Von Blumenläden über Kosmetikmarken, Restaurants und Schoggi-Herstellern bis zur Fluggesellschaft: alle werben derzeit mit dem Muttertag, der dieses Jahr auf den 12. Mai fällt. Das hatte sich die Gründerin Anna Marie Jarvis ganz anders vorgestellt.
Die US-Amerikanerin machte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts für einen Feiertag für Mütter stark, wie übrigens schon ihre eigene Mutter vor ihr. Am 8. Mai 1914 war es dann so weit: Der Muttertag wurde erstmals gefeiert. Doch schon wenige Jahre später ärgerte sich Anna Marie Jarvis so über die Kommerzialisierung des Festtages, dass sie ihn verbieten wollte. Aber ihre Klage wurde abgewiesen.
Andere Länder, andere Daten
In der Schweiz hatte der Muttertag zu Beginn keinen hohen Stellenwert. Erst als die hiesigen Floristen und die Medien in den 1930er-Jahren für den Festtag warben, setzte er sich allmählich durch. In vielen anderen Ländern gibt es ebenfalls einen Festtag speziell für Mütter, aber teils an ganz anderen Tagen im Jahr.
Und die Väter? In Deutschland ist der Vatertag seit über 100 Jahren etabliert. Es heisst, den Anstoss dazu habe eine Brauerei geliefert. Dazu würde passen, dass der Tag gern von Männergruppen für feuchtfröhliche «Herrenausflüge» genutzt wird.
In der Schweiz führte der Dachverband der Schweizer Männer- und Väterorganisationen im Jahr 2007 den Vätertag ein. Am 1. Sonntag im Juni soll der Festtag dazu motivieren, sich mit «zeitgemässen Rollenmodellen sowie zukunftsweisender Väterlichkeit» auseinanderzusetzen, wie es auf der Website des Dachverbands heisst.
Fertig Muttertag
Für schweizweites Aufsehen sorgte vor wenigen Wochen eine Primarschule in Lully GE: In einem Brief teilte sie den Eltern mit, dass die Schule künftig nicht nur die Mütter ehren wolle, sondern «ganz allgemein die Menschen, die wir lieben». Die dazugehörige Feier soll am 24. Mai stattfinden, also zwischen den Daten von Mutter- und Vatertag. Die Kinder würden für die Feier Geschenke vorbereiten.
In den sozialen Medien löste das Thema teils sehr emotionale Reaktionen aus. Wenig begeistert war zudem die Schulbehörde. Sie forderte die Schulleitung auf, ihre Entscheidung rückgängig zu machen.
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Wenn ich an den Muttertag denke, kommen bei mir als Erstes Kindheitserinnerungen hoch. Bei uns im Dorf gab es für schulpflichtige Kinder die Möglichkeit, im Rahmen einer halbtägigen Veranstaltung unter Anleitung ein Muttertagsgeschenk zu basteln. Das Material wurde zur Verfügung gestellt bzw. war in der Teilnahmegebühr enthalten.
Ich kann mich nicht mehr an alles erinnern, was wir dort fabriziert haben, doch die mit farbigen Bändern verzierte Einkaufstasche sehe ich noch lebhaft vor mir. Meine Mutter hielt sie in Ehren und benutzte sie jahrelang. Eventuell hat sie diese sogar immer noch, ich muss sie mal fragen.
Anders zeigen
Bei uns in der Familie wird der Muttertag nicht gross zelebriert. Ich schenke meiner Mutter aber jedes Jahr einen Blumenstrauss, weil ich diesen Tag dafür einen schönen Anlass finde. Ich glaube, mein Bruder handhabt das ähnlich. Generell versuche ich, meine Dankbarkeit fürs wöchentliche Kinderhüten und meine Wertschätzung als Tochter anders bzw. auch übers Jahr zu zeigen. Etwa indem ich meine Eltern mal zum Essen einlade oder ihnen bei Dingen behilflich bin, die mir leichter fallen als ihnen. Sei das, dass ich neue Handys einrichte, Drucker konfiguriere, Dinge online bestelle, Hotels buche oder Brillen in die Reparatur bringe, weil ich öfter in der Stadt unterwegs bin als meine Eltern. Oder das Haus hüte, Ponys, Hühner und Katze versorge, wenn sie in die Ferien fahren.
Geschenk ist auch für Papa
Nun bin ich ja seit einigen Jahren selbst Mutter zweier Töchter, die aktuell sieben und fünf Jahre alt sind. Seit die beiden schulpflichtig sind, komme ich auch in den Genuss von Muttertagsgeschenken. Allerdings sind diese nicht mehr nur für mich, denn weil es in der Schweiz keinen offiziellen Papa-Tag gibt, werden die Geschenke an unserer Schule quasi genderneutral gebastelt, es gibt also ein Präsent, das sich an Mama und an Papa richtet.
Das finde ich eigentlich schön und stört mich auch nicht – ich erwarte am Muttertag keine besondere Wertschätzung für mich oder einen Reigen an Blumensträussen. Da freue ich mich viel mehr über die kleinen Bastelarbeiten und Zeichnungen, die unsere Kinder oft für mich machen, eine Kuscheleinheit oder über ein spontan geäussertes «Mama, ich liebe dich».
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Ich legte meine Hand auf seinen Unterarm und blickte ihm fest in die Augen «Halt. Es. Auf. Bitte!», flehte ich den Gatten an. Denn ich hatte mitbekommen, dass unsere beiden Kinder «ganz geheim» den Plan schmiedeten, mir am Muttertag den Zmorgen ans Bett zu servieren. Ich sah schon ein mit Saft geflutetes Bett und mich, wie ich angestrengt versuchte, gleichzeitig überrascht und fröhlich zu wirken.
Dem Gatten gelang es geschickt, die Energie der Kinder umzulenken. Die übrigen Muttertage während der Kindergarten- und Primarschulzeit blieben entspannt. Die Kinder schenkten mir jeweils etwas Gebasteltes. Der Vater sei manchmal etwas grummelig gewesen, erinnert sich die Tochter. «Weil er kein Geschenk bekam.» Sie habe ihm daher mindestens einmal zum Vatertag auch etwas gebastelt.
Keine leidende Mutter
Im Oberstufenalter gab es noch gelegentlich Blumen. Inzwischen ist die Tochter 29, der Sohn 30 Jahre alt und der Muttertag hat keinen emotionalen Stellenwert, weder für sie noch für mich. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich mich für die Kinder aufopfere. Es war ein Privileg, die beiden beim Aufwachsen zu begleiten. Das ging manchmal an die Substanz, doch ich würde es nicht anders wollen. Aus dem sozialpolitischen Blickwinkel wären aber durchaus noch einige Wünsche offen, für alle Eltern.
Mit meiner heute 86-jährigen Mutter gibt es beim üblichen, sonntäglichen Telefonat am Muttertag einzig ein Mini-Ritual. Ich rufe «Happy Muttertag!» ins Telefon. Sie antwortet «Happy Mutttertag!». Das wars.
Prägende Erinnerungen
Meine Liebe und Wertschätzung zeige ich auf andere Art, sei es mit Besuchen oder Blumen «einfach so» oder mit handfesten Hilfestellungen wie Online-Bestellungen erledigen und Fahr- und Tragdiensten beim Einkaufen.
Sie selbst hat vor allem in den 1960er-Jahren als Mutter viel auf sich genommen, mir unter schwierigen persönlichen und wirtschaftlichen Umständen eine möglichst unbeschwerte Kindheit zu ermöglichen. Das prägt und verbindet.
Ein Muttertagsgeschenk meiner Kinder hat die Zeit und diverse Umzüge überdauert: Ein Untersetzer aus Bambus und grünen, inzwischen etwas zerfledderten Wollfäden. Er liegt bis heute auf dem Esstisch. So viel Sentimentalität muss sein.