Eigentlich gehört die ETH-Agronomin und Bäuerin Ruth Büchi-Vögeli (61) eher zu den stillen Schafferinnen. Aber sie kann sich Gehör verschaffen – mit gut belegten Fakten. Das will sie auch im Zürcher Kantonsrat. Nach den Kantonsratswahlen im Frühjahr schaffte sie es auf der SVP-Liste auf den ersten Ersatzplatz. Da Kantonsrat Martin Hübscher in den Nationalrat gewählt wurde, kann sie nachrücken. Der grosse Tag ist der 4. Dezember, dann wird Büchi im Kantonsrat vereidigt.

Leben als Pächterkind

AboSie vertreten die nächsten vier Jahre die Zürcher Landwirtschaft in Bern: die SVP-Nationalräte Martin Haab (links) und Martin Hübscher.Eidgenössische WahlenTriumph für Zürcher Bauernverband bei den WahlenFreitag, 27. Oktober 2023 Aufgewachsen ist Ruth Büchi zusammen mit vier Geschwistern im Zürcher Oberland auf einem Pachtbetrieb in Hinwil. Der Hof gehörte einer Privatperson, die den Betrieb an den Kanton verkaufte. Dieser brauchte das Land für den Strassenbau. «Dann konnten wir vom Kanton einen Pachtbetrieb in Mönchaltorf übernehmen», sagt Büchi.

Dieser Hof wurde aber einige Jahre später an einen Landwirt aus Uster als Realersatz für die Oberland-Autobahn verkauft. Danach konnte ihr Vater den ehemaligen Gutsbetrieb Bocken in Horgen als erster Pächter vom Kanton pachten. «Kurz nach der Übergabe des Betriebes an meinen Bruder verkaufte der Kanton die Liegenschaft an eine Bank, die mit der Bewilligung des Kantons den 40 ha grossen Betrieb auflöste», erzählt Büchi. Nach dieser Odyssee übernahm ihr Bruder den ehemaligen Hof der Mutter in Agasul, wo er nun eine Geflügelfarm betreibt.

Durch diesen familiären Hintergrund lernte Ruth Büchi von Kindsbeinen an das Pachtrecht von der Pike auf kennen – und dies auf die harte Tour. Nach dem Agronomiestudium an der ETH war sie beim Landwirtschaftsamt des Kantons Zürich folgerichtig für Boden- und Pachtrecht zuständig.

Liebe auf den ersten Blick

Im Zuge dieser Anstellung machte Ruth Büchi landauf, landab Ertragswertschätzungen und kontrollierte Verträge über das Boden- und Pachtrecht. An einem Weiterbildungskurs über das Pachtrecht traf sie Jakob Büchi. «Es war Liebe auf den ersten Blick», erinnert sich Ruth Büchi. «Wir haben uns kaum ein Jahr gekannt, da heirateten wir und ich zog hier auf den Betrieb in der Heurüti in Elgg.»

Neben der Familienarbeit mit den heranwachsenden vier Kindern und dem Hof blieb ihr doch noch Zeit für neue Aufgaben. Sie unterrichtete an der ehemaligen Bäuerinnenschule in Uster, an der ehemaligen landwirtschaftlichen Schule in Bülach und kurze Zeit auch noch am Strickhof in Wülflingen. Während 17 Jahren führte Ruth Büchi zudem die Geschäftsstelle der Zürcher Pferdezuchtgenossenschaft, wirkte in der Flur-, Forst- und Landwirtschaftskommission von Elgg mit, war in der Schulpflege, davon fünf Jahre als Präsidentin, wurde als Präsidentin der Spitex gewählt und danach als Präsidentin der Landi Eulachtal. Im Elgger Gemeinderat ist die SVP-Politikerin seit über zehn Jahren tätig und übernahm 2022 das Präsidium.

Eins habe sich halt aus dem anderen ergeben, sagt sie. «Ich konnte vieles von zu Hause aus erledigen», erinnert sich Büchi. Auch der Hof entwickelte sich mit einem Laufstallbau kurz nach der Hochzeit weiter und vergrösserte sich.

Nun im Stöckli daheim

Auf dem Hof brauche es sie jetzt nicht mehr so oft. «Den Betrieb haben wir 2021 unserem Sohn Jörg übergeben», sagt die Bäuerin, die jetzt mit ihrem Ehemann ins Stöckli gezogen ist. «Ich bin für meine zwei Freiberger verantwortlich und ab und zu noch als Aushilfe im Stall.»

So hat sie Zeit für ihre politischen Mandate. «Mein Mann unterstützt mich. Aber manchmal findet er schon, dass ich etwas viel unterwegs bin.» Das wird sich mit der Wahl in den Kantonsrat so bald nicht ändern. «Wenn mir als Kind jemand prophezeit hätte, dass ich Gemeindepräsidentin und Kantonsrätin werde, hätte ich ihn ausgelacht», sagt sie. Sie sei sehr introvertiert und schüchtern gewesen. «Ein Schnurri bin ich heute noch nicht», grinst sie. Aber für ihre Anliegen setzt sich Büchi mit Fakten und guten Argumenten zur Wehr. «Das muss man», sagt sie. «Wir in der Landwirtschaft und auch vermehrt die Gemeinden bekommen so viel aufgezwungen. Wehren wir uns nicht, setzt sich der Kanton über alles hinweg», ist ihre Befürchtung.

Breite des Gewässerraums

Auf Gemeindeebene treibt sie das Thema Gewässerräume im Siedlungsgebiet um. Sie musste feststellen, dass Gewässerräume im Siedlungsgebiet nicht nur im Bereich der Siedlungen ausgeschieden werden. Auch würden solche am Rande von Siedlungen gleichmässig festgesetzt, auch auf der Seite des Kulturlandes. Bei der vom Kanton verlangten Interessenabwägung werde nur ein allfälliges Revitalisierungspotenzial beachtet, was dazu führe, dass die Gewässerräume noch breiter werden und noch mehr Kulturland verloren geht. Fruchtfolgeflächen (FFF) würden im Kanton Zürich nicht als öffentliches Interesse wahrgenommen und bei einer Interessenabwägung meistens nicht berücksichtigt.

«Fruchtfolgeflächen werden nicht als öffentliches Interesse wahrgenommen.»

Ruth Büchi-Vögeli

So gingen bei der Ausscheidung von Gewässerräumen im Siedlungsgebiet allein in der Gemeinde Elgg rund 65 Aren beste FFF verloren. Aufgerechnet auf 160 Gemeinden im Kanton gibt dies doch eine ansehnliche Fläche. Die Vertreter des Kantons zeigten sich zum Glück gesprächsbereit, sodass zu hoffen sei, dass die Breite der Gewässerräume nochmals reduziert werden könne. Kommt dazu, dass laut Gewässerschutzgesetz FFF im Bereich von Gewässerräumen kompensiert werden müssten. Das werde aber im Kanton Zürich nicht gemacht, sagt Ruth Büchi. Die Gewässerräume gelten weiterhin als FFF und würden einfach in einer separaten Kategorie aufgeführt. «Das ist doch ein Witz, denn so einfach reaktivieren lassen sich diese Böden nicht», sagt Büchi.

Ein anderes Beispiel, das sie bewegt, sind Windräder. Elgg gehört zu den vom Kanton vorgeschlagenen Standortgemeinden. «Als die Standorte bekanntgemacht wurden, hätten wir sie einfach abnicken sollen», so die Gemeindepräsidentin. «Eine bereits mehrmals verlangte Kosten-Nutzen-Analyse habe ich bis heute nicht gesehen», ärgert sie sich. Und auch bei der Interessenabwägung zur Standortanalyse würden FFF einmal mehr nicht beachtet.

Naturschutz und Vernetzung

Auch auf ihrem Hof gehören Diskussionen mit dem Kanton dazu. Zum Betrieb gehört das Naturschutzgebiet beim Guemüliweiher. Daran angrenzend haben sie eine Blumenwiese. Als vor einigen Jahren die digitale Erfassung der Flächen eingeführt wurde, wollte Ruth Büchi die Wiese eintragen. «Aber im GIS war diese Wiese bereits als Naturschutzgebiet aufgeführt. Ich musste mehrfach intervenieren, bis das rückgängig gemacht wurde», erinnert sie sich.

«Das ist Erpressung, hat mit Naturschutz und Biodiversität nichts zu tun.»

Ruth Büchi-Vögeli

Den Vertrag für das Naturschutzgebiet haben Büchis nicht unterzeichnet. Denn darin stand, dass das Naturschutzgebiet jederzeit vergrössert werden kann. Eine Regelung über einen allfälligen Realersatz oder über eine Entschädigung für die Wertverminderung bei einer Erweiterung wurde verweigert. «Unter diesen Umständen konnten wir den vorliegenden Vertrag nicht unterschreiben», sagt Ruth Büchi – mit der Konsequenz, dass sie auch bei der Vernetzung nicht mitmachen dürfen. «Das ist Erpressung und hat mit Naturschutz und Biodiversität rein gar nichts zu tun», so ihr Fazit.

Keine Rücksicht auf FFF

Rund zwei Hektaren von Büchis landwirtschaftlicher Nutzfläche sind zudem im GIS als «prioritäre Potenzialflächen für Feuchtgebiete» (PPF) ausgeschieden. Gesamthaft will der Kanton Zürich 1300 ha versumpfen lassen, wovon 400 ha FFF betroffen sind. Naturschutz habe seinen Platz, auch auf ihrem Betrieb, findet Ruth Büchi. «Aber was zu weit geht, geht zu weit.»

Im Kanton Zürich nehme man unter anderem auf den Wald, die Naturschutzgebiete und die Wildtiere Rücksicht, nicht aber auf FFF. Und dies, obwohl im Kanton seit Jahren zu wenige FFF vorhanden seien und täglich weitere Quadratmeter verloren gingen. «Ich weiss nicht, wie wir unsere 1,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner im Kanton Zürich ernähren können, wenn die Grenzen mal geschlossen sind», sagt Ruth Büchi.