform bewerten.

Kultur für jedes Dorf

Inzwischen finden sich 5 00 Künstler aus der ganzen Welt auf dem Netzwerk, sowie mehr als 1 00 Gastgeber aus 16 Ländern – auch aus ländlichen Schweizer Gemeinden wie Birrhard oder Benken. «Musik verbindet alle», sagt Miriam Schütt. «Für uns ist es schön zu sehen, wie Bands über unsere Plattform auf ein begeistertes Publikum treffen.

Die Fans, die die Musiker bei Sofakonzerten gewinnen, sind oft besonders treu.» Nicht selten würden die Besucher anschliessend immer wieder zu deren Konzerten gehen.

Geschichen, die motivieren

Gebucht werden die Künstler zu ganz unterschiedlichen Anlässen: WG-Parties, Hochzeiten, Geburts-
tage, Firmenjubiläen, Gartenfeste. Miriam Schütt erzählt das Beispiel einer ländlichen Gastgeberin, die auf diese Art regelmässig Kultur in ihr Dorf bringt. Und die Geschichte eines jungen Vaters, der seine Frau mit einem Konzert überraschte, weil das Paar wegen des Babys kaum mehr ausgehen konnte.

«Geschichten wie diese motivieren uns sehr.» Probleme gäbe es kaum. Oft hätten die potenziellen Gastgeber im Vorfeld Bedenken, die Musik würde zu laut. Doch in der Praxis hätte es ihres Wissens noch nie Ärger gegeben. «Fast alle Musiker spielen ohne Verstärker. Oft ist das Klatschen der Gäste das lauteste Geräusch.»

Sofaconcerts wächst. Machten Miriam Schütt und Marie-Lene Armingeon am Anfang noch alles selbst, besteht das Team inzwischen aus acht Vollzeit-Mitarbeitenden.

Das nächste Ziel der beiden Freundinnen: In Europa die erste Anlaufstelle für Wohnzimmer-Musik zu werden. Miriam Schütt: «Es macht uns Spass, neue Künstler aus der ganzen Welt zu entdecken. Und es ist toll zu erleben, dass wir mit unserer Plattform etwas geschaffen haben, das ankommt.» 

Weitere Informationen:

www.sofaconcerts.org