Die Samen sind gefleckt wie Leopardenfell, die Blüten rote Büschel und die Früchte mit Stacheln bewehrt. Das exotische Aussehen täuscht nicht, Rizinus wächst nicht ursprünglich in unseren Breiten. Aufgrund seiner Nützlichkeit eroberte er aber bald Gärten rund um den Globus.
Ein Exot
Eigentlich stammt der mehrjährige Strauch aus Afrika, wurde schon im antiken Ägypten und von den Römern und Griechen geschätzt. Wildwachsend begegnet man dem Rizinus heute in den Tropen und Subtropen, als Zierpflanze in Gärten hingegen ist er weltweit verbreitet. Historisch wurden die Pflanzenteile, Samen und vor allem das Öl dieses Exoten für verschiedene medizinische Zwecke eingesetzt: Beispielsweise zur Behandlung von Infektionen und Entzündungen, oft auch als Abführmittel. Rizinusöl war ein billiger Brennstoff für Lampen.
Öl auch heute im Einsatz
Auch heute kommt das Öl in der Industrie zum Einsatz, denn es ist gut geeignet als Zutat für Schmierstoffe, Farben, Beschichtungen und auch Kosmetika. Den neuesten Einsatz hat Rizinus als Biotreibstoff für Autos. Etwa eine Megatonne wird jährlich hergestellt, vor allem in Indien, China und Brasilien. Als «Castor Oil» taucht Rizinusöl auf der Zutatenliste diverser Kosmetik-Produkte in unseren Supermarkt-Regalen auf.
Gift ist wasserlöslich
Rizinus wächst also überall, das Öl gehört zum täglichen Gebrauch – und diese Pflanze soll giftig sein? Die Lösung liegt in der Chemie des Giftstoffs: Rizin ist wasserlöslich, daher ist Rizinusöl frei davon. Anders sieht es aber für den Presskuchen aus, der nach der Ölgewinnung übrigbleibt; Bevor dieser als Proteinfutter für Nutztiere verwendet werden kann, muss dieses Material entgiftet werden. Potentiell giftiges Futter bleibt aber heikel und daher werden die Rizinus-Rückstände häufiger als organsicher Dünger verwendet.
Rizin als Biowaffe
Der Giftstoff Rizin ist leicht aufzubereiten und weltweit verfügbar. Und wie die Menschen so sind, blieb dieser Sachverhalt nicht ungenutzt. Rizin wurde in Drohbriefen an amerikanische Senatoren und das Weisse Haus gefunden, sein Potential als Biowaffe wurde gerade während dem Zweiten Weltkrieg von verschiedenen Nationen untersucht. Als Folge davon ist diese Substanz heute gesetzlich streng geregelt; sie ist verboten und unter der «Chemical Weapon Convention», Besitz und Aufreinigung ist strikt reguliert und kontrolliert.
Alt-Testamentarische Wurzeln
Im Alten Testament hat die Rizinus-Pflanze hingegen einen freundlichen Auftritt als Schattenspender. Sie schützt den Propheten Jona, der seine Widerspenstigkeit erst bereut, als der «Wunderbaum» verdorrt und ihn ungeschützt der Sonne preisgibt. Rizinus, Wunderbaum, Castorbohne, Palma Christi, die Namen sind vielfältig wie die Verwendung dieses Strauchs. Mit Blick auf ihre Entstehung haben die meisten dieser Bezeichnungen einen wahren Kern. Der Name Rizinus bezieht sich auf die Form der Samen, die an vollgesogene Zecken (lateinisch Rizinus) erinnern. Wunderbaum bezieht sich darauf, dass der Rizinus in der Geschichte des Jona über Nacht zu Baumgrösse aufschoss, also wie durch ein Wunder erstaunlich schnell in die Höhe wuchs. Zwar ist diese Pflanze generell schnell-wüchsig, aber nicht gerade derart wundertätig. Als Castorbohne bezeichnet man den Rizinus wegen einer Verwechslung mit dem Mönchspfeffer (Agnus castor) im 18. Jahrhundert durch einen britischen Arzt auf Jamaika. Obwohl gelegentlich auch der Name «Christuspalme» auftaucht, hat Palma Christi nichts mit Palmen zutun. Tatsächlich bedeutet Palma Handfläche auf Lateinisch und verweist auf die mehrfingrige Form der Blätter.
Potenziell gefährlicher Schmuck
Abseits von Namensfragen und Waffenpotential schmücken Rizinus-Pflanzen scheinbar unschuldig den Garten. Vorsicht ist trotzdem geboten, denn die Samen schmecken angeblich gut und je nach Pflanze können wenige davon ausreichen, um zu Bauchschmerzen, Erbrechen, Durchfall, Muskelschmerzen, Atemnot, Krämpfen bis hin zum Kreislauf-Kollaps zu führen. Auch Halsketten aus den spektakulären Samen sind nicht empfehlenswert, da der Giftstoff durch die Bohrlöcher auf die Haut und schlussendlich in den Körper gelangen kann.
Am besten bleibt man also etwas auf Abstand und bewundert die rote, exotische Pracht, hinter der sich Geschichten von Todesdrohungen und Heilwirkungen verstecken. Eine Wundertüte, dieser Wunderbaum.
Eckpunkte zum Rizinus
Rizinus communis ist ein aufrechter Strauch, der ein bis vier Meter hoch werden kann. Diese Pflanze mag gut entwässerten, humosen Boden und einen sonnigen Standort. Vermehren kann man sie per Aussaat im Frühling.