Herr Stäger, wie viel Zucker wird während der diesjährigen Kampagne in den Fabriken in Frauenfeld und in Aarberg produziert und wie viel davon ist Schweizer Zucker?
Guido Stäger: Im Moment rechnen wir mit 1,5 Millionen Tonnen Rüben und etwa 220'000 Tonnen Zucker. Davon ist knapp 90 Prozent Schweizer Zucker.
Die Nachfrage nach Schweizer Zucker konnte letztes Jahr nicht abgedeckt werden. Braucht es auch dieses Jahr Importe?
Der Gesamtbedarf der Schweiz dürfte wegen Covid-19 auf etwa 300'000 Tonnen sinken. Der Selbstversorgungsgrad mit Schweizer Zucker sinkt also gegen 60 Prozent, es müssen über 100'000 Tonnen EU-Zucker importiert werden. Auch die Schweizer Zucker AG (SZU) importiert Rüben und Zucker, um unsere Kunden mit dem fehlenden Zucker zumindest teilweise zu versorgen.
Wegen der Virösen Vergilbung gibt es in westlichen Anbaugebieten Ertragsausfälle, die Rüben sind sehr klein. Führen kleine Rüben auch in der Verarbeitung zu Umstellungen oder Problemen?
Kranke oder trockenheitsgeschädigte Rüben haben eine andere Zusammensetzung und lassen sich schlechter extrahieren. Wir müssen unsere Verarbeitungsbedingungen anpassen und haben eine etwas tiefere Zuckerausbeute, dafür mehr Melasse und Schnitzel. Ein weiteres Problem ist, dass bei den Ernte- und Verlademaschinen die Rollenabstände der Reinigungsanlagen wegen den kleinen Rüben angepasst werden müssen. Dadurch werden die Steine weniger gut entfernt und mehr davon landen in der Fabrik. Wenn die Rüben aus steinreichen Böden kommen, haben wir grosse Probleme und unsere Schnitzel-Schneidmaschinen vor der Extraktionsanlage werden durch die Steine beschädigt. Aber wir müssen das Beste aus der Situation machen und alle Rüben verarbeiten, wir brauchen den Zucker.
Wie sieht die Anbaubereitschaft der Pflanzer für nächstes Jahr aus?
Die Pflanzer und auch die SZU haben auf die Notzulassung von Gaucho gewartet und sind entsprechend enttäuscht. Trotzdem müssen wir den politischen Entscheid des BLW akzeptieren. Es muss ja unser aller Ziel sein, die extremen Trinkwasser- und Pestizidinitiativen abzulehnen und der Druck, weniger Pflanzenschutzmittel einzusetzen wird bleiben. Wir möchten den Anteil an Bio- und IP-Suisse-Rüben im nächsten Jahr deutlich erhöhen. Das BLW hat immerhin zwei zusätzliche Wirkstoffe zur Bekämpfung der Blattläuse zugelassen. Die Fachstelle wird zusammen mit den kantonalen Landwirtschaftsämtern ein Monitoring aufbauen, damit wir die neuen Wirkstoffe zum richtigen Zeitpunkt und damit möglichst effektiv einsetzen können. Wir werden in den nächsten Wochen intensiv mit den Pflanzern kommunizieren, um ihnen die Chancen des Ansatzes neuer Wirkstoffe und dem Blattlausmonitoring zu erklären. Damit hoffen wir, viele von ihnen zu überzeugen, auch 2021 wieder Rüben anzubauen. Die Kunden wollen Schweizer Zucker und die Preise sind unterdessen auch deutlich besser.