Die «Neo-Ökologie» stand im Zentrum des Ostschweizer Food Forums, welches am 4. März in Weinfelden stattfand: «Die Klimadiskussionen haben gewaltige Ausmasse angenommen und werden längst nicht mehr nur von Jungen angetrieben. Inzwischen haben wir es mit einem Megatrend zu tun, der alle Lebensbereiche tangiert, auch die Wirtschaft», hielt Moderator Stefan Nägeli fest, bekannt auch als Moderator von Tele Top. «Was die Ernährung betrifft, sind die wichtigsten C02-Verursacher Kühlketten, Fleischkonsum und Food Waste.»

 

Der Dienstwagen des Oberbürgermeisters wurde abgeschafft

Babette Sigg, Geschäftsführerin des Konsumentenforums kf, würdigte in ihrem Referat die Bemühungen der jungen Klimaaktivistin Greta: «Auch wenn sie nicht alle toll finden: Greta ist allgegenwärtig. Mit ihrer Vehemenz hat sie erreicht, dass der Klimawandel zum Thema der Stunde geworden ist.» Sie habe reihenweise Gleichaltrige dazu gebracht, sich zu ihrer Zukunft Gedanken machen, was sich beispielsweise in zahlreichen Demonstrationen unter dem Motto «Thursday for Future» äusserte. Zudem habe Greta es geschafft, dass die CO2-Reduktion, auch auf der politischen Ebene zum Thema wurden, wie sich hierzulande beispielsweise mit den aktuellen Volksinitiativen zu Trinkwasser und Pestiziden zeige. «Dabei handelt es sich nicht nur um ein Strohfeuer», sagte Sigg «Es geht darum, dass wir die Herausforderungen annehmen und uns zusammentun, um Lösungen zu finden.»

Was die Greta-Bewegung konkret auslösen kann, zeigt das Beispiel der Stadt Konstanz. «Als Klimaaktivisten den Kontakt mit uns gesucht haben, haben wir sie eingeladen», erzählte Uli Burchardt, Oberbürgermeister von Konstanz an der Tagung. «Der Ruf nach konkreten Massnahmen wurde laut.» Im letzten Mai hat die Stadt den Klimanotstand ausgerufen und im Rahmen einer Task Force wurden rund 70 Ideen erarbeitet, um die CO2-Bilanz zu verbessern. Burchardt schaffte beispielsweise seinen Dienstwagen ab. Zudem wurde der Radverkehrsanteil auf 35 Prozent gesteigert, und der Bevölkerung stehen Lastenfahrräder zur Verfügung. Burchardt: «Wir Konstanzer werden die Welt nicht retten, aber wir wollen wirksame Massnahmen finden, die Spass machen.»

 

Lebensstil anpassen, um Klimalziele zu erreichen

Bei der abschliessenden Podiumsdiskussion ging es um die Frage, wie es bei der Umsetzung von Klimazielen aussieht. Mit einem positiven Beispiel machte Otto Wartmann jun. den Anfang der Runde: Die Biogasanlage, welche seine Eltern vor 20 Jahren bauten, ermöglicht auf dem Landwirtschaftsbetrieb in Bissegg TG einen geschlossenen Energiekreislauf: Die Milch wird in der Käserei verarbeitet, die restliche Molke den Sauen verfüttert, deren Gülle kommt in die Biogasanlage. Das Methangas sorgt für Wärme und Elektrizität in Haus und Stall. Darüber hinaus können 1500 Haushalte mit Strom beliefert werden. Wartmann räumte ein: «Eine solche Anlage baut man nicht von heute auf morgen, unsere ist ein Generationenprojekt.». In der Schweiz sei diese Anlage ein Vorbild, weil man es sich hier leisten kann, sagte Gerd Ganteför, Physiker und Hochschullehrer an der Uni Konstanz. «In Ländern jedoch, die weniger Geld haben, braucht es anwendbare Massnahmen», sagte Ganteför. Dort gelte es, zunächst die Armut zu bekämpfen, damit die Geburtenrate sinkt und sich die Bevölkerung stabilisieren kann. Um dies zu erreichen, müssten komplett neue Energiequellen gefunden werden. Dagegen sagte Simon Vogel von den Jungen Grünen Thurgau: «Man sollte ein Leben führen, dass für Menschen in anderen Ländern auch möglich ist. Ziel ist es, klimaneutral zu leben». Christian Fichter, Wirtschaftspsychologe bei der Kalaidos-Fachhochschule in Zürich, war jedoch der Meinung, häufig bedürfe es keiner Zwänge oder Regeln, um einen Wandel herbeizuführen, sondern Vorbilder. «Nachhaltiges Verhalten fällt leichter, wenn die soziale Gruppe auch entsprechend handelt».

Wie es denn in der Landwirtschaft aussehe, wollte Moderator Stefan Nägeli zudem wissen. «In der Schweiz sind sich Landwirtschaft und Konsumenten sehr nah. Das ist zwar eine Herausforderung, aber auch eine Chance», sagte Markus Hämmerli, Geschäftsleitungsmitglied von Fenaco. Es gelte beispielsweise, den Konsumenten die Abläufe in der Landwirtschaft verständlich zu machen und auch von kleinen Fortschritten zu berichten, die sonst gar nicht wahrgenommen werden.

 

 

Projekte gegen «Food Waste»

Auch das Thema «Food Waste» war Thema am Ostschweizer Food Forum. Dabei wurden zwei Projekte vorgestellt:

Madame Frigo: Fast die Hälfte von Food Waste wird in der Privathaushalten verursacht. Nahrungsmittel landen oft deswegen im Abfall, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum als Verbrauchsdatum gleichgesetzt wird. Das Projekt «Madame Frigo» wurde vor 6 Jahren von zwei Studentinnen gegründet, mit dem Ziel, den Food Waste zu reduzieren. Heute unterhält werden mit Hilfe vieler Freiwilliger 30 öffentliche Kühlschränke in 11 verschiedenen Regionen unterhalten. Geniessbare Lebensmittel, die nicht mehr benötigt werden, können ins Kühlfach abgelegt oder mitgenommen werden. Es werden weitere Standorte für Kühlschränke gesucht. 

To good to go: Beim Projekt «Too Good To Go»  der Umweltaktivistin Anja Good handelt es sich um eine Smartphone-App, die kostenlos heruntergeladen werden kann. Darauf bieten Restaurants und Läden restlichen Esswaren an, die von Nutzern reserviert und abgeholt werden. Der Inhalt des Pakets, das zum Drittel des Originalpreises verkauft wird, ist bei der Reservation noch nicht bekannt. Seit die App vor einem Jahr lanciert worden ist, sind bereits 1 Million Mahlzeiten gerettet worden. Es gibt derzeit etwa 81000 Benutzer und 2800 Betriebe, die mitmachen.